Protocol of the Session on October 7, 2004

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja, wie?)

Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass wir die KMK stärken müssen und der Bund nicht gänzlich daneben steht, sondern, wie das in anderen Fachministerkonferenzen auch der Fall ist, mit dabei ist. Aber es kann nicht sein, dass der Bund – das ist von unserer Seite aus auch nirgendwo gesagt oder behauptet worden – hier Kompetenzen an sich reißen möchte.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Es ist richtig, dass wir Verbesserungen brauchen. Wir brauchen auch – das sage ich gerade in Ihre Richtung, Herr Kretschmann – eine Stärkung des Landtags in diesem Zusammenhang. Wie diese allerdings genau auszusehen hat, darüber müssen wir noch diskutieren. Wenn Bildungspolitik, wenn Schulpolitik originäre Aufgabe der Länder ist, dann ist klar, dass das nicht nur eine Sache der Exekutive sein kann, sondern dann ist der Landtag an erster Stelle mit gefordert. Darüber, wie wir das dann besser hinbekommen, müssen wir sicher noch im Detail sprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der niedersächsische Ministerpräsident Wulff hat einen Stein ins Wasser geworfen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Aber es ist halt so: Wenn der Stein zu schwer und zu groß ist, dann bespritzt man nicht nur die anderen, sondern auch sich selber. Das hat er nun kräftig gemacht. Niedersachsen ist ja nie dadurch aufgefallen, dass es diese Vorschläge jemals in der Kultusministerkonferenz gemacht hätte. Niedersachsen hat daran mit seinen Kultusministern mitgewirkt

und keine Alternativvorschläge gemacht. Sie fehlen im Grunde auch heute nach der durch ihn erfolgten Kündigung.

Man muss dazusagen, dass der Zeitpunkt dieser Initiative außerordentlich schädlich war. Dadurch wurde nämlich der Eindruck erweckt, gerade wo wir im schwierigsten Teil der Arbeit der Föderalismuskommission sind, dass die Länder gar nicht in der Lage sind, ihre eigenen Probleme zu lösen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: Es besteht in diesem Landtag in Bezug auf die Föderalismusreform Einigkeit, dass die Länder zu Bildungsstaaten werden sollen. Dazu haben wir eine gemeinsame Resolution beschlossen, dass sich der Bund, abgesehen von der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung, weitgehend aus dem Bereich Bildung zurückziehen soll und dieser ansonsten vollständig in die Länderkompetenz zurückkehrt.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Hochschulrahmenge- setz!)

Herr Kleinmann, was Sie gesagt haben, war wenig erhellend,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ich bin ja noch nicht fertig! – Zuruf von der SPD: Das ist noch gelinde ausgedrückt!)

weil Herr Westerwelle im Bundestag darüber abstimmt und weder Sie noch ich. Darum können Sie sich jetzt nicht hier hinstellen und so tun, als sei Ihnen völlig wurscht, was dieser Herr so von sich gibt. Das ist ganz entscheidend, und jetzt beeinflussen Sie ihn einmal in die richtige Richtung, damit er das Richtige macht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Das ist nicht wurst, das ist Käse!)

Die Hauptforderung der Länder ist, dass sie im Bereich der Bildung Vollkompetenz bekommen. Nur wenn das neben anderen Paketen geschieht, wird die Kommission erfolgreich sein und werden die Ministerpräsidenten auf weitgehende Zustimmungsrechte im Bundesrat verzichten. Hier geht es also um wirklich viel.

Die Kritik an der Kultusministerkonferenz ist keineswegs unberechtigt. Die KMK hat in der Vergangenheit eine Politik betrieben, die den Unitarismus auf die Spitze getrieben hat.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Im Hamburger Abkommen kommt das zum Ausdruck. Wenn man in den früher 11 und heute 16 Bundesländern letztlich doch alles völlig einheitlich regeln wollte, dann fragt sich natürlich jeder, wozu man dieses Gremium überhaupt braucht, denn dann könnte es der Bund gleich selbst machen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Kritik ist also vollkommen berechtigt. Ich glaube, erste Korrekturen sind allerdings eingeleitet. Wir müssen von dieser Entwicklung wegkommen.

Gewiss keine Lösung ist das Mehrheitsprinzip. Verfassungsrechtlich ist das vollkommen ausgeschlossen.

(Abg. Wacker CDU: So ist es!)

Dies würde ja dazu führen, dass ein Nicht-Verfassungsorgan, nämlich die Kultusministerkonferenz, einzelne Landesparlamente, also Verfassungsorgane, in ihrem schulpolitischen Willen aushebeln könnte. Das halte ich für vollkommen ausgeschlossen. Dieser Weg ist Gott sei Dank verschlossen. Er würde uns als Parlament schließlich völlig entmachten.

Es gibt nur einen Weg. Er heißt: Die KMK muss sich auf ihre Kernkompetenzen beschränken,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Also!)

die da lauten: länder- und schulformübergreifende Bildungsstandards festlegen, die Anerkennung von Schul- und Hochschulabschlüssen regeln und Standards für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrer definieren – jedenfalls Mindeststandards.

Wir brauchen natürlich auch eine nationale Bildungsberichterstattung, die verbindlich ist und die uns überhaupt erst in die Lage versetzt, das Schulwesen insgesamt so zu verbessern, dass Familien in diesem Staat noch ihren Wohnort wechseln können. Das sind die vier Kernaufgaben, um die es geht.

Unser Vorschlag lautet nun, dass die KMK diese Aufgaben über Staatsverträge regelt, dass sie aber nicht jeden Einzelpunkt selber regelt, sondern Qualitätsagenturen einsetzt, die viele dieser Fragen weitgehend selbstständig regeln. Solche Modelle haben wir heute schon, beispielsweise im Medienbereich, wo die KEF für die Gebührenfestlegung zuständig ist. Allerdings muss man sich dann auch an deren Vorgaben halten. Aber wenn wir so vorgehen und diesen Weg von Agenturlösungen wählen, die sozusagen ein Stück von der Politik abrücken – denn die Frage, was ein zwölfjähriges Kind in Mathematik können sollte, muss die Wissenschaft und nicht die Politik entscheiden –,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

dann begegnen wir genau dem Einwand, der stets und teilweise zu Recht erhoben wird: die KMK habe die Geschwindigkeit einer Landschildkröte,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das wäre ja schon re- lativ schnell!)

immer nur der Langsamste bestimme das Tempo und Ähnliches mehr.

Wir brauchen für die länderübergreifenden Regelungen, aber auch für die Europatauglichkeit des deutschen Föderalismus eine Methode, die uns schnell und auf hohem Niveau regeln lässt. Das ist das Entscheidende. Diesem Vorwurf, der in der Öffentlichkeit gegenüber den Ländern besteht, können wir mit dem Vorschlag, den wir gemacht haben, gut begegnen. Erst wenn wir das tun und die Öffentlichkeit davon überzeugen, haben wir eine Chance in der Föderalismuskommission. Wir brauchen ja in beiden Kammern eine Zweidrittelmehrheit. Dann erst haben wir die Chance, in dieser wichtigen Frage zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen, die die Verfassung ändern können.

Ich fasse zusammen: Die Ländervertreter in der Föderalismuskommission möchten die Länder als Bildungsstaaten.

Dafür sind überzeugende Konzepte erforderlich, zum Beispiel länderübergreifende Standards, damit die Europatauglichkeit gewährleistet wird. Wenn wir diese wenigen Punkte länderübergreifend regeln, heißt die Devise allerdings: Gestaltungsfreiheit der Länder und Ideenwettbewerb von Schulen und Hochschulen – die wir doch weitgehend in die Selbstständigkeit entlassen wollen. Dann heißt Föderalismus Vielfalt,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Vielfalt der Ideen. Dann können wir, glaube ich, riesige Schritte im Bildungssystem machen, Schritte, die unsere Republik und die einzelnen Länder wieder in die vorderste Front im Niveau der Bildung aller Industriestaaten bringen, wo wir uns ja heute bekanntlich nicht befinden.

Deswegen brauchen wir also eine schlanke KMK, die über Agenturlösungen jederzeit handlungsfähig ist, und darunter in der Bildungspolitik die Vielfalt, zu der autonome Schulen und Hochschulen beitragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Jetzt erteile ich Herrn Abg. Kleinmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Verlauf meiner vorhin gemachten Ausführungen bin ich zu Herrn Herzog gelangt, der damals zum 50-Jahr-Jubiläum der KMK gesprochen und sich dahin gehend geäußert hatte, dass man – wie es Kollege Kretschmann ja gerade betont hatte – die Vielfalt beachten und nicht meinen sollte, man müsste alles in Einförmigkeit umgestalten. Man sollte die Hoheit der Länder im Kulturbereich achten und von der Vielfalt leben. Das liegt allerdings schon sechs Jahre zurück; das war 1998.

Für meine Fraktion und mich stehen drei Dinge außer Zweifel, meine Damen und Herren:

Erstens bedarf es selbstverständlich auch weiterhin länderübergreifender Rahmenregelungen, um die Qualität und die Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen zu sichern und die Erarbeitung gemeinsamer Bildungsstandards fortzuführen. Wichtige, wenngleich auch nicht überzubewertende Stichworte hierzu: Mobilität, Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung.

Zweitens: Selbstverständlich müssen bestimmte Aufgaben, die dem Sekretariat der KMK obliegen, sinnvollerweise auch künftig zentral wahrgenommen werden. Ich nenne die gemeinsam finanzierten Einrichtungen wie den Deutschen Akademischen Austauschdienst oder die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, ich nenne den internationalen Schüleraustausch, ich nenne das Thema „Akkreditierung der Bachelor- und Master-Studiengänge“.

Drittens: Nicht weniger erforderlich scheint mir freilich die Aufgabe, das Sekretariat der KMK zu verschlanken, den erforderlichen Umfang ihres Aufgabenfelds zu überprüfen und die KMK selbst – Herr Kretschmann, da sind wir uns ja völlig einig – auf den Kernbereich ihrer Aufgaben zurück

zuführen. Das ist die bereits zitierte Aufgabe, das erforderliche Mindestmaß – nicht weniger, aber auch nicht mehr – an Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit des Bildungswesens her- bzw. sicherzustellen.