Wofür ist das Land zuständig? Das Land ist zusammen mit den Kommunen für die Schaffung der Infrastruktur, für Betreuungsmöglichkeiten, und zwar ein vielfältiges Angebot an Betreuungsmöglichkeiten, das selbstverständlich Tagespflege, institutionelle Einrichtungen und betriebliche Einrichtungen einschließt, zuständig.
Unter dieser Prämisse, dass wir beides brauchen, ist es, glaube ich, gerade in Zeiten, in denen wir sagen, jeder solle sich auf seine Kernaufgabe besinnen, durchaus legitim, darüber nachzudenken, ob hergebrachte Strukturen, bei denen wir als Land freiwillig Subjektförderung betreiben, in Zukunft weitergeführt werden sollen. Es geht also darum: Wer gibt den Familien was, und was brauchen die Familien? Junge Menschen brauchen beides, insbesondere – das ist, glaube ich, unbestreitbar – die verlässliche Perspektive, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können.
Dies ist übrigens in der Allensbach-Studie – es wurde schon gesagt – auch als hoch prioritär dargestellt worden, und zwar merkwürdigerweise völlig losgelöst von der Frage der finanziellen Besserstellung, was meiner Meinung nach nicht legitim ist. Das gehört nämlich zusammen.
Lassen Sie es mich einfach ganz konkret sagen: Wenn Eltern mit einem Einkommen, mit dem sie wirklich nicht zu den Hochverdienern gehören, die Wahl haben, entweder 200 € Landeserziehungsgeld zu beziehen oder wieder ihrem Beruf nachgehen zu können, um zum Beispiel ihr Häusle abzahlen zu können und, und, und, dann gehe ich davon aus, dass sie in aller Regel finanziell besser gestellt sind, wenn sie beide wieder arbeiten können.
Damit geben wir das, was wir mit dem Landeserziehungsgeld erreichen wollen, den Menschen durch eigene Möglichkeiten wieder zurück.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wenn Sie nicht von einer Regierungsfraktion wären, hätte ich jetzt ge- klatscht!)
Es muss uns auch zu denken geben, dass insbesondere unter den Akademikerinnen fast jede zweite kinderlos bleibt. Auch das ist ein statistischer Hinweis. Die Frage „Wie lange muss ich aus dem Beruf aussteigen, um meine Kinder zu
erziehen, zu betreuen?“ spielt eine ganz entscheidende Rolle, und zwar nicht nur bei den Hochqualifizierten, sondern durchgängig.
Ich glaube – auch wenn wir uns das jetzt noch nicht vorstellen können, weil wir einen Mangel an Ausbildungsplätzen und weil wir Arbeitslosigkeit haben; ab 2010 geraten wir aber tendenziell in einen Arbeitskräftemangel –, wir werden auch aus gesellschaftlicher Sicht mehr Frauenerwerbstätigkeit brauchen. Auch deswegen müssen wir an dieser Stelle darüber nachdenken, ob wir nicht umsteuern sollten.
Ein weiteres Argument ist die immer wieder zitierte Brückenfunktion des Landeserziehungsgelds. Jetzt schaue ich einmal den Kollegen Haas an. Wir waren doch so stolz, dass wir mit der Umstellung auf pauschalierte Gruppenförderung die Zahl der altersgemischten Gruppen massiv ausbauen konnten. Wir geben den Kommunen jetzt noch mehr Möglichkeiten – auch flexible Möglichkeiten –, sodass wir eine Entwicklung haben, die eben nicht mehr bedeutet: In der Regel geht ein Kind erst ab drei Jahren in eine Betreuungseinrichtung. Diese Entwicklung wollen wir fördern. Da stellt sich doch die Frage, ob wir den Kommunen nicht genau dabei etwas mehr helfen sollten, ihrer Aufgabe nachzukommen, verstärkt Betreuungsmöglichkeiten auch schon für Kinder vor dem Regelkindergartenalter anzubieten.
(Beifall des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Birzele SPD: Warum machen Sie es nicht? – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE – Glocke des Präsiden- ten)
Herr Kollege Noll, könnten Sie ausführen, wie zu Ihrem ausdrücklich erklärtem Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf der geplante Einschnitt ausgerechnet bei den Kontaktstellen „Frau und Beruf“ passt?
Wir als Parlament sind gefragt, wenn es darum geht, über den Haushalt zu beschließen. Da werden wir dann sehen. Da können wir dann die Diskussion führen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Da sind wir aber gespannt! – Zurufe der Abg. Birzele und Schmiedel SPD – Abg. Kretschmann GRÜNE: Was passiert jetzt?)
Jetzt kommt die entscheidende Frage. Weil wir aber wissen, dass sich 2006 möglicherweise einiges ändert, auch im Bund – wir werden eine wesentlich bessere Ausstattung der Familien bekommen –, und weil wir das Landeserziehungsgeld immer mit zweijährigem Vorlauf bewilligen, das heißt ab Geburt mit dem Bundeserziehungsgeld für das dritte Lebensjahr, muss jetzt darüber nachgedacht werden, wenn wir umsteuern wollen. Denn die im Jahr 2005 Geborenen werden schon 2007 bewilligtes Landeserziehungsgeld erhalten. Also müssen wir über dieses Thema ernsthaft weiterdiskutieren.
Das Mindeste, was wir uns vorstellen, ist, dass wir den Bewilligungszeitraum etwas näher an den Leistungszeitraum rücken, um damit auch ein Umsteuern zu ermöglichen.
Noch einmal: Es geht nicht darum, irgendjemandem irgendetwas wegzunehmen, sondern es geht um die Frage: Was brauchen die Familien, und was können und müssen wir als Land ihnen geben? Da sind wir der Meinung, zusammen mit den Kommunen – –
Ich sage ja: zusammen mit den Kommunen. Es könnte für 2005 und 2006 ohnehin nicht haushaltswirksam – –
Nein, das tue ich nicht. Wir stehen in ernsthaften Diskussionen darüber, wie wir möglichst eine schnellere Reaktionszeit erreichen. Das ist auch vom Kollegen Klenk gesagt worden. Er hat so vornehm davon gesprochen, dass man „zu gegebener Zeit“ darüber diskutieren müsse – das finde ich richtig –, ob man dann tatsächlich Mittel umschichtet.
Aber eines wird – da bin ich mit den Grünen einig – leider nicht gehen: mehr Geld für die Betreuung und das Festhalten an freiwilligen Leistungen wie dem Landeserziehungsgeld. Denn wer dies angesichts der Haushaltslage von Land und Kommunen leugnet, handelt im Grunde genommen nicht im Interesse unserer Kinder und künftiger Generationen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Antragsteller die Stellungnahme des Sozialministeriums vom 13. September 2004 zum Gegenstand einer Plenardebatte machen, ist natürlich nicht überraschend. Wie Ihnen allen bekannt ist, wurde über das Landeserziehungsgeld in der Haushaltsstrukturkommission erst elf Tage später beraten. Darüber hinaus ist es auch ein offenes Geheimnis, dass auch innerhalb der Landesregierung immer auch eine Diskussion zur Ausgestaltung des Landeserziehungsgeldes stattfindet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Diskussion in der Haushaltsstrukturkommission war angesichts ihres Auftrages ganz natürlich und verständlich. Die Haushaltslage – das wurde bereits angesprochen – ist aufgrund einer größer werdenden Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben äußerst angespannt. Wir haben zugleich die Pflicht, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen.
Daher prüft die Landesregierung natürlich ohne jegliche Tabus alle Einsparmöglichkeiten und wägt diese Möglichkeiten auch ab. Deswegen werden dann auch solche Diskussionen geführt.
Die Beratungen haben erneut gezeigt: Wir sind uns einig über die Priorität einer familien- und kinderfreundlichen Politik. Diese Einigkeit hat sich angesichts der demografischen Entwicklung noch verstärkt. Wir haben die „Zukunftswerkstatt Familien“ ins Leben gerufen und fühlen uns dieser Aufgabe auch bei der eigenen Politikgestaltung verpflichtet. Zweifellos muss es auch möglich sein, in der Familienpolitik Prioritäten zu setzen. Uns geht es darum, vor allem den einkommensschwächeren und besonders belasteten Familien zu helfen.
Das Landeserziehungsgeld als zentrale familienpolitische Leistung des Landes trägt dem sowohl durch seine einkommensabhängige Ausgestaltung als auch durch den Leistungszeitraum Rechnung.
Im Übrigen, liebe Frau Lösch: Baden-Württemberg ist inzwischen das einzige Bundesland mit einem Geburtenüberschuss. Wenn Sie Vergleiche mit anderen Bundesländern machen, dann sollten Sie richtige Vergleiche ziehen: Bayern hat nach wie vor für das erste Kind das Landeserziehungsgeld vorgesehen – etwas verkürzt –, und Bayern hat in seinem Haushalt 120 Millionen € für das Landeserziehungsgeld. Insofern sollten Sie bei den Vergleichen dann auch bei den Tatsachen bleiben.
Die Untersuchungen der Familienwissenschaftlichen Forschungsstelle im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg belegen, dass Familien gerade in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes den größten Einkommensverlust zu verkraften haben. Häufig müssen die Familien auf das Zweiteinkommen eines Elternteils verzichten.
Genau hier setzt das Landeserziehungsgeld an. Familien, die diesen Einkommensverlust nur schwer verkraften, weil das Familieneinkommen gering ist, werden zielgenau unterstützt.
Wie brisant die Situation im Übrigen in Teilen sein kann, zeigt sich auch in den am Montag veröffentlichten Ergebnissen der ersten Erhebung des Statistischen Landesamts
zur Einkommenssituation von Familien aus Sicht der Minderjährigen. Sie, die Grünen, sind diejenigen, die sonst bei Armutsberichten immer fordern, dass wir die sozial Schwächeren unterstützen. Genau dort, wo wir als Landesregierung das tun, nämlich bei der Frage der finanziell schwächer gestellten Familien, wollen Sie nun weg von der Individualförderung, wie wir sie für die sozial Schwächeren machen, hin zu einer Objektförderung. Dies kann nicht unsere Politik sein.