Protocol of the Session on March 11, 2004

Statt Koexistenz müsste es heißen: Vermischung. Denn es gibt kein paralleles Nebeneinander von gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Pflanzen.

(Abg. Kiefl CDU: Genau das will die Bundesregie- rung!)

Diese Vermischung ist in der Zukunft zwangsläufig; sie besteht schon jetzt. Rund 30 % der nicht gentechnisch veränderten Lebensmittel,

(Abg. Kiefl CDU: Das funktioniert nicht, aber die Bundesregierung will es!)

die Soja oder Mais enthalten, sind schon jetzt bis zu 1 % genverseucht, und wir haben bisher im Wesentlichen eigentlich nur diese beiden Lebensmittel gentechnisch verändert. Wenn mehr dazukommen, sieht das ganz, ganz anders aus.

(Zuruf des Abg. Kiefl CDU)

Die Position des Ministers schwankt zwischen Zustimmung zur Koexistenz, von der ich behaupte, dass sie irreführend und gar nicht möglich ist,

(Abg. Kiefl CDU: Das sage ich auch! Aber das will das Gesetz!)

und Ablehnung, ist aber nicht sehr eindeutig.

Ich sage Ihnen, Herr Minister: Es gibt in dieser Frage bei uns sehr eindeutige Positionen der Ablehnung der gentechnisch veränderten Pflanzen: Die Ablehnenden haben die Landfrauen in Baden-Württemberg hinter sich – beinahe einstimmig, jedenfalls geschlossen öffentlich bekundet, mit dem Willen zur Demonstration. Sie haben auch die Mehrheit der Landwirte hinter sich. Denn sie werden die Benachteiligten sein. Die Wenigen, die sich im Mais- und Getreidesektor Vorteile erhoffen, werden ihr Vorgehen zulasten der anderen betreiben müssen. Die Kirchen sind eindeutig gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Die Verbraucherverbände wehren sich eindeutig gegen ihre Einführung.

Nun zum Versuch der Koexistenz in Baden-Württemberg. Vorhin wurde gesagt: In einem Land mit einer so kleinen Agrarstruktur kann es nicht gelingen, beide Formen nebeneinander zu führen. Sie haben die Wahl: entweder – oder. Sie müssen eine andere Botschaft verkünden, Herr Minister. Die Botschaft bei uns in Baden-Württemberg muss lauten: „Ohne GVO; bei uns in Baden-Württemberg HQZ“. Denn sonst können Sie das HQZ abschaffen; wenn Sie gentechnisch veränderte Lebensmittel in Baden-Württemberg anpflanzen, wird das HQZ völlig wirkungslos. Lebensmittel aus Baden-Württemberg mit dem Herkunftszeichen BadenWürttemberg müssen einen Inhalt übermitteln und dürfen nicht nur ein Image ohne Inhalt übermitteln.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Noch ganz kurz: Es gibt im Wesentlichen drei Bereiche gentechnisch veränderter Lebensmittel: Das sind zum Ersten die so genannten Designerlebensmittel. Da geht es darum, einen Tomatengeschmack beizumischen, Äpfel haltbarer und Gurken grüner zu machen.

Es geht zum Zweiten vielleicht aber um etwas noch Wichtigeres. Das ist zu bemerken. Es geht um die Resistenz, um die Toleranzbildung von Pflanzen gegenüber Herbiziden. Das ist auf den ersten Blick verführerisch. Aber auf den zweiten Blick bedeutet das die totale Abhängigkeit der Landwirte vom Saatgutlieferanten und vom Herbizidlieferanten.

Drittens: Es bedeutet in der Anfangsphase zwar einen wirtschaftlichen Vorteil, wenn man bei gleichem Aufwand 15 % mehr Erträge erzielen kann. Aber – Herr Minister, sagen Sie das Ihren Landwirten; die meisten wissen es aber schon – wenn alle dies einsetzen, hat keiner einen wirtschaftlichen Vorteil; dann sind alle auf der gleichen Ebene, aber mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Die Botschaft von Ihnen muss heute lauten – die Landwirte haben Sie in der Mehrheit sowieso hinter sich, Sie brauchen sie nicht zu überzeugen und alle anderen auch nicht –: Wir in Baden-Württemberg brauchen zum Überleben der Landwirtschaft keine gentechnisch veränderten Lebensmittel, und wir wollen sie zum Schutz der Qualität unserer Lebensmittel deswegen auch nicht haben.

Zweitens: Wir brauchen dazu Zeit. Sie müssen Zeit gewinnen, um auf der Basis der freiwilligen Vereinbarung dazu zu kommen, und es gibt hierfür genügend Druck. Die Haftungsfrage vorzuschieben, zu sagen, die Bundesregierung habe hier die Haftungsfrage nicht geklärt, Herr Minister, ist nicht richtig. Die Haftungsfrage soll zulasten des Verursachers gehen, und wenn die Haftungsrisiken so hoch sind, dass das Risiko des Anbaus von GVO zu groß wird, haben Sie das ideale Instrument, gentechnisch veränderte Lebensmittel in Baden-Württemberg zu verhindern.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: So ist es!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drautz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen lässt sich in drei Punkten zusammenfassen. Punkt 1: Keine Gentechnik in Lebensmitteln. Dort, wo ein gesetzliches Verbot nicht möglich ist, sollen vertragliche Vereinbarungen zu dem gleichen Ergebnis führen. Punkt 2: Keine Unterstützung für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, weder finanziell noch bei der Vermarktung. Punkt 3: Schärfere Kontrollen.

Der Deutsche Bundestag diskutiert zurzeit das neue Gentechnikgesetz. Es stellt die Umsetzung des EU-Rechts dar. Die EU verpflichtet die Länder, gesetzliche Rahmenbedingungen für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen zu erlassen. Hauptpunkte, die zu regeln sind, sind Vorsorge, Koexistenz und Haftung. Das Gesetz ergänzt das bisherige Gentechnikgesetz, das lediglich die Förderung der Gentechnik beinhaltete. Neu hinzugekommen sind jetzt Schutz und Haftungsbestimmungen. Gleichzeitig legt die EU fest, dass keine Form der Landwirtschaft – konventionell, Biolandwirtschaft bzw. Anbau von Genpflanzen – ausgeschlossen werden kann. Die EU-Richtlinie fordert weiter,

dass die Freisetzung solcher Pflanzen unter den Gesichtspunkten der guten fachlichen Praxis sicher erfolgen muss.

Für die Grünen bedeutet Koexistenz laut ihres Antrags: weg mit der Gentechnik. Die Beratung im Bundestag zeigt deutlich: Auch hier versucht Rot-Grün einen nationalen Alleingang.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Was?)

Während EU-weit Maßnahmen getroffen werden, Gentechnik zu regeln und auszugestalten, wollen die Grünen im Landtag ein nationales Verbot. Die Grünen verkennen jedoch, dass wir grüne Gentechnik seit langem nicht mehr verbieten können, weil sie schon längst unter uns ist.

(Abg. Walter GRÜNE: Ist das gut?)

Die Grünen sollten jetzt nicht mit der Unwissenheit der Verbraucher Politik machen,

(Abg. Walter GRÜNE: So ein Quark!)

sondern ihre Ideologien beiseite legen, aufklären und vor allem ihre Regierungsverantwortung im Bund wahrnehmen und das Gentechnikgesetz so ausgestalten, dass Deutschland gegenüber seinen europäischen Partnern nicht erneut ins Hintertreffen gerät.

(Abg. Walter GRÜNE: Sagen Sie jetzt einmal et- was zum Antrag!)

Wer Gentechnik im Land verbieten will, muss wissen, dass Gentechnik woanders stattfindet und letztlich zu uns zurückkommt. Weder kann das Land Einzellösungen präsentieren, noch können wir vertraglich mit den Landwirten vereinbaren, auf die Gentechnik zu verzichten. Wir können aber als Land sicherstellen, dass jeder Landwirt frei entscheiden kann, ob er gentechnisch veränderte Produkte nutzt bzw. herstellt. Ab April 2004 haben wir die Kennzeichnungspflicht für solche Lebensmittel und damit auch die Garantie der Rückverfolgbarkeit dieser Produkte. Nicht nur der Landwirt, sondern auch der Verbraucher kann demzufolge entscheiden, welches Produkt er kaufen möchte.

Deshalb unterstützen wir durchaus, wenn sich landwirtschaftliche Erzeuger organisieren und sich regional zu Produzentengemeinschaften für gentechnikfreie Waren zusammenschließen. Dies macht auch wirtschaftlich Sinn. Denn offensichtlich sind die Marktchancen für solche Produkte zurzeit sehr gut.

(Abg. Walter GRÜNE: Aha!)

Das HQZ des Landes, Herr Winkler,

(Abg. Alfred Winkler SPD: So ist es!)

dessen Abschaffung die Grünen schon einmal gefordert haben, enthält seit langem die Voraussetzung dafür, dass HQZ-gekennzeichnete Lebensmittel gentechnikfrei sind.

(Zuruf des Abg. Pauli CDU)

Umgekehrt steht fest: Gentechnisch veränderte Produkte sind keineswegs gesundheitsschädlich. Das im Bundestag

zu beschließende Gesetz zur Gentechnik hat die Koexistenz aller Produktionsverfahren zu regeln.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Das bedeutet aber, dass der Staat nicht nur die Forschung, sondern auch die nachfolgenden Freisetzungsversuche gewährleisten muss.

Jetzt ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Auch wenn es den Grünen nicht gefällt, hat ausgerechnet ihre eigene Bundesministerin ein EU-Gesetz in nationales Recht umzusetzen, das den Einsatz der Gentechnik bei Lebensmitteln regelt und fördert; so steht es in der Begründung des Gesetzes von Frau Künast.

(Abg. Walter GRÜNE: Das ist ein sehr gutes Ge- setz! Sehr gut!)

Ich komme zum Schluss. Die vorliegenden Anträge der Grünen im Landtag wollen das Gegenteil dessen, was in dem von der Bundesministerin zu erlassenden Gesetz steht. Wir wollen die Bundesministerin nicht im Regen stehen lassen und lehnen die Anträge der Grünen ab.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Walter GRÜNE: Um Gottes willen! Hast du das Gesetz auch gelesen? Den, der dir das aufgeschrieben hat, würde ich abmahnen! Der hat das Gesetz nicht gelesen!)

Das Wort erteile ich dem Minister für Ernährung und Ländlichen Raum Willi Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat ja einen eigentümlichen Verlauf genommen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das stimmt!)

Ausgangspunkt ist im Grunde das von Frau Künast zu erlassende Gesetz, das Regeln vorgeben soll, wie künftig Koexistenz und Haftung in Sachen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland gestaltet werden sollen. Das heißt, wir, der Minister und das Parlament, setzen uns mit dem auseinander, was als Gesetzentwurf vorliegt.

Herr Winkler, Sie sagen plötzlich – ich weiß nicht, aus welchem Grunde –, der Minister sei ein Anhänger der Koexistenz des Einsatzes gentechnisch veränderter und gentechnisch nicht veränderter Organismen. Es geht nicht um ein Pro oder Kontra zur Koexistenz,