Protocol of the Session on October 6, 2004

Das ist wahrlich keine Einstellung für ein zukunftsfähiges, kinder- und familienfreundliches Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stellungnahme zu unserem Antrag „Landeserziehungsgeld: Bilanz und Zukunft“ bestätigt uns in unserer Ansicht, dass das Landeserziehungsgeld kein geeignetes familienpolitisches Instrument mehr ist, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert und Frauen und Männer in ihrer Entscheidung für Kinder bestärkt und unterstützt.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das müssen Sie jetzt noch begründen!)

So wird in der Stellungnahme zu unserem Antrag ausgeführt, dass die von der Landesregierung ins Leben gerufene „Zukunftswerkstatt Familien“ eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Vordergrund stelle und dabei insbesondere den bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungsstrukturen für unter Dreijährige fördere. So steht es in der Stellungnahme zu unserem Antrag.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Sie führen in der Stellungnahme zu unserem Antrag weiter aus, dass das Landeserziehungsgeld vor allem eine familienpolitische Leistung für diejenigen darstelle, die sich be

wusst für eine überwiegende Erziehung in der Familie entschieden, und dass das Landeserziehungsgeld sich nicht als Instrument zur Förderung der Geburtenzahl verstehe.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nicht nur!)

Das zeigt ganz deutlich, dass das Landeserziehungsgeld eine ideologische familienpolitische Komponente enthält. Das Landeserziehungsgeld stellt keine Antwort auf die Frage der demografischen Entwicklung und des Rückgangs der Geburtenzahl dar.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das hätten Sie gern!)

Eine Steigerung der Geburtenzahl wird gemäß der Stellungnahme zu unserem Antrag damit nicht angestrebt. Es ist aber doch dann fatal, wenn 85 Millionen € in eine familienpolitische Maßnahme gesteckt werden, die nicht auf den dramatischen Bevölkerungsrückgang reagiert.

(Beifall bei den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer mehr Menschen in Baden-Württemberg gestalten ihr Leben ohne Kinder. So liegt Baden-Württemberg zwar bei der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau mit 1,4 Kindern noch vor der durchschnittlichen Kinderzahl in Deutschland von 1,3. Aber auch in Baden-Württemberg geht die Geburtenzahl dramatisch zurück.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wie viele Kinder haben Sie denn?)

Gab es im Jahr 2000 noch einen Geburtenüberschuss von 10 842 Kindern, so waren es im Jahr 2003 gerade noch 367 Kinder. Das heißt, beim Geburtenüberschuss gab es innerhalb von drei Jahren einen Rückgang um 97 %. Das kann man doch nicht einfach ignorieren.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder- und Familienpolitik in Baden-Württemberg darf sich nicht länger an Ideologien orientieren, sondern muss sich an Realitäten orientieren. Für über 70 % aller Mütter ist eine qualitativ gute Kinderbetreuung wichtiger als Transferleistungen. Deshalb muss das Landeserziehungsgeld unserer Meinung nach umgewidmet werden in Mittel für die Kleinkindbetreuung, für Tagespflege und für Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige. Es ist Augenwischerei, zu glauben, dass man beides machen kann,

(Abg. Alfred Haas CDU: Wie weit reicht das Geld?)

dass man auf der einen Seite das Landeserziehungsgeld in vollem Umfang beibehalten kann und auf der anderen Seite gleichzeitig in den Ausbau der Betreuungsstrukturen investieren kann, wie es in der Stellungnahme zu unserem Antrag steht. Dies ist angesichts der desolaten, angespannten Haushaltslage finanziell überhaupt nicht machbar.

(Beifall bei den Grünen)

Lassen Sie uns in Baden-Württemberg deshalb endlich diese überkommene Diskussion um Rabenmütter und Karrierefrauen beenden.

(Abg. Drexler SPD: Das ist ein guter Satz!)

Nehmen Sie die Realitäten der Familienstrukturen zur Kenntnis, und investieren Sie in ein kinder- und familienfreundliches Baden-Württemberg, indem Sie die frei werdenden Mittel des Landeserziehungsgelds in die Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige stecken.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf von der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Klenk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Lösch, wir sind – damit meine ich die Sozialpolitiker der CDU-Fraktion – dankbar, dass das Thema Landeserziehungsgeld von Ihnen und nicht von Ihren Finanzpolitikern aufgegriffen wurde. Denn wer in den letzten Wochen zu diesem Thema aufmerksam die Presse verfolgt hat, der konnte aus der einen oder anderen Ecke die Bemerkung vernehmen, das Landeserziehungsgeld sei ganz zu streichen. Nur, bei allem Verständnis für die anstehenden Haushaltsberatungen – man kann im wahrsten Sinne des Wortes das Kind auch mit dem Bade ausschütten –: Uns ist bei dieser Diskussion genauso wie hoffentlich Ihnen allen hier in diesem Hause wichtig, dass das Finanzvolumen des Landeserziehungsgeldprogramms für familienpolitische Maßnahmen erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Über die Form des Einsatzes können wir uns streiten.

Ich will aber auch nicht verhehlen, dass man sich angesichts der aktuellen Haushaltslage sehr wohl Gedanken darüber machen muss, welche Belastungen wir den kommenden Generationen damit aufbürden. Es bedarf daher guter Gründe, warum man in dieser Form und Höhe Geld in die Hand nimmt, um einen entscheidenden Beitrag für die Familienpolitik zu leisten.

Unsere Ziele sind dabei die Stärkung der Erziehungskraft in der Familie, gesellschaftspolitische Anerkennung der Erziehungsleistung und eine Brückenfunktion zum Kindergartenalter. Das Ganze sollte nach Möglichkeit – auch das ist, denke ich, wichtig – für alle Beteiligten so unbürokratisch wie möglich abgewickelt werden. Eine Minderung des Zuschussbedarfs hätte zum Beispiel unweigerlich zur Folge, dass die Zahl der berechtigten Familien zurückginge, was wiederum unsere mit dem Geld verfolgten Ziele konterkarieren würde. Derzeit bezieht immerhin jede dritte Familie in Baden-Württemberg das einkommensabhängige Landeserziehungsgeld. Bei 20 % der Berechtigten handelt es sich um Ein-Eltern-Familien.

Eine kürzlich von der Landesregierung in Auftrag gegebene Studie zeigt deutlich auf – das ist wichtig zu wissen –, dass die von uns allen beklagte niedrige Reproduktionsrate nicht in erster Linie auf einen fehlenden Ausbau von Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen zurückzuführen ist, sondern in erster Linie darauf, dass Kinder in der heutigen Zeit eine große finanzielle Belastung für die ganze Familie darstellen.

(Beifall bei der CDU)

Zwei Drittel der Befragten halten eine gesicherte finanzielle Situation für eine Grundbedingung für ein Ja zu Kindern. Das Landeserziehungsgeld dient nicht ausschließlich als Instrument zur Förderung der Geburtenzahl. Nichtsdestotrotz, liebe Kollegin Lösch, ist es eine Tatsache, dass BadenWürttemberg das einzige Land der Bundesrepublik ist, in dem mehr Kinder geboren werden, als Menschen sterben. Der heutigen Presse ist zu entnehmen, dass Deutschland bei der Geburtenrate Schlusslicht in Europa ist. Dies sollte uns doch alle sehr nachdenklich stimmen. Unser Standpunkt zum Landeserziehungsgeld steht in keinem Widerspruch zu unserer Haltung, dass auch wir den Ausbau einer bedarfsorientierten Kindertagesbetreuung für notwendig halten.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP)

Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Diese wollen wir noch weiter verbessern. Aber auch hier, denke ich, bietet bereits das jetzige Programm einen ganz guten Ansatz.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Fragen Sie mal die Frauen!)

Ja, die sind gefragt worden.

(Zuruf von der SPD: Das ist ein Gerücht!)

Was uns in Diskussionen über die Betreuung immer wieder stört, ist auch die Tatsache, dass Sie dabei die vorbildhaften Leistungen zum Beispiel der Tagesmütter im Land nur am Rande erwähnen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Sie haben mir nicht zugehört!)

Betrachten Sie einmal allein die Steigerung der Zahl der durch Tageseltern betreuten Kinder in den letzten beiden Jahren. Die Anzahl der aktiven Tagesmütter und der betreuten Kinder hat sich nahezu verdoppelt.

(Abg. Alfred Haas CDU: So ist es! Das ist Ideolo- gie da drüben!)

In erster Linie, meine Damen und Herren, sollten wir aber die Familien stärken, die – davon gibt es mehr, als Sie vielleicht glauben – ihre Erziehungsleistung in den ersten Jahren überwiegend gerne selbst erbringen wollen. Eine finanzielle Unterstützung durch den Baustein Landeserziehungsgeld eröffnet den Familien die Wahlfreiheit für ihren eigenen individuellen Lebensentwurf.

Wir halten es übrigens auch für keine Ideologie, sondern sind der festen Überzeugung, dass Betreuung in der Familie einer staatlichen Betreuung immer vorzuziehen ist.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Liebe Kollegin Lösch, wenn Sie das Landeserziehungsgeld als Ideologie bezeichnen, muss ich Sie einmal fragen,

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

was nach Ihrer Ansicht dann das Bundeserziehungsgeld darstellt. Dort reden wir doch von den gleichen Voraussetzungen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Sehr gut! Hört nur zu!)