Zweiter Punkt: Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten. Ich danke für den Rückenwind, den Sie auch noch einmal bestätigt haben, den ich von den Regierungsfraktionen bekommen habe, die Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten auf Bundesebene voranzutreiben. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat getagt. Nächste Woche werden wir in Bremerhaven in der Länderjustizministerkonferenz das Ergebnis vorstellen.
Wichtig ist mir – weil das in Debatten oft verwechselt wird –: Die Zusammenlegung der Arbeitsgerichtsbarkeit mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist nicht Auftrag dieser BundLänder-Arbeitsgruppe. Es geht nur um die Sozialgerichte, die Verwaltungsgerichte und eventuell die Finanzgerichtsbarkeit.
Ich werbe – wie zwei Drittel der Länderminister auch – um ein gemeinsames Gerichtsdach, sodass wir sagen können: Wir können über die Gerichtspräsidien entscheiden, wohin die Richterstellen dann gehen, je nachdem, ob in der Sozialgerichtsbarkeit oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine höhere Arbeitsbelastung besteht.
Sie wissen: Es kommt nicht nur Hartz IV, sondern wir werden auch die Rentenreform, die Gesundheitsreform und jede Menge neuer sozialrechtlicher Regelungen bekommen. Die Sozialgerichtsbarkeit wird in Akten ersticken, und wir werden nicht genügend Richter zur Verfügung stellen können. Das will ich auch hier dem Landtag von Baden-Württemberg sagen. Im Bund wird sehr viel idealtypisch diskutiert. Die müssen keine Justiz organisieren. Die 19 000 Beschäftigten, die ich hier im Land zusammen mit Ihnen zu
verwalten habe, die spüre ich hier. Ich weiß, dass ich keine neuen Richterstellen bekomme und dass die Aktenberge anschwellen.
Und dann ist die Frage, ob wir noch einen Justizgewährsanspruch haben, wie wir ihn uns vorstellen und wie BadenWürttemberg sich die Justiz bisher immer vorstellen konnte. Von daher werbe ich sehr darum, nicht nur zu sagen: „Das liegt an den Kassen“ und „Wir sollten mehr mit den Finanzministern verhandeln“. Mir ist es außerordentlich wichtig, dass die Sozialgerichtsbarkeit in Zukunft arbeitsfähig bleibt. Deswegen brauchen wir das gemeinsame Dach über die verschiedenen Gerichtsbarkeiten.
Der nächste Punkt sind die Standorte in Baden-Württemberg. Ich habe letztes Jahr vorgeschlagen, die vier Verwaltungsgerichtsstandorte auch für die Sozialgerichtsbarkeit zu nehmen, wenn das gemeinsame Dach da ist. Ich habe schon beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Sozialgerichtsbarkeit signalisiert, dass man die Standortfrage gern noch einmal überdenken kann. Wir sollten das dann tun, wenn dieses Dach geschaffen ist; wir sollten es dann in vernünftiger Weise regeln. Vielleicht sagen wir in ein, zwei Jahren, wenn es bundesgesetzlich durch ist, dass wir die gemeinsame öffentlich-rechtliche Fachgerichtsbarkeit auf vier Standorte konzentrieren werden. Insoweit bin ich aber offen, über die Zahl der Standorte noch einmal zu reden. Die Synergieeffekte, die ich errechnet habe, wenn man das zusammenlegt, werden uns auch in Zukunft zu schaffen machen. Infolgedessen wird es möglicherweise doch um eine Reduzierung gehen.
Thema Grundbuch: Mit der von der Landesregierung beschlossenen Notariatsreform bleiben die Grundbuchämter im württembergischen Landesteil dort, wo sie sind. Ich habe am 28. April 2004 schon den Startschuss für das zentrale elektronische Grundbuch gegeben. Wir können jetzt schon sehr viele Grundbuchämter im Land vernetzt elektronisch einsehen. Das ist ein großer Fortschritt. Alle Banken, Versicherungen, alle staatlichen Stellen haben die Möglichkeit, genauso wie auch Anwälte, wenn sie entsprechende Voraussetzungen erfüllen, zentral mit dem elektronischen Grundbuch zu arbeiten. Wir haben inzwischen über zwei Drittel der Grundbuchämter mit ihren Daten aufgenommen. Es geht rasch voran. Aber, meine Damen und Herren, angesichts der ganz alten Grundbuchbestände wird es noch bis zum Jahr 2010 dauern, bis wir das letzte Grundbuchblatt aufgenommen haben. Aber es geht sehr gut voran.
Ich danke Ihnen für die Debatte. Ich hoffe, dass Sie meine Aktivitäten, auch im Bund, weiterhin unterstützen können, damit unsere wirklich sehr schlanke baden-württembergische Justiz weiterhin so effektiv und gut arbeiten kann wie bisher.
Sie haben darauf hingewiesen, dass wir heute Morgen die Justizreform sozusagen als Annex der Verwaltungsreform mit diskutiert hätten. Das ist nach dem Titel des Gesetzes zwar richtig, aber wenn man in die Einzelheiten geht, wird man feststellen, dass der Justizbereich nur einen kleinen Teil der Verwaltungsreform ausmacht.
Wenn ich das, was Sie am 30. April des Vorjahres an Vorschlägen unterbreitet haben, mit dem vergleiche, was davon im November in der Koalitionsvereinbarung übrig geblieben ist und was im Entwurf zum Verwaltungsstruktur-Reformgesetz umgesetzt worden ist, der heute Morgen in erster Lesung beraten wurde, dann muss ich feststellen, dass sich der Katalog Ihrer Aktivitäten in der Umsetzung aus unserer Sicht doch deutlich reduziert hat.
Zu den Einzelheiten, zum Grundbuch: Herr Mack hat eine klare Aussage gemacht. Dafür bin ich dankbar. Sie haben das im Grunde genommen bestätigt. An den Grundbuchämtern in ihrem derzeitigen Bestand ist wohl ohne Notariatsreform und ohne andere Dinge, die zu berücksichtigen sind, gegenwärtig nicht zu rütteln.
Es bleiben – das ist vor allem aus unserer Sicht wichtig – die Sozialgerichte. Man muss bei der Frage der Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten wirklich trennen, und zwar institutionell in fachlicher Hinsicht einerseits und hinsichtlich der räumlichen Aufteilung andererseits. Da sollte ein Widerspruch aufgeklärt werden. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme:
Herr Mack hat es andersherum gewertet. Er hat gesagt: Ich will zunächst einmal diese bundesrechtliche Vereinheitlichung abwarten und passe dann die Gerichtsstandorte an diese Entwicklung an. Das scheint mir auch der logischere Ansatz zu sein. Aber gut!
In der Sache selbst kann man ja gegen die Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten – ich gebe zu: da befinden wir uns in etwas anderer Position als vielleicht unsere Bundesministerin – durchaus kritisch einwenden: Wir haben einen hohen Grad an Spezialisierung unserer Gerichtsbarkeiten. Gerade die Sozialgerichtsbarkeit ist eine Spezialgerichtsbarkeit, die ein hohes Maß an besonderem Sachverstand erfordert. Das ist unbestritten. Wir haben auf der an
deren Seite Fachbehörden, die ebenfalls hoch spezialisiert agieren. Jetzt schaffen wir sozusagen neu wieder den allgemeinen Richter, den allkompetenten Richter, der in allen Aufgabenbereichen eingesetzt werden soll. Wir halten das für den falschen Weg.
Der Hinweis auf die unterschiedliche Belastung der Gerichtsbarkeiten ist natürlich schon richtig. Wir haben das ja damals auch bei den Asylverfahren gesehen, die über einen längeren Zeitraum hinweg vor allem die Verwaltungsgerichte beschäftigt und belastet und zum Teil überlastet haben. Was hat man damals gemacht? Man hat Asylkammern geschaffen. Man hat das Problem im Gerichtszweig selbst gelöst, ohne die Gerichtsstruktur zu verändern. Ich warne davor, die Gerichtsstruktur an den jeweiligen Belastungsstand der einzelnen Gerichtsbarkeit anzupassen.
Denn aufgrund materiell-gesetzlicher Regelungen werden Sie über kurz oder lang auch in anderen Bereichen wieder Regelungen haben, die eine Gerichtsbarkeit mehr belasten als eine andere Gerichtsbarkeit. Ich halte es einfach nicht für den richtigen Weg, sozusagen dann immer hinterherzuhinken und die Gerichtsstruktur je nach Belastung im einzelnen Bereich zu verändern. Da muss man andere Wege finden. Diese gibt es ja auch. Das hat man im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch gelöst, wobei ich sagen muss: Sie wissen auch, dass man Belastungen einer Gerichtsbarkeit auch auf anderem Wege abmildern kann, etwa durch prozessändernde Vorschriften. Man hat beispielsweise bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Zulassungsberufung eingeführt. Man hat verstärkt den Einzelrichter eingeführt. All das waren Maßnahmen, um die Gerichtsbarkeit zu entlasten. Daher sehe ich vor diesem Hintergrund der Belastung die Notwendigkeit für eine Zusammenlegung der Fachgerichtsbarkeiten noch nicht.
Ein anderer Gesichtspunkt: Ich sehe, was die Standortfrage angeht, auch nicht ein, warum ein Kläger aus Konstanz, aus Reutlingen oder aus Ulm nun plötzlich nach Sigmaringen fahren soll.
Herr Oelmayer, Sie haben das vorhin ein bisschen dogmatisch apostrophiert. Hier geht es uns konkret um Bürgernähe. Das sind vielfach Bürger, die nicht anwaltlich vertreten sind. Denen ist das Angebot einer fachkundigen Justiz in der Fläche wichtig, und uns ist das auch wichtig.
Umso weniger verstehe ich den Hinweis auf die Notwendigkeit der Sozialgerichte, wenn man andererseits – Frau Justizministerin, Sie haben es an anderer Stelle hier mehrfach gesagt und auch öffentlich gesagt – hervorhebt, dass die Amtsgerichte – wir haben ja sehr viele kleine Amtsgerichte – eigentlich sehr gute Arbeit leisten und gerade diese Kleinräumigkeit – kleiner Zuständigkeitsbereich, wenige Richter – im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit be
sonders effektiv sein soll. Warum gilt das nicht für die Sozialgerichtsbarkeit? Ich kann das nicht ohne weiteres nachvollziehen.
Das passt nicht zusammen. Dort gilt der Gesichtspunkt der Bürgernähe. Warum gilt er nicht im Sozialbereich?
Aber gleichgültig, wie diese ausfällt: Die Standortfrage ist Landesrecht. Wir meinen, wir sollten an den bisherigen Standorten festhalten und dem Bürger aus Mannheim nicht unbedingt zumuten, vor dem Sozialgericht in Karlsruhe zu klagen, zumal die Einsparpotenziale, wie sie in Ihrer Stellungnahme aufgezeigt wurden, aus unserer Sicht nicht hinterfragt und belegt sind und man schon die Gegenrechnung aufstellen muss, was dann an zusätzlichen Kosten auf die Rechtsuchenden oder die am Rechtsverkehr Beteiligten insgesamt zukommt.