Protocol of the Session on March 11, 2004

Das angestrebte Ziel der Gentechnikaufsicht Baden-Württemberg, alle S2-Anlagen alle zwei Jahre und alle S3-Anlagen jährlich einer Kontrolle zu unterziehen, unterstützen wir nachhaltig. Durch die Verstärkung des Teams im letzten Herbst dürfte man diesem Ziel etwas näher gekommen sein.

Bemerkenswert ist übrigens auch, wie viele Anlagen je Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Bundesländern von unserer Gentechnikaufsicht betreut werden und dass trotzdem anerkanntermaßen eine zügige Bearbeitung selbst komplexer gentechnischer Vorhaben geleistet wird. Aus diesem Grund unterstützen wir weiterhin die praktizierte Vor-OrtLösung des Regierungspräsidiums Tübingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Schmidt-Kühner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei den Ausführungen des Kollegen Klenk habe ich eben irgendwie den Eindruck gehabt, dass er von einem völlig anderen Antrag sprach als dem, den ich gelesen habe und bei dem ich aus der Stellungnahme der Landesregierung einige Probleme herausgelesen habe. Ich will erläutern, wie es um das Thema der Aufsicht bei der Gentechnik steht.

Wir haben seit 1991 eine Vervierfachung der Anlagen und eine Verfünffachung der Arbeiten, und zwar nach dem Stand von 2002. Es hat sich ja seitdem noch einmal ein bisschen geändert; von 2002 auf 2003 sind ja noch einmal einige Anlagen hinzugekommen. Aber für 2002 liegen die Zahlen laut Stellungnahme der Landesregierung vor. Da waren es 984 Anlagen und 1 585 Arbeiten. Inzwischen wissen wir – in den letzten Tagen kamen die Meldungen –, dass es jetzt in Baden-Württemberg über 1 000 Anlagen sind. Wir haben also eine massive Zunahme und müssen uns einmal anschauen, wie es mit der Bewertung der Sicherheit in unserem Bundesland aussieht.

Baden-Württemberg – auch das kann man aufgrund der Stellungnahme zum Antrag feststellen – ist als Forschungsland vorn und ist in diesem Forschungsbereich auch Spitze. Das muss man im Verhältnis zu den anderen Bundesländern tatsächlich feststellen. Das ist auch erst einmal gut so. Aber wir müssen natürlich schauen, ob die Aufsicht über die gentechnischen Anlagen und Arbeiten diesen Ansprüchen und der Tatsache, dass aus mehr Anlagen mehr Arbeiten resultieren, tatsächlich gerecht wird. Dazu müssen wir uns einmal anschauen, wie die Aufsicht in der Realität aussieht. In Bayern und in Nordrhein-Westfalen erfolgen S3-Arbeiten, also Arbeiten nach der Sicherheitsstufe 3 – das sind die mit mäßigem Risiko –, jährlich, in Baden-Württemberg alle 1,7 Jahre. Wir sind also schon eher an zwei Jahren dran als an einem Jahr. Es kann sein, dass wir jetzt diese Spanne ein bisschen reduzieren, aber wir sind noch nicht so gut, dass sie tatsächlich ein Jahr beträgt. Dafür müssen deutliche Schritte getan werden.

(Beifall bei der SPD)

Die S2-Anlagen – das sind die mit geringem Risiko – werden in Nordrhein-Westfalen alle ein bis zwei Jahre kontrolliert, in Bayern alle zwei Jahre. In Baden-Württemberg geschieht dies nur alle 4,4 Jahre. Wir sind also deutlich von dem genannten Ziel entfernt, dort alle zwei Jahre zu kontrollieren. Wir sind von diesem Ziel deutlich entfernt!

(Abg. Teßmer SPD: Wo ist der Staatsrat?)

Bei S1-Anlagen – das sind die, von denen man sagt, sie hätten kein Risiko; doch müssen auch die überwacht werden – wird sogar nur alle acht Jahre kontrolliert, während dies in Nordrhein-Westfalen alle drei Jahre geschieht.

(Abg. Fischer SPD: Hört, hört!)

Wir können uns in der Frage der Aufsicht über die gentechnischen Anlagen also wirklich nicht mit Ruhm bekleckern. Festzuhalten ist: Die Aufsicht hat mit der Entwicklung nicht mithalten können.

Wenn wir es andersherum sehen, könnte ich an dieser Stelle auch einmal ein wenig ketzern:

(Abg. Fischer SPD: Ja, tu das!)

Ich muss mich fragen, ob der Erfolg von gentechnischen Anlagen in Baden-Württemberg nicht eigentlich darauf zurückzuführen ist, dass hier die Kontrollen laxer und seltener durchgeführt werden. Das könnte man fast aus den Zahlen schließen, die uns hier vorliegen. Das kann aber ja wohl nicht der Sinn der Angelegenheit sein:

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Pfisterer CDU: Die arbeiten an- ständig! – Unruhe)

Wenn wir erreichen wollen, dass Gentechnologie mehr Anerkennung und mehr Rückhalt in der Bevölkerung erfährt – es ist doch unser Ziel, eine gewisse Entemotionalisierung in der Biotechnologie zu erreichen, vor allem in dem Bereich der Gentechnologie, die als graue Gentechnologie gilt, also im gentechnischen Produktionsprozess, und auch in großen Teilen der roten Gentechnologie; bei der grünen Gentech

nologie ist es noch deutlich schwieriger, weil es in den Bereich der Lebensmittel geht –, dann können wir das doch nur dadurch hinbekommen, dass wir wirklich regelmäßig und zielgenau kontrollieren und damit auch in der Bevölkerung Vertrauen in die Sicherheitsvorkehrungen herstellen. Das geht eben nicht mit laxer Kontrolle.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir dann noch sehen, dass die Mitarbeiter in der Kontrolle doppelt so viele Anlagen betreuen müssen wie in anderen Bundesländern, wird zusätzlich deutlich, wie problematisch die ganze Angelegenheit ist.

In der Stellungnahme zu dem Antrag wird auch auf die zunehmende Bedeutung der bio- und gentechnischen Verfahren in den industriellen Fertigungsprozessen, also der so genannten grauen Gentechnologie, hingewiesen. Da gibt es in der Tat sehr interessante Entwicklungen. Genau das ist ja auch ein großer Teil der Forschung, die in unserem Bundesland stattfindet. Gerade weil dieser Bereich der grauen Gentechnik an Bedeutung gewinnt, muss die Kontrolle ausgedehnt werden. Die Kontrollmöglichkeiten müssen deutlich ausgebaut werden – nicht unbedingt in dem Sinne, dass mehr Kontrollverfahren stattfinden, aber in dem Sinne, dass ausreichend Personal vorhanden ist, damit die Kontrolle und die Bewertung der Verfahren überhaupt stattfinden können. Genau das passiert nur völlig unzureichend.

Wir können von dieser Stelle aus nur sagen: Bauen Sie die Kontrolle ordentlich aus! Tun Sie etwas dafür, dass die Risikominimierung auf dieser Seite stattfindet! Dann kann man auf jeden Fall an vielen Stellen weiterdiskutieren. Aber es muss eben etwas geschehen. Es darf nicht in dieser Form stehen bleiben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: So ist es!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute zwei Anträge der CDU-Fraktion zum Thema Gentechnik. Mir hat sich bei der Lektüre der Anträge nicht erschlossen, warum wir diese überhaupt diskutieren.

Eines der gerade vorgetragenen Argumente war, es solle dokumentiert werden, dass die kurzen Genehmigungszeiten in Baden-Württemberg ein Standortvorteil seien, Herr Kollege Klenk.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Aber leider haben Sie in Ihrem Antrag nicht nach den Genehmigungszeiten gefragt. Dazu ist in der Stellungnahme auch nichts ausgeführt. Dazu steht kein Wort drin. Wenn Sie das wissen wollen, dann müssen Sie auch danach fragen. Dann können wir uns darüber unterhalten.

(Zuruf des Abg. Klenk CDU – Abg. Pfisterer CDU: Das weiß man!)

Aber mangels Informationen kann ich dazu überhaupt nicht sprechen.

Richtig ist auch – darauf hat Frau Kollegin Schmidt-Kühner hingewiesen –, dass die einzigen Zahlen, die Sie abgefragt haben, leider ziemlich schlecht ausfallen.

(Abg. Capezzuto SPD: Auch noch?)

Denn es ist eben so: In Nordrhein-Westfalen gibt es 45 Anlagen pro Mitarbeiter in den Genehmigungs- und Überwachungsbehörden,

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

in Bayern 48, in Hessen 66, und in Baden-Württemberg sind es 90 Anlagen je Mitarbeiter. Das heißt, Sie haben nur halb so viele Leute für Kontrolle und Überwachung wie die anderen Bundesländer, die in der Gentechnik auch gut dastehen.

Jetzt könnten Sie sagen: „Unsere Leute arbeiten doppelt so effizient, und deswegen machen sie es doppelt so gut.“ Aber Sie haben ja dummerweise noch eine zweite Frage gestellt, nämlich die Frage, wie sich das auf die Kontrollintensität auswirkt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, darf ich um Ruhe bitten.

Dazu zeigt die Stellungnahme Ihrer eigenen Landesregierung: Weil Sie weniger Mitarbeiter haben, wird seltener kontrolliert. Das heißt, die baden-württembergischen Mitarbeiter in der Kontrolle arbeiten nicht effizienter, sondern sie arbeiten weniger sicher. Ihr Antrag zeigt eigentlich überhaupt nicht, dass bei uns im Land die Genehmigung schneller geht. Er zeigt nur, dass Sie lax kontrollieren. Jetzt frage ich Sie als Antragsteller: Warum stellen Sie solche Anträge? Wollen Sie sich selbst blamieren? Wozu ist diese Debatte gut? Ich kann das nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Punkt, den Sie thematisieren: Es scheint ja so zu sein, als wollten Sie demnächst die Imagekampagne des Landes Baden-Württemberg noch mit irgendwelchen Bildern von gentechnisch veränderten Tomaten und Apfelsinen, die in Zukunft bei uns wachsen, anreichern. Das scheint der Sinn zu sein.

(Zurufe von der SPD)

Sie wollen die Bevölkerung von ihren „völlig ungerechtfertigten Ängsten“, was Gentechnik angeht, befreien. In der Stellungnahme zu dem Antrag kommen wunderbare Ausführungen über die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie. Herr Schebesta, Sie haben es breit ausgeführt. Sie gehören offenbar auch zu den Rechtgläubigen,

(Abg. Scheuermann CDU: Er hat doch überhaupt nicht geredet!)

die so etwas Ähnliches tun wie Ikonen an die Wand zu pflastern, was die Gentechnik alles an Gutem für die Welt bringen kann.

(Zuruf des Abg. Schebesta CDU)

Nur sind Sie da halt leider radikal in der Minderheit. Sie haben noch weniger Befürworter für Ihre Position als die Grünen Stimmen in diesem Parlament. Das ist halt leider recht wenig; das weiß ich aus Erfahrung. Also warum, bitte schön, machen Sie sich mit einer so großen Fraktion die Mühe, ein solches Minderheitenthema, nämlich die Heilsversprechen der Gentechnik, zu besetzen? Auch das erschließt sich mir überhaupt nicht.

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU – Unruhe)

Vielleicht ist es einfach so, dass die 80 bis 85 % der Leute, die wie ich einfach eine wohlschmeckende Tomate aus dem Remstal irgendeiner genmanipulierten vorziehen, Recht haben. Weshalb müssen Sie die jetzt noch ständig mit Ihrem Quatsch behelligen?