Ja, Entschuldigung, ich muss doch einfach einmal sagen, wie die Dinge entstanden sind. Wir haben dabei festgestellt, dass wir bei Ihnen offene Türen einrennen. Denn Sie hatten ja auch schon bei der ersten Lesung gesagt, man werde die Vorschläge ergebnisoffen prüfen, auch im Wege der Anhörung.
Ich denke, dass das, was jetzt dabei herausgekommen ist und was identisch ist, weder eine semantische Regelung noch eine juristische Spitzfindigkeit ist, sondern, wie ich bereits ausgeführt habe – ich werde später noch in Kürze einiges dazu sagen –, auch einem rechtstaatlichen Gebot entspricht.
Was den Vorschlag von Professor Jestaedt anbelangt, so ist ja auch darauf hingewiesen worden, dass man die Eignung eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst generell – hier speziell für den Schuldienst – nicht davon abhängig machen könne, wie denn andere Leute ihn deuten, weil wir ja gar keinen Einfluss darauf hätten, wie uns andere Menschen deuten. Der objektive Empfängerhorizont sei objektiv, aber er sei durch das Subjekt nicht bestimmbar. Daraus könne also die Eignung nicht hergeleitet werden. Ich denke, da wird einiges verkannt, was zum Thema „Öffentlicher Dienst“ gehört.
Ich versuche jetzt, nur die Dinge anzusprechen, die vielleicht noch nicht so ausführlich angesprochen worden sind. Der Begriff „Öffentlicher Dienst“ kommt ja von dem Wort „dienen“. Das heißt, es geht meines Erachtens nicht nur darum, dass im Zweifelsfall das subjektive Recht des Einzelnen zurückzutreten hat, sondern es ist im öffentlichen Dienst auch eine Frage der Einstellung, für wie wichtig es genommen wird, dass das eigene Verhalten eine entsprechende Deutung beim objektiven Empfängerhorizont hat. Bei denjenigen, denen ich zu dienen habe, kann ich doch nicht sagen: „Es ist mir egal, wie sie das verstehen.“ Darauf Rücksicht zu nehmen und es wichtig zu nehmen, wie andere das eigene Verhalten deuten, ist sehr wohl auch eine Frage der Eignung für den öffentlichen Dienst. Es ist eine persönliche Frage und nicht nur eine Frage der objektiven Deutung.
Im Übrigen hat mein Kollege Kleinmann mit Recht gesagt, dieser Vorschlag sei im Grunde genommen laizistisch. Die
Zum Vorschlag der Grünen – ich gebe jetzt nur den allgemeinen Eindruck wieder; man könnte jetzt noch sehr ins Detail gehen, aber es ist ja schon viel Richtiges und Zutreffendes dazu gesagt worden –: Sie nehmen ein paar allgemeine, unbestimmte Gesetzesbegriffe, die so allgemein sind, dass es im Grunde genommen inhaltlich überhaupt keine materielle Regelung ist. Weil das Bundesverfassungsgericht nun einmal eine Regelung vorschreibt, macht man eben eine „Feigenblattregelung“. Inhaltlich ist bei Ihnen das Interessante ausschließlich die Verfahrensregelung. Das ist das inhaltlich Interessante daran. Diese Regelung besagt: Schulkonferenz, Gesamtlehrerkonferenz, der Schulleiter. Es bleibt letztlich sogar noch etwas offen, wie es sich eigentlich verhält, wenn auch die Schulaufsicht tätig geworden ist, und welche Konsequenz dann eintritt.
Da muss ich Ihnen einfach sagen: In meinem Wahlkreis liegt die Wittumschule in Urbach. Wenn man in seinem Wahlkreis dicht an den Geschehnissen ist, verfolgt man sie natürlich noch genauer. Sie erscheinen ja auch in den Lokalzeitungen. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass eine solche Regelung vor Ort in den Schulen den Schulfrieden stört, ist er in Urbach erbracht worden.
Ich kann Ihnen nur sagen: Die Eltern sind zunächst einmal Sturm gelaufen. Inzwischen gibt es in der Lokalzeitung eine Leserbriefecke, in der Eltern auf Eltern losgehen. Die Schulleitung ist heillos überfordert. Die Regelung der Schule zu überlassen und zu meinen, der Schulfriede würde dadurch nicht gestört, ist unrichtig. Meines Erachtens hat die Schule bei aller Freiheit, die sie benötigt, einen Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber nicht davor kneift, einen Rahmen zu setzen, in dem sich die Schule bewegen kann.
Natürlich gibt es noch mehrere Kritikpunkte an der Regelung, die wir jetzt vorgelegt haben und der wir zustimmen wollen. So wird immer wieder thematisiert, durch die Regelung würde das Tragen des Nonnenhabits, der Ordenstracht nicht gedeckt. Manche fragen im Übrigen auch: Warum beschränkt ihr diese Regelung ausschließlich auf die Schule? Warum wird nicht eine Regelung für den ganzen öffentlichen Dienst getroffen, so, wie es Hessen macht?
Was die Ordenstracht angeht, kann ich mich nur dem anschließen, was Herr Birzele gesagt hat. In dem ganzen Gesetz wird weder vom Kopftuch noch von der Ordenstracht gesprochen. Vielmehr ist von Bekundungen und äußeren
Darstellungen die Rede. Die Frage, ob eine Ordenstracht getragen werden darf – diese Frage gilt im Einzelfall übrigens auch für das Kopftuch –, ist nach dem Gesetzesmechanismus eine Frage der Subsumtion. Herr Birzele, Sie sagen – diese Bedenken haben Sie –, bei dieser Subsumtion, bei dieser Unterordnung unter das Gesetz und der Prüfung, was sich daraus für den Einzelfall ergibt, sei das Tragen der Ordenstracht möglicherweise doch nicht erlaubt. Ich habe in dieser Hinsicht deshalb etwas weniger Bedenken, weil beim Tragen der Ordenstracht im Gegensatz zur Subsumtion beim Kopftuch ganz eindeutig nicht die gleiche Mehrdeutigkeit vorliegt wie beim Kopftuch. Ob dies ausreicht, wird man sehen.
Im Übrigen möchte ich mir als Liberaler auch die Bemerkung erlauben: Wir haben dieses Gesetz, das jetzt auf den Weg gebracht ist, nicht in allererster Linie unter der Thematik Ordenstracht gesehen. Das war für uns nicht der Ausgangspunkt dieser Überlegungen. Deshalb wollen wir einmal schauen, was bei dieser Subsumtion herauskommt.
Natürlich könnte man auch fragen: Warum trifft man eine solche Regelung nicht allgemein für den öffentlichen Dienst? Meine Damen, meine Herren, auch eine Richterin mit Kopftuch könnte doch einmal ein Problem sein. Ich kann nur sagen: Wir sehen gegenwärtig keinen Handlungsbedarf, eine solche Regelung allgemein für den öffentlichen Dienst zu treffen. Ich kann aber nicht ausschließen, dass in Zukunft – es wurde ja vorhin gesagt: möglicherweise beschäftigt uns das Thema noch weiter – auch einmal ein solcher Handlungsbedarf eintritt.
Wir alle sind weit davon entfernt, den Islam als Religion mit der politischen Bewegung des Islam gleichzusetzen. Je mehr aber islamistische Gruppierungen zu einer Art Kulturkampf gegen freiheitlich-demokratische, christlich-abendländische Werte des Westens auftreten, desto mehr wird umgekehrt natürlich der Zwang bestehen, unsere Werte auch in anderen Bereichen zu verteidigen. Das ist eine ganz logische Folge.
Deshalb denke ich: Wir sind mit der Debatte noch nicht am Ende – höchstens vielleicht, was das Kopftuch in der Schule betrifft. In dieser Hinsicht wird es möglicherweise noch eine ganze Reihe von Debatten zu anderen Punkten geben.
Noch ein Allerletztes: Dass wir gemeinsam um diese Regelung gerungen haben – das kann man uns ja nun wirklich nicht absprechen –, hat nach meiner Meinung auch eine rechtliche Qualität.
Das Verfassungsgericht erwartet von uns, dass wir da nicht einfach sagen: „Politisch sind wir frei“ – was wir im Übrigen politisch tatsächlich sind, aber rechtlich eben nicht –, und es wird eine Regelung sicherlich auch danach bewerten, wie schwer oder wie leicht wir es uns gemacht haben. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir gemeinsam um eine Regelung gerungen haben.
Zum Schluss, was das Prozessrisiko anbelangt: Mit Recht haben alle ausgeführt, wir werden ein Prozessrisiko haben.
Ich betrachte dieses Prozessrisiko auch als erheblich. Denn wenn die drei „Minderheitsrichter“ des gleichen Senats des Bundesverfassungsgerichts in prophetischer Vorhersage geäußert haben, der Landesgesetzgeber sei eigentlich dabei überfordert, ein verfassungsgemäßes Gesetz zu machen, wie das die fünf „Mehrheitsrichter“ erwarten – deshalb haben die „Minderheitsrichter“ ja auch gesagt, eigentlich hielten sie das Mehrheitsurteil des Bundesverfassungsgerichts geradezu für verfassungswidrig; so steht das in der „Abweichenden Meinung“ der drei „Minderheitsrichter“ drin –, dann darf man nicht sagen, es bestünde kein Prozessrisiko. Und wenn uns gut die Hälfte der Rechtswissenschaft das auch attestiert – die einen sagen, das hält, die anderen sagen, das hält nicht –, dann besteht ein erhebliches Prozessrisiko.
Aber gerade weil ein erhebliches Prozessrisiko besteht, möchte ich doch auf einen Gedanken hinweisen, der meines Erachtens ein bisschen zu kurz gekommen ist. Die Frage ist nämlich: Wie weit sind wir denn berechtigt, bei einer Gesetzgebung ein Prozessrisiko einzugehen? Da muss ich Ihnen sagen: Wenn wir nichts anderes tun – es geht um den Satz 3 –, als auf unsere bestehende Verfassung zu verweisen, und wenn diese Verfassung etwa nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ nicht haltbar wäre – was ich nicht hoffe und nicht annehme –, wenn also die reine Berufung auf die Landesverfassung gewissermaßen angreifbar wäre,
sondern dann müssten wir es so machen, wie es übrigens bei Gerichten ja immer der Fall ist – die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm stellen ja nicht die einzelnen Gerichte fest; die Norm wird in solchen Fällen immer dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt –: Dann muss die Verfassungsgerichtsbarkeit darüber entscheiden und nicht wir, ob die reine Berufung auf eine Landesverfassung ein Prozessrisiko ergibt oder nicht.
Deshalb ist es richtig, dass wir noch diese vermeintlich kleine Änderung in Satz 3 hinzugefügt haben, dass wir auch formal nichts anderes machen, als auf unsere Verfassung hinzuweisen. Deshalb stimmen wir auch dieser Regelung zu.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Debatten über den Gesetzentwurf in der Ersten Beratung, in der gemeinsamen Anhörung des Ständigen Ausschusses und des Schulausschusses sowie in den Ausschussberatungen selbst sind von einer großen Ernsthaftigkeit, einer hohen Sensibilität und einem tragfähigen Konsens über Fraktionsgrenzen hinweg geprägt gewesen. Dieser tragfähige Konsens bezieht sich vor allem auf drei Punkte:
Erstens: Wir, diejenigen, die dieses Gesetz unterstützen, sind der Überzeugung, dass das Kopftuch einer Lehrerin aufgrund seiner Mehrdeutigkeit und der damit verbundenen möglichen Bedeutung im Sinne des politischen Islamismus keinen Platz in der Schule hat.
Zweitens: Wir wollen eine gesetzliche Regelung dafür schaffen, die mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vereinbar sein muss, die für den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule christliche Bildungs- und Kulturwerte vorgibt.
Drittens – das ist auch in der heutigen Debatte noch einmal deutlich geworden –: Wir sind uns alle der hoch komplizierten Abwägung verschiedener Rechte und Pflichten bewusst, die im Blick auf die Eltern, die Schülerinnen und Schüler sowie die betroffenen Lehrkräfte vorzunehmen ist.
Und viertens – auch das sollten wir bei dieser Gelegenheit sagen –: Es ist doch allenthalben zu spüren – in all unseren Gesprächen, in der öffentlichen Debatte und auch, wenn man den Schriftsatz des Bundesverfassungsgerichts liest –, dass alle, auch das Bundesverfassungsgericht, Neuland betreten. Wer diesen Schriftsatz liest, wer Mehrheitsvotum und Minderheitsvotum liest, der weiß: Das ist der Beginn einer Debatte, und niemand kann heute mit Sicherheit sagen, was Irrtum und was Wahrheit ist, lieber Kollege Kretschmann.
Deshalb hat es mich verwundert, dass Sie nach einer so sensiblen Debatte so apodiktisch der Mehrheit dieses Hauses Irrtum unterstellen. Ich sage es ganz offen: Ich finde das nicht in Ordnung. Ich würde umgekehrt auch nicht auf die Idee kommen, zu sagen, alles, was Sie vorschlagen, sei Irrtum. Ich finde, man kann schwerlich mit solch einer Leidenschaft, wie sie Ihnen zu Eigen ist, gegen Parallelgesellschaft, gegen Abmeldung vom Sport- und Schwimmunterricht und von Klassenfahrten sprechen, gar von Schließung von Moscheen sprechen und dann bei der ersten konkreten Maßnahme, bei der Grenzen gesetzt werden, von Irrtum reden. Das finde ich nicht in Ordnung.
Da meine Vorredner aus den in der Anhörung vorgebrachten Statements hier schon zitiert haben, will ich darauf verzichten und möchte den Blick auf ein Thema richten, das zwar die einen oder anderen Vorredner bereits angesprochen haben, von dem ich aber glaube, dass es in der bisherigen öffentlichen Diskussion noch zu wenig behandelt worden ist.
Man kann nämlich neben allen Themen, die bislang angesprochen wurden, auch sagen: Der zentrale Begriff in dieser Debatte ist das Amt im öffentlichen Dienst
und die Frage, was mit der Wahrnehmung des Amts im öffentlichen Dienst zu verbinden ist. Das Amt im öffentlichen Dienst dient dem Wohl der Allgemeinheit, nicht den Sonderinteressen seines jeweiligen Inhabers.