Protocol of the Session on July 18, 2001

(Abg. Alfred Haas CDU: Bei d e m Kanzler!)

Für jeden, der sich damit beschäftigt, ist sichtbar, dass da noch mehr getan werden muss.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Hauk CDU: Wir reden über Interregio, nicht über Nah- verkehr! – Gegenruf des Abg. Dr. Birk CDU: Wir reden über Kurzzeitgedächtnis!)

Wir sollten bei einem so schwierigen Thema nicht ständig mit Kurzzeitgedächtnis arbeiten.

Grundlage der Aufteilung des Bahnverkehrs ist die Bahnreform von 1994/95. Infolge dieser Bahnreform ist der Fernverkehr mit einem schweren Geburtsfehler behaftet, indem ihm nämlich auferlegt worden ist, einerseits müsse die Bahntochter „Reise und Touristik“ eigenwirtschaftlich betrieben werden, andererseits müsse aber auch ein Infrastrukturauftrag erfüllt werden – das ist vorhin genannt worden. Diese Quadratur des Kreises schafft die beste Organisation nicht, und von einer „besten Organisation“ ist die Deutsche Bahn noch immer weit entfernt. Insofern ist dieser Geburtsfehler von denen zu verantworten, die damals die Bahnreform gemacht haben. Wenn ich mich recht erinnere, waren weder Kohl noch Waigel, noch Wissmann jemals Mitglieder der SPD.

(Zuruf von der CDU: Das wäre auch noch schö- ner!)

Insofern ist auch klar, durch wen dieser Geburtsfehler zu verantworten ist.

(Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Göschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hauk?

Wenn er unbedingt möchte.

Ihnen ist aber durchaus bewusst, dass die damalige Grundgesetzänderung auch mit den Stimmen der SPD herbeigeführt wurde?

Das ist mir sehr bewusst,

(Abg. Hauk CDU: Na also, dann reden Sie doch nicht von Geburtsfehlern, die nur wir zu verant- worten hätten!)

und ich habe auch schon bei der letzten Debatte zu diesem Thema am 25. Oktober 2000 mit Stolz darauf hingewiesen, dass der Teil, der im Wesentlichen von der SPD zu verantworten ist, nämlich die Regionalisierung, vollauf geglückt ist, weil die SPD-Ministerpräsidenten in dieser Verhandlungskommission die Übertragung des Schienenpersonennahverkehrs für die Länder mit großem Erfolg gestaltet haben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Wesentlich geschickter war das! – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Nur der Bund, die damalige Bundesregierung ist ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden und hat diesen Konstruktionsfehler eingebaut, der nun repariert werden muss.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Es geht ja immer nach dem gleichen alten Strickmuster: Alles, was die schwarz-gelbe Regierung in Bonn in 16 Jahren verbockt hat, soll die neue rot-grüne Regierung in Berlin innerhalb kürzester Zeit reparieren. Das ist eine Forderung, die so nicht erfüllbar ist.

Sie sollten sich einmal an die eigene Nase fassen. Sie haben gewollt, dass die Deutsche Bahn eigenwirtschaftlich fährt, möglichst börsenfähig wird und keines Zuschusses mehr bedürfen soll. Die Konsequenzen müssen Sie jetzt mittragen. Sie sollten zu einer gemeinsamen, konstruktiven Eisenbahnpolitik zurückkehren.

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hauk CDU: Wir wol- len nur, dass das Grundgesetz eingehalten wird!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines ist ganz klar: Wenn wir ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept wollen, müssen wir auch im Personenverkehr weitere Teile auf die Schiene verlagern. Dazu ist der Ausfall wichtiger Interregiostrecken absolut kontraproduktiv.

Wir fordern daher von der Deutschen Bahn AG, dass sie endlich Klarheit schafft, dass sie ein schlüssiges Konzept entwickelt und dass sie Transparenz schafft, die auch von anderer Seite einen Überblick ermöglicht. Wenn die Bahn Rationalisierungsmöglichkeiten nur und vor allem in der Streichung kompletter Strecken sieht, ist das außerordentlich kurzsichtig, weil dies natürlich zu einer weiteren Ausmagerung führen wird.

Andererseits muss man sagen, der Bund hat eindeutig – da ist man sich einig – Verantwortung für den Personenfernverkehr.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Nun sind die Interregiostrecken sicherlich eine Schnittstelle, aber sie gehören eindeutig zum Fernverkehr, und deshalb gilt eben Artikel 87 e des Grundgesetzes, wonach der Bund die Bedienung dieser Strecken sicherstellen muss. Wenn der Bund nicht erreicht, dass die Bahn dieser Verantwortung gerecht wird, hat er sicherlich die Möglichkeit, im Sinne der Subsidiarität Aufgaben auf das Land zu übertragen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!)

Aber dann soll er doch bitte mit diesen Aufgaben und mit der Verantwortung auch das nötige Geld schicken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es kann ja nicht sein, dass – heute Morgen war schon mehrfach davon die Rede – immer mehr Aufgaben auf die Länder zukommen und der Bund dafür immer mehr Geld einsteckt. Andererseits kann man hier in Baden-Württemberg – da haben wir sicherlich eine etwas andere Ansicht als der Koalitionspartner – auch nicht einfach zuwarten und schauen: Was tun die jetzt? Denn wir alle wissen, Bahnstrecken zu planen und auszuschreiben kostet Zeit.

Deswegen meinen wir, dass Baden-Württemberg sehr wohl genau überlegen muss: Was sind eigentlich unsere Zielsetzungen? Was wäre für uns optimal? Wenn man das mit der Bahn nicht durchsetzen kann, dann muss man eben das entsprechende Geld einfordern und die Maßnahmen selber ausschreiben. Wir haben diese Dinge beim Verkehrsministerium angefragt und werden darüber anhand unseres Antrags Drucksache 13/55 im Herbst sicherlich ausführlich debattieren.

Denn eines ist ganz klar – da darf ich aus der gestrigen „Stuttgarter Zeitung“ zitieren –: Die Initiative BodenseeOberschwaben-Express hat ganz klar gesagt: Wenn da weiterhin nur Stillstand ist – deswegen ist diese Debatte schon aktuell, sehr aktuell sogar –, dann droht dort die Region „zerrieben“ zu werden. Das können wir auf keinen Fall zulassen. Deshalb müssen wir rechtzeitig planen, damit wir hochwertige Angebote auch in diesem Zwischenbereich zwischen Nahverkehr und weitem Fernverkehr, nämlich auf den Interregiostrecken, haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Richtig! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann ma- chen Sie mal! Sie sind ja an der Regierung mit be- teiligt!)

Zum Thema „Geld mitschicken“ kann man auch sagen: Recht interessant war, dass in der gleichen Zeitung auf der anderen Seite steht: „Bahnreform spart Milliarden“. Das heißt, es ist durchaus Geld vorhanden, das der Bund mitschicken könnte oder das er direkt dafür verwenden könnte, diese Interregiostrecken attraktiv zu bauen.

Wir brauchen mit Sicherheit ein attraktives und langfristig stimmendes Konzept auch für diesen Interregiobereich. Baden-Württemberg wird kreativ das herausstellen, was wichtig ist. Wir werden es vom Bund einfordern. Wo er es nicht leistet, brauchen wir sein Geld. Der Bund darf sich hier nicht der Verantwortung entziehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Palmer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren und insbesondere die nicht mehr sehr zahlreich anwesenden Abgeordneten der CDU!

(Zuruf von der CDU: Immer noch mehr als die Grünen!)

Anwesend könnten mehr sein. – Sie haben diese Debatte beantragt unter dem Titel „Gefährdung des Interregioverkehrs in Baden-Württemberg durch die Bundesregierung“. Alles, was recht ist, aber das ist schon ein starkes Stück Tatsachenverdrehung, was Sie hier betreiben.

(Abg. Hauk CDU: Machen Sie doch keine Ge- schichtsklitterung! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Herr Hauk, Sie bekommen noch mal einen Schlag- anfall!)

Mir ist natürlich bewusst, dass in diesem Hause der Balken im eigenen Auge nicht so wahrgenommen wird wie der

Splitter im Auge des politischen Gegners. Dennoch haben Sie diese Bahnreform zu verantworten, die unvollendet geblieben ist. Sie haben eine Bahn geschaffen, die in unternehmerischer Freiheit agieren kann. Dann können Sie nachher nicht kommen und von der Bahn verlangen, dass sie defizitäre Verkehre übernimmt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Alfred Haas CDU: Seit wann ist der Interregioverkehr defizitär?)

Dann können Sie auch nicht argumentieren, diese Bahn befinde sich nach wie vor zu 100 % in Staatsbesitz. Denn in dem Aufsichtsrat, der die Entscheidungen trifft, sind die Koalitionäre und die Bundesregierung etwa so stark wie die FDP/DVP in dieser Landesregierung. Fragen Sie mal Herrn Döring, was man bei solchen Zahlenverhältnissen durchsetzen kann. Ich erinnere nur an ein gewisses Schreiben zum Thema Verwaltungsstrukturreform. Da ist also nicht sehr viel herauszuholen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich stelle vielmehr fest, dass Sie den Schienenverkehr in der Region in unserem Land massiv gefährden. Ich nenne Ihnen drei Punkte.

Erstens: Ihre Weigerung, den Interregioverkehr auszuschreiben. Das wäre billiger und besser gewesen, als 30 Millionen DM in Wagenmaterial zu versenken. 2003 stehen Sie ohne Interregiosicherung da, und das Geld ist weg.

Zweitens: Die Zweckentfremdung der Regionalisierungsmittel. Sie haben unter Schaufler 100 Millionen DM umgeschichtet. Regionalisierungsmittel sind für mehr Verkehr auf der Schiene da und nicht für Verbundzuschläge.