Protocol of the Session on March 10, 2004

sammenlegen und den ganzen Mittelbau ausdünnen. Wir führen ein Projekt durch, das sich NSI nennt oder NSI nannte,

(Zuruf von der SPD: Wir nicht!)

bei dem wir durch die Einführung betriebswirtschaftlicher Steuerungssysteme Anleihen in der freien Wirtschaft machen, was den Ablauf angeht. Aber wir sind nicht bereit, die sich aus der Zusammenlegung von öffentlichem und nichtöffentlichem Bereich des Datenschutzes ergebenden Effizienzreserven zu nutzen. Da wären nämlich die Stellen versteckt, die man nutzen könnte, um die Beratungstätigkeit im Bereich des Datenschutzes auszuweiten.

Auch der Datenschutzbericht selbst geht ja auf die Punkte Verwaltungsreform und NSI ein. Lieber Kollege Lasotta, es ist sehr schön, dass die CDU-Fraktion hinter der Meinung des Innenministers steht. Aber ich hatte im letzten Jahr den Eindruck gewonnen, dass wir der Sache relativ offen gegenüberstehen. Ich finde es schade, wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt – eigentlich sollte es umgekehrt sein. Sie persönlich waren dahin gehend schon einmal weiter, und auch Herr Kollege Theurer war schon weiter. Jetzt gehen Sie zurück in die Deckung, was ich aus meiner Perspektive nicht nachvollziehen kann.

(Zuruf des Ministers Dr. Repnik)

Die Effizienzreserven und Effizienzrenditen, die man erwirtschaften will, hinter verfassungsrechtlichen Bedenken zu verstecken ist für uns eher Ausdruck dessen, dass man in diesem Bereich alles so belassen will, wie es bisher war. Für mich steht außer Frage, dass eine Grundforderung angesichts des Ziels der Effizienzrendite sein müsste, einen vorauslaufenden, vorausschauenden Datenschutz zu entwickeln statt eines nachlaufenden.

Ich darf daran erinnern, dass uns in einer Sitzung des Unterausschusses Neue Steuerungsinstrumente 15 Konzepte zur Umsetzung des Datenschutzes dargestellt wurden. Dort hieß es, alles sei „in trockenen Tüchern“. De facto ist es allerdings so, dass es in der konkreten Aushandlung nicht möglich war, datenschutzrelevante Änderungen auch durchzuführen: zum einen, weil das Geld nicht vorhanden war, um die Programme zu ändern, und zum anderen, weil im Bereich NSI keine Haushaltsstelle für solche Änderungen vorgesehen war. Hätte man vorausschauend gearbeitet und nicht versucht, im Nachhinein zu reparieren, wäre uns einiges erspart geblieben.

Im Bereich der Verwaltungsreform sehe ich ähnliche Schwierigkeiten. Es existieren unterschiedliche Softwarefamilien. Wir haben unterschiedliche Verwaltungszuständigkeiten. Bei den Kompetenzzentren bekommen wir große Probleme, wenn sich der jeweils betreffende Sachbearbeiter auch nur mit den jeweils personenbezogenen Daten befassen soll. Es kann nicht sein, dass sich in der Landesverwaltung dann jeder mit jedem beschäftigt. Wir werden Probleme bekommen, die weit über die, die wir bereits aus der Agenda von NSI kennen, hinausgehen.

Hier würde die Zusammenlegung beider Bereiche für uns einen Effizienzgewinn bedeuten, weil man mit gleichen technischen Mitteln arbeitet und sich die Gesetze nicht sehr

stark voneinander unterscheiden. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht niemals ausgeschlossen, dass man diese Bereiche zusammenlegen kann.

Bei den Anforderungen eines schnelleren, effizienteren und handlungsfähigeren Staates braucht man auch einen schnellen, effizienten und handlungsfähigen Datenschutz. Wir haben die Möglichkeit, diesen zu schaffen und ihn relativ einfach umzusetzen. Deshalb bin ich auch dem Kollegen Oelmayer dankbar, der über den Umweg einer Anhörung versucht hat, der Realität Rechnung zu tragen. Die von ihm beantragte Anhörung wurde von den regierungstragenden Fraktionen leider abgelehnt. Dem Änderungsantrag, der heute vorliegt, wird die SPD-Fraktion zustimmen, weil er folgerichtig, zwingend und logisch ist.

Unser Dank gilt nochmals dem Herrn Datenschutzbeauftragten. Wir werden Sie, Herr Zimmermann, auf dem Weg, dem Datenschutz in Baden-Württemberg einen höheren Rang einzuräumen, weiterhin begleiten.

Die Kollegen von der FDP/DVP und von der CDU fordere ich auf, mit der Zeit zu gehen, bevor uns die EU-Richtlinie – zu der noch ein Verfahren anhängig ist – wiederum dazu zwingt, der Zeit hinterherzulaufen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Oelmayer GRÜ- NE)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die FDP/DVP hat der Datenschutz eine sehr wichtige Funktion. Nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das seinerzeit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung formulierte, sondern auch das jetzige Verfassungsgerichtsurteil zum großen Lauschangriff hat zutage gebracht, dass das Recht auf Schutz der Privat- und Intimsphäre ein sehr hohes Gut in unserer Demokratie darstellt. Nicht alles ist erlaubt, auch nicht vonseiten des Staates, sondern es gibt irgendwo eine Grenze, weil es auch um Menschenwürde geht.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Wenn man die Berichte des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg aufmerksam liest, kann man feststellen, dass der Datenschutz innerhalb der Behörden mittlerweile einen hohen Stellenwert hat und dass die Diskussionen, die bei der Einführung immer wieder aufkamen – dass der Datenschutz nur eine Behinderung der behördlichen Arbeit sei –, inzwischen überwunden sind. Auf Datenschutz wird im Großen und Ganzen hohen Wert gelegt. Das halte ich auch für richtig. Damit zeigt sich, dass die Institution des Datenschutzbeauftragten eine sehr wichtige Rolle übernommen hat und dass dessen Tätigkeit von Erfolg gekrönt war.

Dass es trotzdem im öffentlichen Bereich immer wieder einige Verstöße gibt, zeigt aber auch, dass man in dieser Wächterfunktion des Datenschutzes nicht nachlassen darf. Wie tief greifend Verstöße sein können, sieht man daran,

dass durch technische Möglichkeiten und durch entsprechende Nachlässigkeit etwa in der Krankenversorgung, im Gesundheitswesen in die Privatsphäre von Menschen eingegriffen wird. Ich denke, das ist ein Beispiel, bei dem jedem sofort einleuchtet, dass mit Daten nicht schludrig umgegangen werden darf. Wenn es um die Gesundheit von Menschen geht, so hat jeder Mensch ein Anrecht darauf, dass die entsprechenden Daten nicht einfach weitergegeben werden, sodass sich andere daraus Persönlichkeitsbilder erstellen können. Diesbezüglich ist gerade im Gesundheitswesen, aber auch bei der Videoüberwachung zunehmend Aufmerksamkeit erforderlich.

Wir sind der Auffassung, dass zur Kriminalprävention Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen möglich sein sollte. In dem Bericht ist die Vorgehensweise der Stadt Singen dargestellt worden. Wir sind aber der Auffassung – ich denke, das ist entscheidend –, dass es klare Vorgaben geben muss, wann Videoüberwachungsanlagen überhaupt eingerichtet werden dürfen und wann die Daten gelöscht werden müssen. Der Staat muss also, wenn er Videobilder von Menschen macht, begründen, warum er die Aufnahmen unbedingt braucht. Dazu sind im Datenschutzbericht einige klare Worte ausgeführt. Ich denke, diesbezügliche Missstände müssen beseitigt werden.

Sehr kritisch sehen wir auch die starke Zunahme der Zahl der Telefonüberwachungen. Auch hierbei muss man sich fragen, ob dieses doch sehr weit gehende Mittel, dass man in private Telefongespräche hineinhört, nicht etwas zu lax angewendet wird. Auch hierzu hat der Datenschutzbeauftragte einige kritische Worte gefunden. Ich denke, das sollte die betroffenen Stellen dazu bewegen, doch noch einmal kritisch zu überprüfen, ob man diese Telefonüberwachungen auch tatsächlich braucht. Genau das ist die Aufgabe des Datenschutzes, hinter der die FDP/DVP-Fraktion voll steht.

Im Bereich der Justiz gab es einige kritische Anmerkungen zum Strafvollzug. Ich finde es positiv, dass das Justizministerium mit Ausnahme eines Falles wohl weitgehend dabei ist, die beanstandeten Dinge abzustellen, weil natürlich auch Insassen von Strafvollzugsanstalten ein Anrecht darauf haben, dass persönliche Daten nicht frei verfügbar sind und dass auch dort noch ein gewisses Maß an Privatsphäre geschützt ist.

Die Frage der Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz wird von uns in der FDP/DVP-Fraktion in der Richtung verfolgt, dass wir durchaus gute Argumente für eine Zusammenlegung des öffentlichen und des privaten Datenschutzes sehen. Wir sehen aber auch die damit verbundenen rechtlichen Probleme. Die institutionelle und formelle Unabhängigkeit sind die dazu notwendigen Stichworte. Uns reicht die formelle Unabhängigkeit nicht aus.

Es wird schnell deutlich, dass bei einer Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz folgendes Problem besteht: Wenn jemand gegen den Datenschutz im privaten Bereich verstößt, muss ein Bußgeld verhängt werden. Dann geht das in den Vollzugsbereich hinein. Es muss auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten. Damit haben wir bei einer Zusammenlegung das Problem, dass der Datenschutzbeauftragte, der ja im öffentlichen Bereich dem Parlament zugeordnet ist, in den Bereich der

Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten hineinkommt. Diese Fragen sind letztlich noch nicht geklärt. Wir meinen aber, sie wären lösbar, wenn der gemeinsame politische Wille dazu vorhanden wäre.

Im Moment bestehen beim Koalitionspartner diesbezüglich noch große Bedenken. Wir hoffen, dass wir uns in der Koalition auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Dann wäre die FDP/DVP-Fraktion auch bereit, diese Zusammenlegung mitzutragen. Wir wollen diese Zusammenlegung. Wir meinen, dass die vorgetragenen Vorbehalte ausgeräumt werden können. Wir sind aber – das gebe ich offen zu – in der Koalition noch nicht so weit, dass wir das Ganze zu Ende bringen können.

(Beifall der Abg. Pfister FDP/DVP und Fleischer CDU – Abg. Fleischer CDU: Ernst, ich habe dich unterstützt!)

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

(Abg. Oelmayer GRÜNE geht mit einem Stapel Unterlagen zum Rednerpult. – Abg. Kübler CDU: Oje, das sieht nach viel aus!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 24. Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzbeauftragten gibt durchaus Anlass, das Thema Datenschutz in Baden-Württemberg nochmals von einigen grundsätzlichen Seiten her zu beleuchten.

Es ist, Kollege Lasotta, aus Sicht der Fraktion GRÜNE nicht so, dass wir davon ausgehen könnten, dass in BadenWürttemberg gerade im öffentlichen Bereich und auch in den Ministerien in jedem Fall die notwendige Sensibilität besteht, was den Datenschutz anbelangt. Ansonsten würde der Datenschutzbericht nicht wieder 140 Seiten umfassen und nicht auch wieder sehr viele Einzelfälle dartun, die meines Erachtens belegen, dass es mit der Sensibilität noch nicht so weit her ist, wie es notwendig wäre.

Der Datenschutzbeauftragte leitet seinen Bericht ein, indem er sagt, 20 Jahre seien im Prinzip ein Jubiläum für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht und nicht von der Politik geschaffen worden ist. Es ist auf der Basis eines Volkszählungsgesetzes entstanden, das damals klar für verfassungswidrig erklärt worden ist, weil zu viele persönliche Daten in zu vielen Kanälen verschwunden wären.

Ich möchte das nun für mich resümieren und versuchen, den Datenschutzbericht nur an wenigen Punkten noch einmal mit Ihnen durchzugehen, zum Beispiel im Bereich der öffentlichen Sicherheit und der Justiz.

Ich beginne einmal bei der Justiz. Beim Justizministerium, das geradezu dafür prädestiniert sein müsste, mit den Themen des Datenschutzes ganz sorgsam umzugehen, wundert es mich schon, wenn ich im Bericht des Datenschutzbeauftragten lese, dass bei manchen Punkten – wie zum Beispiel bei der Erfassung von Daten für das elektronische Grundbuch, die in Rumänien erfolgen soll – vonseiten des Justizministeriums der Datenschutz nicht schon von sich aus als

Thema erkannt wird oder dass man nicht wenigstens einmal beim Datenschutzbeauftragten anfragt, um die Problematik zu erkennen, die eigentlich auf der Hand liegt, wenn man Zigtausende von Daten von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes nach außerhalb der EU transportiert. Dass man diese Sensibilität vom Justizministerium eigentlich hätte erwarten müssen, das leuchtet ein und zeigt: Das ist eines der Beispiele, bei denen wir sehen, dass der Datenschutz – jedenfalls bei den zuständigen Ministerien – noch gar nicht so sehr wahrgenommen wird, wie es aus unserer Sicht sein müsste.

Ein weiterer Punkt wurde schon genannt: das Thema Kriminalitätsbrennpunkt. Man kann nun wirklich darüber streiten – wir haben das ja hier im Landtag bei der Verabschiedung der Reform des Polizeigesetzes getan –, ob wir in BadenWürttemberg in Städten wie Singen oder in Zukunft vielleicht auch noch in kleineren Kommunen dieses Landes tatsächlich Videoüberwachung zur Herstellung oder zur Bewahrung der Sicherheit für die Menschen brauchen. Wir als Grünen-Fraktion waren damals der Auffassung, dass wir das nicht brauchen. Aber unabhängig davon gilt: Wenn Sie so etwas in Gesetzesform gießen, muss es so praktikabel sein, dass es hinterher auch von den entsprechenden Behörden umgesetzt werden kann.

Das Beispiel aus Singen, das uns der Datenschutzbeauftragte schildert, zeigt, dass die Definition des Kriminalitätsbrennpunkts nach dem Gesetz nicht als so messerscharf gelungen angesehen werden kann. Vielmehr obliegt es dann den einzelnen Behörden vor Ort, diese Qualifikation vorzunehmen. Das führt nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten eigentlich klar zu einer fehlerhaften Anwendung der Videoüberwachung. Das muss schon einmal gesagt werden. Hier tragen wir als Grünen-Fraktion die Auffassung des Datenschutzbeauftragten mit und wollen der Auffassung des Innenministeriums an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich widersprochen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ein weiterer Punkt, den ich noch benennen möchte und den ich in Debatten hier auch immer wieder schon angeführt habe, ist das Thema der Rasterfahndung. Auch hierzu zeigt der Bericht des Datenschutzbeauftragten, dass wir solche einschneidenden Maßnahmen für die nahezu 600 000 Menschen, wenn ich es richtig im Kopf habe, deren Daten nach dem 11. September 2001 in Baden-Württemberg im Rahmen der Rasterfahndung erfasst worden sind, die letztendlich aber ohne Ergebnis geblieben sind – –

(Abg. Blenke CDU: Das haben wir ja vorher nicht wissen können!)

Das legt nahe, dass wir in Zukunft sehr wohl überlegen müssen, ob wir eine so umfassende Rasterung von Menschen in unserem Land auch weiterhin einsetzen wollen.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Ich komme demnächst zum Ende, Frau Präsidentin. – Darüber müssen wir beim nächsten Mal im Parlament intensiv diskutieren, denke ich.

(Abg. Blenke CDU: Das konnten wir doch vorher nicht wissen!)

Auch hier liefert der Datenschutzbericht eine umfassende und, wie ich meine, gründliche Analyse, die der Landtag dann auch zur Kenntnis nehmen sollte.

Ich will zum Schluss noch ganz kurz in zwei Sätzen unseren Antrag begründen, den ich hier noch einmal eingebracht habe. Wir haben gesagt, wir wollen von dem Bericht des Datenschutzbeauftragten z u s t i m m e n d Kenntnis nehmen, und zwar einfach deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass die Arbeit, die der Datenschutzbeauftragte mit seinem Amt leistet, eine sehr wertvolle und für die Sensibilisierung des Datenschutzes in Baden-Württemberg wichtige Arbeit darstellt. Deswegen wollen wir zustimmende Kenntnisnahme. Im Ausschuss hat es dazu eine knappe Entscheidung gegeben. Vielleicht wird die Entscheidung dieses Mal weniger knapp, und Sie stimmen dem Antrag zu.

Zweitens, Kollege Theurer – damit komme ich zum Schluss –, noch ein Wort zum Thema Expertenanhörung. Ich habe heute kurz vor der Sitzung Berichte über verschiedene Anhörungen auf den Tisch bekommen. Kollege Theurer, hören Sie gut zu: Die Fragen, die Sie gestellt haben, sind im Prinzip Fragen, die wir im Rahmen einer Expertenanhörung gemeinsam diskutieren sollten.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Wir sollten darüber diskutieren, ob es nicht Sinn macht, den öffentlichen und den nichtöffentlichen Datenschutz hier in Baden-Württemberg zusammenzufassen.