Protocol of the Session on March 11, 2004

trieb, der eine Chemikalie ursprünglich in den Verkehr bringt, Tests und die Anmeldung machen muss, profitieren ja alle anderen Betriebe davon. Deswegen bringt dieses Verfahren auch Einsparungen. Deswegen ist es sehr wohl möglich, dass das Verfahren, wenn die Umorientierung erfolgt ist, zum Schluss sogar wirtschaftlich günstiger ist. Zumindest als Kauffrau, die sich auch mit Organisation befasst, sehe ich diese Chance.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Es kommt natürlich darauf an, wie die Verwaltung das umsetzt. Wir werden mit kritischem Auge aufpassen müssen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Jetzt wissen wir es!)

Sie sehen also, dass auch ich weder von der Versicherungswirtschaft noch von irgendeiner anderen Lobbygruppe gesponsert bin, vermutlich schon deshalb nicht, weil die alle wissen, dass man mich mit so etwas nicht fangen könnte.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Heiter- keit des Abg. Stickelberger SPD)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Mappus.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bei anderen Gelegenheiten und an anderer Stelle auch schon des Öfteren zu diesem Thema Ausführungen gemacht und denke, dass ein Thema selten die Gemüter bereits im Vorfeld so bewegt hat wie die Neuorientierung der europäischen Chemikalienpolitik, über die wir uns heute Gedanken machen.

Wir im Ministerium haben hierzu unzählige Zuschriften erhalten sowie eine Reihe wirklich sehr interessanter und jedenfalls weitestgehend auch aufschlussreicher Gespräche sowohl hier im Land als auch auf europäischer Ebene in Brüssel geführt. Die bisher intensiv geführte und teils sehr emotionsgeladene Diskussion, meine Damen und Herren, kommt daher wohl nicht ganz überraschend. Denn es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem nicht Chemikalien oder Zubereitungen aus Chemikalien produziert oder eingesetzt werden. Denken Sie nur an so alltägliche Dinge wie Waschund Reinigungsmittel, Autolacke, Schmieröle oder Zemente und andere Chemikalien für den Baubereich.

Die zu erwartenden Regelungen haben demzufolge nicht nur Auswirkungen auf die herstellende chemische Industrie, sondern – genau darin liegt schließlich das Problem – auch auf die gesamte Industrie. Sie beeinflussen damit die weitere wirtschaftliche Entwicklung sowohl hier im Land als auch in der gesamten Bundesrepublik und im gesamten Europa. Speziell die vielen kleinen und mittelständischen Betriebe hier in Baden-Württemberg, die sich durch ein breites Spektrum an innovativen Fein- und Spezialchemikalien auszeichnen, werden betroffen sein.

Ich will an dieser Stelle nicht weiter ausführen, warum wir ein neues Regelwerk der europäischen Chemikalienpolitik brauchen. Ich verweise insoweit auf die Mitteilung vom 11. November 2003 bzw. die Stellungnahmen der Landesregierung zu den Anträgen Drucksachen 13/2742 und 13/2719. Nur so viel: Die Landesregierung hat die Revision

der bestehenden Chemikalienpolitik stets unterstützt, da sie durch bessere Informationen über tatsächlich vorhandene Risiken von chemischen Stoffen zur Verbesserung des Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes beitragen kann. Sie hält es auch für wichtig und richtig, diese Angelegenheit auf europäischer Ebene zu regeln. Besser wäre eine weltweite Regelung, aber, meine Damen und Herren,

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Dazu haben wir nur die Mittel noch nicht!)

wir wissen alle, warum dies im Moment nicht – ich hoffe: noch nicht – machbar ist. Umso wichtiger ist es, dass die Regelungen bei uns so ausgestaltet werden, dass die europäischen Firmen bezüglich ihrer Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren Konkurrenten aus Asien und den USA nicht grenzenlos benachteiligt werden.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle und Hauk CDU)

Dies gilt insbesondere für die kleineren und mittelständischen Firmen hier in Baden-Württemberg.

Am 29. Oktober des letzten Jahres, meine Damen und Herren, hat die Kommission als Ergebnis des nun fast fünfjährigen Diskussionsprozesses ihren viel beachteten Vorschlag einer REACH-Verordnung vorgelegt. Die Landesregierung hat unmittelbar nach Vorlage des Verordnungsvorschlags ihre Haltung in einem Positionspapier niedergelegt und dieses am 6. Februar dieses Jahres in Brüssel bei der dort abgehaltenen Kabinettssitzung verabschiedet. Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass das REACH-System vom Ansatz her eine Chance für ein einheitliches, konsistentes und transparentes europäisches Chemikalienrecht bietet. Die verfolgten Ziele können damit erreicht werden.

Die REACH-Verordnung in der vorgesehenen Form ist aber bis zum heutigen Tage zu bürokratisch, zu aufwendig und vor allem für die mittelständischen Unternehmen zu kostenintensiv. Dies gilt insbesondere für die viel diskutierte Registrierungsphase. Bleibt es bei den vorgesehenen Regelungen, meine Damen und Herren, ist zu befürchten, dass zahlreiche Chemikalien, die nur in kleineren Mengen produziert werden, vom Markt genommen werden. Dies würde bei den Herstellern und in den Wertschöpfungsketten zu Problemen bis hin zum Verlust einer großen Zahl von Arbeitsplätzen führen.

Die REACH-Verordnung muss deshalb nachgebessert werden. Darum geht es auch in der interfraktionellen Beschlussempfehlung.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)

Da wir wollen, dass die REACH-Verordnung tatsächlich kommt, aber in einer vernünftigen Form, haben wir entsprechende Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Die betroffene Industrie – hier insbesondere die Vertreter des VCI, also des Verbandes der Chemischen Industrie in Baden-Württemberg – hat mir glaubhaft versichert, dass auch sie die Ziele der neuen europäischen Chemikalienpolitik und den zugrunde liegenden REACH-Ansatz unterstützt. Nur, meine Damen und Herren: Die Anforderungen müssen erfüllbar und vor allem für die mittelständischen Unternehmen auch finanziell leistbar sein. Ich denke, diese Forderung ist nicht

(Staatssekretär Mappus)

verwerflich. Ich sage dies in Richtung all derer, die unterstellen – am heutigen Tage also insbesondere in Ihre Richtung, Herr Kollege Palmer –, dass einige Politiker oder Verbands- und Firmenvertreter gar nicht an neuen Regelungen interessiert seien und stattdessen mit immer neuen Forderungen und Einwänden die Regelungen torpedieren würden.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich finde es sehr gut, wenn man sich mit einer Materie intensiv auseinander setzt, wobei ich mir nach dem, was Sie gesagt haben, nicht so ganz sicher bin, ob Sie alle 1 200 Seiten – das ist der Umfang dieses Entwurfs – durchgearbeitet haben.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das verlangen Sie aber nicht wirklich, oder? – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Haben Sie das denn gemacht? – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: Er hat sich be- müht!)

Aber, Herr Kollege Palmer, man sollte bei den Tatsachen – um nicht zu sagen: auch bei der Wahrheit – bleiben. Sie haben zum Beispiel in der letzten Woche im Umwelt- und Verkehrsausschuss mehrfach zunächst angedeutet, dann auf Nachfrage konkret ausgeführt, Sie hätten seitens der Europäischen Union die Information, dass dort signifikante Anzeichen dafür vorlägen, dass Politiker oder auch manche Industrievertreter das Ganze eigentlich auf der Zeitschiene verschieben wollten, im Zweifel torpedieren wollten, damit es erst gar nicht komme. Ich habe dann nachgefragt, woher Sie diese Information hätten. Sie haben ausgeführt, dass das von einem Herrn Vogelgesang wäre, den Sie auch heute zitiert haben. Ich habe mir erlaubt, bei Herrn Vogelgesang Erkundigungen einzuholen, inwiefern denn das, was Sie damals im Umwelt- und Verkehrsausschuss gesagt haben, zutreffe. Ich darf Ihnen einmal sagen, was Herr Vogelgesang uns gesagt hat.

(Unruhe)

Herr Vogelgesang – er heißt wirklich so – hat bestätigt, dass er mit Herrn Palmer und anderen Personen über die REACH-Verordnung gesprochen habe. So weit, so gut. Allerdings habe er dabei nie geäußert, dass nach seinem Eindruck die REACH-Verordnung am Sterben sei. Auch könne er nicht bestätigen, dass eine derartige Aussage oder eine dahin gehend interpretierbare Aussage von der Industrie ihm gegenüber jemals gefallen sei. Er könne sich vielmehr daran erinnern, dass diese Einschätzung von Herrn Palmer selbst geäußert worden sei.

(Heiterkeit – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ist das auch per Mail gekommen? – Unruhe)

Nach seinem Eindruck – und jetzt kommt es – arbeite der europäische Dachverband der chemischen Industrie aktiv an der Ausgestaltung der REACH-Verordnung mit. So weit Herr Vogelgesang in seiner Auskunft, die wir telefonisch eingeholt haben.

Insofern: Hören Sie bitte damit auf, lieber Herr Palmer, zu versuchen, einen Keil zwischen Landesregierung, Bundesregierung, Europäische Union und Wirtschaft zu treiben. In diesem Fall ziehen alle am gleichen Strang – außer Ihnen.

Ich fordere Sie alle auf, gemeinsam daran zu arbeiten, die entsprechende Verordnung auch umgesetzt zu bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Walter GRÜNE: Können Sie das bitte noch einmal wieder- holen? – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Von Herrn Palmer immer. Gerne.

Herr Palmer, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Mappus, würden Sie zur Kenntnis nehmen – –

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Staatssekretär!)

Herr Staatssekretär, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich die von mir getroffene Aussage, in Europa gebe es die Einschätzung, dass diese Verordnung torpediert wird, nicht auf Herrn Vogelgesang bezog, sondern auf das Mitglied des Europäischen Parlaments Hiltrud Breyer? Sie können sie gerne anrufen und fragen, ob das die Einschätzung der Fraktion der europäischen Grünen ist.

Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass sich das Zitat von Herrn Vogelgesang auf die Einschätzung bezog, dass kleine und mittlere Unternehmen in Europa bisher keine wesentlichen Einwände gegen die REACH-Verordnung vorgebracht haben?

Würden Sie ferner zur Kenntnis nehmen, dass die vorgetragene E-Mail vom 29. Februar von eben jenem Herrn Vogelgesang stammt, den Sie wiederum gerade zitiert haben?

(Abg. Walter GRÜNE: Könnt ihr euch mit Herrn Vogelgesang vielleicht einfach mal treffen? – Ge- genruf des Abg. Kiefl CDU: Das gibt ein Gezwit- scher! – Heiterkeit)

Herr Kollege Palmer, zur Kenntnis kann ich alles Mögliche nehmen. Ich kann mich allerdings – wie alle, die dort anwesend waren, wahrscheinlich auch – daran erinnern, was Sie konkret gesagt haben. Ich habe Sie am letzten Donnerstag im Umwelt- und Verkehrsausschuss ganz konkret gefragt: „Woher haben Sie die Informationen, die Sie verbreitet haben?“, und Sie haben geantwortet: „Von Herrn Vogelgesang.“ Das ist doch eine klare Aussage.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja! Das bezog sich auf die kleinen und mittleren Unternehmen! – Abg. Fleischer CDU: Fragen Sie doch über Herrn Pal- mer das ganze Europäische Parlament ab!)

Insofern muss man das jetzt nicht wieder relativieren. Sie haben versucht, von der EU-Seite her zu dokumentieren, dass wir uns nicht ernsthaft mit dieser Thematik auseinander setzen würden.

Im Übrigen noch ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren. Die Tatsache, dass Ihre Kenntnisse, was diese Ver

(Staatssekretär Mappus)

ordnung angeht – um es einmal vorsichtig auszudrücken –, allenfalls suboptimal sind,

(Lachen des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

kann man schon daran erkennen, dass Sie gesagt haben, vor allem die Großunternehmen würden sich quasi dafür einsetzen – –

(Glocke des Präsidenten)