Ein anderes Beispiel aus diesem Bereich Zweckentfremdung: Ansparung für Stuttgart 21. Auch das hat mit Regionalisierungsmitteln nichts zu tun.
Damit haben Sie provoziert, dass Herr Eichel jetzt darüber nachdenkt, die Regionalisierungsmittel zu kürzen und nicht mehr weiter zu erhöhen. Das haben Sie mit Ihrer Zweckentfremdungspolitik provoziert.
Drittens: Stuttgart 21. Sie wollen eine langfristige, zehnjährige Vertragsbindung mit der Bahn eingehen und machen sich damit zum zahnlosen Verhandlungspartner gegenüber der Bahn. Sie sind auf das Wohlwollen der Bahn angewiesen und werden es diesmal wahrscheinlich nicht einmal schaffen, Ihren Spielraum nach § 12 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes zu nutzen, wenn es jetzt darum geht, die Kunden der Bahn davor zu verschonen, dass der 50-prozentige Bahncard-Rabatt auf 25 % Bahncard-Rabatt reduziert wird. Hier könnten Sie wirklich etwas für den Schienenverkehr in der Region tun. Wir fordern Sie ausdrücklich dazu auf, Ihre Kompetenzen bei den Verhandlungen mit der Bahn zu nutzen.
Was den Interregio angeht, machen wir einen konkreten Vorschlag, nämlich den Vorschlag unserer Bundestagsfraktion, der lautet: Statt der gerechtfertigten Deckelung der Regionalisierungsmittel, die Herr Eichel durchsetzen möchte, 300 Millionen DM zusätzlich – das entspricht dem Defizit des Interregio bundesweit –, zusätzlich eine weitere Dynamisierung in den Folgejahren – dieses Geld entspricht den Forderungen, die Herr Schebesta vorgetragen hat –, dieses Geld an die Länder als Erhöhung der Regionalisierungsmittel und damit auch die Kompetenz für den Interregioverkehr. Diese Lösung ist sachlich richtig, denn der Interregio übernimmt auch Nahverkehrsfunktion. Das ist nicht wegzudiskutieren. Es gibt überlagerte Interregio- und Regionalexpresslinien – nehmen Sie die Schwarzwaldbahn –, und die Länder verfügen bereits über Bestellorganisationen, die dieses erledigen können, und zwar im Gegensatz zum Bund, der keine Bestellorganisation besitzt.
Diese Lösung hat auch Vorteile für die Kunden, denn im Gegensatz zu bisher wäre im Interregio jedes Nahverkehrsticket, zum Beispiel das Baden-Württemberg-Ticket, gültig, und es wäre auch möglich, Verbundfahrausweise für den Interregio zu benutzen; denken Sie an das Beispiel Vaihingen/Enz – Stuttgart, wo bisher Verbundfahrausweise keine Geltung haben.
Schließlich und endlich würde diese Lösung auch dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen, wonach immer die unterstmögliche Ebene die Kompetenz erhalten soll. Herr Teufel rennt immer durch die Gegend und fordert die Stärkung des Föderalismus und will mehr Kompetenzen für das Land. Hier liegen die Kompetenzen auf dem Gleis. Greifen Sie zu! Sie bekommen zusätzlich noch die Mittel vom Bund.
Meine Damen und Herren von der CDU, lassen Sie die Schwarzer-Peter-Spiele. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir auf dem Rücken der Kundschaft gegenseitig nach Verantwortung suchen. Beteiligen Sie sich an dieser konstruktiven Lösung. Unterstützen Sie die grüne Bundestagsfraktion in den Verhandlungen mit der SPD:
300 Millionen DM zusätzlich für den Interregioverkehr und damit ein sauberer Interregioverkehr für unser Land.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Döpper CDU: Da brauchen wir euch gar nicht! – Abg. Alfred Haas CDU: Wir sollen die Grünen bei den Verhandlun- gen mit der SPD unterstützen!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Göschel, Sie haben gefragt, wo die Aktualität unserer Debatte liege. Ich will es mit einem Satz beantworten: Jeder, der bisher gesprochen hat, hat sich zu der Frage, wie sich das Land Baden-Württemberg zu der Ankündigung, den Interregiover
kehr weiter auszudünnen oder ihn gar einzustellen, anders geäußert und verhalten. Allein darin liegt die Aktualität, dass wir uns bemühen, die bisherige Einmütigkeit hinsichtlich der Vermeidung einer Einschränkung des Interregioverkehrs, die wir bisher im Landtag hatten, auch für die Zukunft beizubehalten. Das ist der Hintergrund, warum wir diese Debatte beantragt haben.
Herr Göschel, wenn ich Sie jetzt frage – das ist ein weiterer Beweis für die Aktualität –: „Wie geht es denn mit dem Interregioverkehr weiter?“, werden Sie genauso wie ich den Kopf schütteln müssen und sagen müssen: Wir wissen es im Moment nicht. Wenn eine Frage so offen ist, ist es doch aktuell, wenn ein Land, das vom Interregioverkehr maßgeblich betroffen ist, darüber eine Debatte führt und versucht, seine Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun. Wir sind doch beim Interregioverkehr vor allem auch dadurch betroffen, dass er das Rückgrat unseres Integralen Taktfahrplans ist und wir deswegen nicht einfach so tun können, als ginge es hier um nichts anderes als um die Frage, ob das Fernverkehr oder Nahverkehr ist.
Dann haben Sie, Herr Göschel, das Problem der Eigenwirtschaftlichkeit in die Debatte eingeführt. Da kann ich mich natürlich als Unternehmer, der die Bahn ja ist, so oder so verhalten. Ich kann etwas vor mir hertreiben lassen, bis ich bei der Eigenwirtschaftlichkeit Probleme bekomme, und sagen: „Das ist auf Dauer nicht mehr eigenwirtschaftlich, folglich stelle ich es ein.“ Ich kann mich aber auch um eine Eigenwirtschaftlichkeit bemühen.
Jetzt nenne ich ganz einfach noch einmal mein Beispiel aus der letzten Debatte: Für den Interregio Ulm – Lindau hat die Bahn gesagt, es sei eigenwirtschaftlich, wenn im Durchschnitt 200 Fahrgäste in den Zügen säßen. Es säßen aber nur 160 Fahrgäste darin. Wie verhält sich denn jetzt ein verantwortungsvoller Unternehmer? Sagt er den 160 Fahrgästen: „Ihr seid mir egal; die Strecke wird eingestellt“, oder bemüht er sich durch vernünftiges Marketing, die 40 Fahrgäste dazuzubekommen?
(Beifall bei der CDU, der FDP/DVP und Abgeord- neten der Grünen sowie des Abg. Göschel SPD – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sehr richtig!)
Also, Herr Göschel! Mit dem Hinweis auf das Problem der Eigenwirtschaftlichkeit ist in dieser Debatte überhaupt nichts gesagt,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wo Sie Recht ha- ben, haben Sie Recht! – Abg. Walter GRÜNE: Sel- ber schuld!)
Frau Berroth, Sie haben selbst auf den Unterschied zwischen der FDP/DVP und der CDU in der Frage, wie es mit dem Interregio weitergehen soll, hingewiesen. Sie haben gesagt, wir sollten das Geld einfordern und sollten ausschreiben. Da sage ich: Wenn ich nur fordere und dann ausschreibe, dann habe ich eine relativ schwache Verhandlungsposition. Denn dann wird mir derjenige, von dem ich Geld will, sagen: „Dadurch, dass du ausschreibst, hast du dich ja selbst so verhalten, als ob du zuständig wärst.“
(Abg. Walter GRÜNE: Die anderen Anbieter brau- chen vielleicht das Geld nicht, weil sie es längst besser gemacht hätten?)
Deswegen ist der Standpunkt der CDU: Wenn man schon möchte, dass Ersatzverkehr für Interregios durch die Länder durchgeführt wird, dann soll sich die Bahn oder der Bundesverkehrsminister mit den Ländern an einen Tisch setzen und vernünftige Bedingungen für eine solche Verlagerung der Zuständigkeit aushandeln und nicht auf kaltem Wege versuchen, den Interregio wegzubekommen und damit die Länder vor die Notwendigkeit zu stellen, zu klären, was sie als Ersatz machen. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Berroth, heißt unsere Haltung: Erst Geld und dann ausschreiben –
Jetzt, Herr Palmer, zu Ihnen. Ich sage hinterher auch noch etwas Gutes über Sie, weil wir in einem einer Meinung sind.
Aber wenn Sie sagen, das Land Baden-Württemberg hätte mit der Zuständigkeit für den Regionalverkehr nach der Regionalisierung den Schienenverkehr in Baden-Württemberg gefährdet, dann muss ich Sie ganz einfach fragen: In welchem Land leben Sie?
(Abg. Oelmayer GRÜNE: In Baden-Württemberg! – Abg. Ursula Haußmann SPD zur FDP/DVP: Da ist ja riesig was los zwischen den beiden Koaliti- onspartnern! Das gibt morgen Schlagzeilen!)
Seit 1996 haben wir als für den Nahverkehr Zuständige das Angebot um mehr als 30 % ausgeweitet und immerhin eine Zunahme der Zahl der Fahrgäste um mehr als 20 % erreicht.
(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Lobenswert! – Ge- genruf des Abg. Göschel SPD: Bundesgeld! – Ge- genruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Natürlich! Aber immerhin haben sie es gemacht! – Abg. Kiefl CDU: Der weiß gar nicht, wo er hinschaut!)
Dann kann man sicherlich nicht davon sprechen, dass wir eine Gefährdung des Schienenverkehrs in Baden-Württemberg herbeigeführt hätten.
(Abg. Oelmayer GRÜNE: Beim ersten Mal! – Abg. Walter GRÜNE: Das war seine Jungfernre- de! – Weitere Zurufe von den Grünen)
Mir ist auch neu, dass man Regionalisierungsmittel ausschließlich für den Schienenverkehr verwenden kann. Die Mittel, die über das hinausgehen, was für die Aufrechterhaltung des Angebots der Bahn benötigt wird, sind nach meinem Dafürhalten immer Mittel gewesen, die ich für den ÖPNV insgesamt verwenden kann.
Nun zum Schluss, Herr Palmer – dann komme ich auch zum Schluss, Herr Präsident –: Sie haben eine interessante Wendung in der Frage, wie es mit dem Interregio weitergehen soll. Sie haben gesagt: Wir verhandeln über einen Zuschlag bei den Regionalisierungsmitteln, und mit diesem Zuschlag übernehmen wir als Land dann die Zuständigkeit für den Interregio. Herr Palmer, ich kann dazu nur sagen: Wenn es so weit käme,
dann könnte ich mir vorstellen, dass Sie auch den Segen des Landes Baden-Württemberg bekommen. Jetzt haben Sie einmal einen Fall, bei dem Sie uns nachhaltig beweisen können, wie groß Ihr Einfluss in der Bundesregierung und in der Koalition in Berlin ist. Kommt es so weit, dann werden wir Sie nicht schelten, sondern wir werden Sie sehr wahrscheinlich dafür loben.