Wir sagen nicht, Gorleben ist geeignet, weil es weit weg ist von uns, sondern weil es mittlerweile ziemlich gut untersucht ist, weil es von den geologischen Formationen her mit das Beste ist, was es weltweit gibt: ein Salzstock, der seit einer dreistelligen Zahl von Millionen Jahren geologisch stabil ist, der tief liegt, der mächtig ist, also sehr dick ist. Deshalb spricht sehr viel für Gorleben. Die bisherigen Untersuchungen haben keine Zweifel an der Eignung von Gorleben genährt. Wir sind nicht am Ende der Untersuchungen. Man sollte alle Zweifelsfragen, die sich vernünftigerweise aufdrängen, auch klären. Deswegen haben wir nicht gesagt, man könne Gorleben sofort umsetzen, sondern wir haben gesagt, es müsse zu Ende erkundet werden.
Die Zweifelsfragen, die die Bundesregierung gestellt hat, sind noch dazu Zweifelsfragen, die speziell mit Gorleben gar nichts zu tun haben. Deswegen könnten Sie eigentlich zu demselben Schluss kommen, nämlich an Gorleben so lange festzuhalten, solange es keine anderen Erkenntnisse
gibt. Es gibt viele Erkenntnisse, die für die Eignung sprechen, und es gibt wenige, die dagegen sprechen. Erst wenn feststehen würde, dass Gorleben nicht geeignet ist, dann stellte sich die Frage nach einem neuen Standort. Dann nehmen wir die Vorschläge der SPD Baden-Württembergs zum Schwarzwald oder zum Opalinus-Ton oder was auch immer gerne entgegen.
Übrigens gab es auch einmal die Überlegung eines SPDLandtagsabgeordneten, man sollte doch vielleicht ein Endlager in Russland suchen. Verantwortung, meine Damen und Herren, Verantwortung!
Wir haben einen Standort, und die Landesregierung von Niedersachsen sieht das erstaunlicherweise unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung ganz genauso.
Zweitens: Wir sagen in Übereinstimmung mit Niedersachsen: Es gibt keinen Grund für ein Moratorium. Das ist das Dümmste, was man überhaupt machen kann, schlicht zu sagen: Jetzt machen wir nichts.
Drittens: Wir sind natürlich der Auffassung, dass wir so, wie es weltweit üblich ist, an dem Zwei-Endlager-Konzept festhalten. Es ist das einzig Richtige. Übrigens hat man den AK End dazu zwingen müssen, dass er das Ein-EndlagerKonzept überhaupt übernommen hat.
Viertens: Wir sind der Auffassung, dass der Schacht Konrad alsbald zur Verfügung gestellt werden sollte.
Wir meinen sogar, dass der Sofortvollzug nicht ausgesetzt werden sollte, sodass die Klagen keine aufschiebende Wirkung hätten, sondern dass es zum Sofortvollzug kommen sollte, sodass der Schacht Konrad, der technisch im Prinzip relativ nah vor der Realisierung steht, genutzt werden kann. Der Planfeststellungsbeschluss liegt rechtlich jedenfalls schon vor. So etwas aufzugeben, ist mir unbegreiflich.
Fünftens: Wir sind der Auffassung – in der Tat wegen der einen Million Jahre; das muss man wirklich auf sich wirken lassen –, dass es nur ein einziges sinnvolles Kriterium geben kann: die Geologie. Alles andere hat zurückzustehen, ganz einfach.
Jetzt wird im AK End davon gesprochen, dass neben die Geologie gleichberechtigt die so genannten sozialwissenschaftlichen Kriterien treten sollen. Da muss ich schon die Augen verdrehen. Ich weiß nicht, was Sie von Sozialwissenschaft verstehen. Das heißt auf gut Deutsch: „Wenn die Leute dagegen sind, dann machen wir es nicht.“ Wenn Sie das als Kriterium einführen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Sie anschließend keine Lösung finden. Dann werden Sie sagen: „Jetzt haben wir leider keine Lösung gefunden.“ Nein, wenn ich vor der Verantwortung stehe, etwas für eine sehr, sehr lange Zeit zu finden, dann kann ich mich nur noch an der Geologie orientieren.
Weil Sie wissen, dass im Gemeinderat von Gorleben eine Mehrheit vorhanden ist, deswegen sagen Sie – das ist ja das Verrückte – interessanterweise: „Wir brauchen die Akzeptanz vor Ort nicht nur an einem Standort, sondern sogar an zwei Standorten, damit wir wählen können.“ Verstehen Sie: Das ist alles darauf angelegt, dafür zu sorgen, dass es nicht zu Gorleben kommt. Das steht sozusagen am Ende der Argumentation, und von dort aus wird alles abgeleitet, damit man in diese Situation gar nicht kommt.
Deswegen halten wir von diesem Kriterium der so genannten sozialwissenschaftlichen Akzeptanz gar nichts. Das hat weder etwas mit „sozial“ noch etwas mit „Wissenschaft“ zu tun, sondern das ist die mangelnde Bereitschaft, eine notwendige Entscheidung auch vor Ort entsprechend zu vertreten.
Mit Ihrem Ausstieg aus der Lösung der Endlagerfrage handeln Sie sich natürlich eine Fülle von Problemen ein. Eines der Probleme hat neulich einmal der Bundesrechnungshof genannt. Bisher sind von den Energieversorgungsunternehmen rund 2 Milliarden € zur Erkundung aufgewandt worden. Das ist keine Kleinigkeit. Für 2 Milliarden € bekommt man durchaus schon eine gewisse Erkenntnis und einen Fortschritt. Es ist ja nicht so, dass wir bei null anfangen würden, sondern da ist über 20 Jahre hinweg etwas geschehen.
Jetzt taucht natürlich die Problematik auf: Das haben richtigerweise die Energieversorgungsunternehmen zu bezahlen. Wenn aber die Politik aus einem Prozess aussteigt, ohne dafür sachliche Gründe zu haben, dann wird das wohl – das sagt auch der Bundesrechnungshof – in Gottes Namen der Steuerzahler zu bezahlen haben. Denn ein Energieversorgungsunternehmen, das bestimmte finanzielle Lasten zu übernehmen hat, dem aber nicht mehr die Gegenleistung geboten wird, nämlich eine Klärung der Eignung Gorlebens als Standort, kann man nicht verpflichten, 2 Milliarden € zu bezahlen.
Dann kommen aber auch noch neue Kosten hinzu. Die alten kann man nicht mehr überwälzen; nach der Strategie der Bundesregierung würden aber noch neue Kosten hinzukommen. Nun rechnet das Bundesumweltministerium natürlich möglichst niedrig, damit das nicht als Schreckgespenst vor einem steht, und sagt, die Neuerkundung würde nur 700 Millionen € kosten. Also: In einen Standort, den man schon gefunden hat und der nicht geeignet sein soll, sind bisher 2 Milliarden € gesteckt worden, aber die Suche nach mehreren neuen Standorten soll nur 700 Millionen € kosten. Das glaubt doch kein Mensch! Sie tun also noch einmal etwas zulasten des Steuerzahlers – im Milliardenbereich. Wie gesagt: Der Bundesrechnungshof kritisiert das.
Zum Zweiten: Es ist schon bemerkenswert, wie die ganze Strategie angelegt war, nämlich ohne die Parlamente. Der AK End hat einen Zwischenbericht vorgelegt; jetzt müssten die nächsten Schritte erfolgen. In der Konzeption – man konnte es neulich auch einmal in der Presse lesen – ist an
gelegt, dass alles, was jetzt zu beraten wäre, nachdem sich die EVUs richtigerweise an diesem weiteren Prozess nicht mehr beteiligen – wir, die einzelnen Bundesländer, übrigens auch nicht –, an ein Fachgremium der Regierungschefs gehen soll.
Wenn es aber eine nationale Aufgabe und ein nationales Problem gibt, bei dem der Parlamentsvorbehalt eine Rolle spielt, dann ist es dies ja vielleicht. Wir haben uns heute früh über das Selbstverständnis des Parlaments und über parlamentarische Rechte unterhalten. Aber hier soll plötzlich etwas eine Sache der Exekutive sein. Das versteht doch nun wirklich kein Mensch.
Zum Dritten: Das Timing, das Sie wählen, der Zeitablauf, die Zeitachse, auf der Sie operieren, heißt erstens „später als bisher“. Zweitens werden Sie diese Zeitachse eingedenk der Hürden, die Sie errichtet haben, nicht einhalten.
Jetzt noch ein paar kurze Bemerkungen zu dem Thema Benken. Das ist sozusagen ein Folgeproblem des allgemeinen Problems. Wenn Sie als Bundesumweltministerium auf die Schweiz zugehen und sagen: „Wir reden über die Lösung eures Problems dann, wenn ihr aus der Kernkraft aussteigt“, dann ist das so ungefähr die Art von deutscher Politik, die in der Schweiz ungemein „gut“ ankommt.
Das ist nicht unsere Legitimation, der Schweiz zu sagen, welche Energiepolitik sie zu betreiben hat, und das eigene Verhalten davon abhängig zu machen, dass die Schweiz dieselbe Energiepolitik betreibt wie Deutschland. Das ist aber nur eine politische Bemerkung.
Ich sage Ihnen einmal ganz exakt: Der BMU tut einen Teufel dafür, die Probleme in Benken im Interesse der lokalen Bevölkerung einer Lösung zuzuführen. Die harten Positionen in dieser Frage vertritt die Landesregierung von BadenWürttemberg. Ich verdeutliche Ihnen das an drei Punkten.
Erstens: Wir sagen nicht: „Benken schafft den Maßstab für Deutschland“, sondern: „Gorleben schafft den Maßstab für ein atomares Endlager, das ganz in der Nähe der deutschschweizerischen Grenze ist.“ Wenn Benken oder ein anderer Schweizer Standort mit Auswirkungen auf die Bundesrepublik schlechter ist als Gorleben, haben wir als Messlatte das, was es in Deutschland gibt, nämlich Gorleben. Insofern wird ein Schuh daraus. Das heißt, wir stellen materiell höhere Anforderungen als das Bundesumweltministerium.
Zweitens: Wir haben Trittin gesagt: Macht bitte zwei Dinge. Sie haben vorhin gefragt: „Wie beurteilen Sie denn Benken technisch, naturwissenschaftlich, geologisch?“ Wir haben zwei Dinge von Trittin gewünscht, nämlich erstens eine nationale Expertengruppe, also eine, die aus Deutschen zusammengesetzt ist – also keine internationale, sondern eine nationale –, in der genau diese Frage der technischen Beurteilung erörtert wird. Zweitens haben wir gesagt: Schließt doch bitte einen Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz über die ver
Jetzt frage ich Sie einmal: Wer vertritt die Interessen der Bundesrepublik, Baden-Württembergs und dieser Region in voller Sachlichkeit – nicht als Kampf gegen die Atomindustrie –, die Landesregierung oder die Bundesregierung? Die Frage zu stellen heißt, sie zu gleicher Zeit zu beantworten. Wir werden erneut an die Bundesregierung herantreten und genau diese beiden Punkte einfordern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Verantwortung ist das eigentliche Thema. Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung in dieser Frage eindeutig nicht gerecht. Wir stehen vor der Frage: Was geschieht vor dem Hintergrund des Umstands, dass hier dilatorisch gehandelt wird, dass auf die Zeitachse geschoben wird, dass Hürden errichtet werden, dass vorhandene, sich aufdrängende Lösungen nicht weiterverfolgt werden?
Ich habe es nicht verstanden, Herr Minister. Sie wollen, dass die Bundesregierung einen Staatsvertrag mit der Schweiz über das Endlager Benken abschließt?
In der Tat, natürlich, um den Prozess zu begleiten. Die Schweizer Regierung hat der deutschen Seite angeboten, dass sie im gleichen Maß Mitwirkungsrechte und Informationsrechte wie die Schweizer Bevölkerung bekommen soll.
Dazu brauche ich eine rechtliche Grundlage. Das sagt jeder, und die Bundesregierung weigert sich. Das ist Ihnen unangenehm. Das kann ich mir vorstellen, aber es ist so.
Wir versuchen rechtlich zu verbriefen, was die Schweiz uns grundsätzlich schon einmal angeboten hat, und die Bundesrepublik Deutschland müsste eigentlich nur die Hand ausstrecken und einschlagen, um die gleichen Rechte zu haben. Aber das geschieht leider nicht.