Protocol of the Session on February 4, 2004

etwa 250 Millionen €, die uns für konkrete Angebotsverbesserungen fehlen.

Zweiter Vorschlag: effizientere Leistungsbestellung. Meine Damen und Herren, es war richtig, für den Integralen Taktfahrplan auf die Angebotsorientierung zu setzen, das heißt, Taktfahrpläne überhaupt erst einzuführen. Aber auch heute muss man feststellen, dass das Konzept nicht überall aufgegangen ist. Wir fahren auf der einen Seite heiße Luft durch die Gegend, und auf der anderen Seite werden sehr notwendige Fahrten nicht durchgeführt. Hier muss man genauer hinschauen und das Geld richtig einsetzen.

Dritter Punkt: effizienter Infrastrukturausbau. Meine Damen und Herren, wenn die GVFG-Mittel schon gekürzt werden – das Notwendige zur Auswirkung der Kürzung hat die Kollegin Schmidt-Kühner gesagt: sie benachteiligt den

ländlichen Raum und kleine Maßnahmen, sie verhindert weitere Verbesserungen insbesondere im Stadtbahnbereich –, ist es notwendig, dass wir genauer hinsehen, welche Maßnahmen gefördert werden.

Meine Damen und Herren, wenn die Stadt Stuttgart für die Tieferlegung von Straßenbahnen, für das Verbuddeln von vorhandenen Straßenbahnsystemen in Teilorten wie Zuffenhausen und Stammheim weiterhin dreistellige Millionenbeträge investieren will, ist das eine Verschwendung von Geld; denn mit demselben Geld könnte sie an anderer Stelle wesentlich mehr erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dem Klatschen aus Baden füge ich hinzu: Es geht auch um solche Prestigeprojekte wie die U-Strab in Karlsruhe, welche für den Nutzen, den sie erzielt, ebenfalls zu teuer ist. Es gibt positive Gegenbeispiele mit lediglich 30 Millionen €, also einem Bruchteil des in Karlsruhe veranschlagten Betrags. Mit 500 Millionen € könnte es zum Beispiel gelingen, die Strohgäubahn zu sanieren, wesentlich attraktiver zu gestalten und in das Stuttgarter Stadtbahnnetz einzubinden. Solche Maßnahmen müssen in Zukunft im Mittelpunkt der Förderung stehen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir müssen auch – damit komme ich zum Schluss, meine Damen und Herren – Zugangshemmnisse für den öffentlichen Verkehr abbauen. Dort, wo es nichts kostet, müssen jetzt Maßnahmen ergriffen werden. Der Flickenteppich der 18 Kleinstverbünde im Land schreckt die Leute von der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ab. Eine Verbesserung kostet nichts, die Durchlässigkeit muss geschaffen werden. Deswegen haben wir vor drei Monaten beantragt, die Verbundförderung so umzustellen, dass der Zusammenschluss von Verkehrsverbünden zu größeren Einheiten belohnt wird. Wir wollen auf diese Weise mit dem goldenen Zügel steuern.

Wir freuen uns sehr, dass Herr Kollege Scheuermann, wie Herr Schebesta hier ausgeführt hat, in der letzten Woche angekündigt hat, dass unser Antrag, den die Landesregierung damals in Bausch und Bogen abgelehnt hat, jetzt Ihre Unterstützung findet und in Form eines interfraktionellen Antrags aufgegriffen wird. Ich hoffe sehr, dass Sie unsere Vorschläge in diesem Sinne künftig konstruktiver aufnehmen und nicht, wie es bei diesem Beispiel leider der Fall war, in Bausch und Bogen verwerfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Mappus.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ÖPNV in Baden-Württemberg ist deshalb zu einem Erfolgsmodell geworden, weil wir in den vergangenen Jahren einige Faktoren – auch gesetzlicher Art – hatten, die es uns ermöglicht haben, die Projekte voranzutreiben. Ich nenne das Landesgesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Perso

nennahverkehrs, die Bahnstrukturreform und natürlich vor allem die Regionalisierung im SPNV. Vor diesem Hintergrund muss klar gesagt werden, dass das Land Baden-Württemberg vor zehn Jahren maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Bahnstrukturreform mit neuen Handlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten der Länder für den ÖPNV verknüpft wird.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Aktuell hingegen, Herr Kollege Palmer, legen uns die Kürzungspläne ausgerechnet einer rot-grünen Bundesregierung im ÖPNV-Bereich Probleme auf, mit denen wir vorher nie gerechnet hätten.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Haben Sie mit Herrn Koch gesprochen?)

Immer ganz ruhig bleiben! Ich sage Ihnen jetzt gern Zahl um Zahl, wie die Lage aussieht.

Meine Damen und Herren, seit acht Jahren ist das ÖPNVGesetz in Kraft. Wir haben zunächst aus dem ÖPNV in Baden-Württemberg eine Marke gemacht; der 3-Löwen-Takt läuft als Marke und hervorragend. Ich sage aber auch: Dies alles ist mit Sicherheit kein Grund, die Hände zufrieden in den Schoß zu legen; denn es gibt noch eine ganze Menge zu tun.

Zunächst einmal ist zu fragen: Was haben wir in den letzten acht Jahren erreicht? Wir haben deutlich mehr Verkehr auf der Schiene, als es zuvor der Fall war. Wir haben es mit der Fortschreibung der gleichen Fördermittel geschafft, 46 % mehr Passagiere auf die Schiene und in die Busse zu bekommen, als dies zuvor der Fall war. Klar ist aber auch – damit komme ich zu einem Kardinalproblem, das ich nachher noch ausführlich ansprechen möchte –, dass wir in der Zwischenzeit Betriebskostenzuschüsse im SPNV von jährlich 550 Millionen € haben.

Die Liste der erfolgreichen SPNV-Projekte ist vor allem im ländlichen Raum lang. Ich nenne die Rhein-Neckar-S-Bahn mit Start im Dezember des letzten Jahres, die im Übrigen – das ist nicht überall so –, vor allem mit Blick darauf, dass sie frisch angelaufen ist, eine außerordentlich hohe Pünktlichkeit aufweist.

(Zuruf: Aber Mannheim zu einem ländlichen Raum zu machen ist ein bisschen frech!)

Wir haben ein neues SPNV-Konzept im Raum Ulm mit Stärkung der Brenz- und der Südbahn – ländlicher Raum. Wir haben die Stadtbahn Karlsruhe–Eppingen–Heilbronn, die demnächst bis nach Öhringen fährt – ländlicher Raum. Wir haben die Stadtbahn im Enztal – ländlicher Raum. Wir haben die Stadtbahn im Murgtal – ländlicher Raum. Wir haben die Breisgau-S-Bahn im Großraum Freiburg – ländlicher Raum.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Wir haben die Ortenau-S-Bahn – ländlicher Raum. Und seit September 2003 haben wir endlich auch den lang geplanten, mit großen Problemen behafteten Ringzug – gleichfalls ländlicher Raum.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

(Staatssekretär Mappus)

Deshalb, meine Damen und Herren: Es ist billig, davon zu reden, wir würden jetzt im ländlichen Raum einen großen Kahlschlag vornehmen. Das ist unsachlich und unwahr. Das möchte ich an dieser Stelle einmal in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Göschel SPD: Aber wer hat es be- zahlt?)

Aktuell haben wir die Zuschlagserteilung für die neue Schwarzwaldbahn – schwerpunktmäßig bekanntermaßen auch im ländlichen Raum – und den Seehas auf der Strecke Konstanz–Engen. Dort werden die Fahrgäste ab Ende 2006 mit fabrikneuen, vollklimatisierten Fahrzeugen verwöhnt. Darüber hinaus spart das Land im Vergleich zu heute aufgrund der Ausschreibung eine ganze Menge Geld, meine Damen und Herren. Auftragnehmer ist übrigens schwerpunktmäßig, Herr Kollege Palmer, die DB Regio AG.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Ein zweiter Punkt: Wir haben gewaltige Verbesserungen bei der Infrastruktur und den Fahrzeugen im ÖPNV erzielt. Wir haben seit 1996 für Infrastrukturvorhaben Zuschüsse in Höhe von 1,2 Milliarden € gewährt. Wir haben 840 Millionen € nur für nagelneues Wagenmaterial auf der Schiene und auf der Straße – sprich auch für Busse – ausgegeben, sodass in den vergangenen acht Jahren auch gewaltige Fortschritte hinsichtlich der Qualität erzielt wurden – wohlgemerkt immer für die Fortschreibung, mit dem gleichen Geld, das zuvor vom Bund direkt ausgegeben wurde.

Dritter Punkt: Wir haben die ÖPNV-Angebote gerade auch im ländlichen Raum integriert. 92 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg sind direkt in den Integralen Taktfahrplan eingebunden; das gilt schwerpunktmäßig eben gerade für den ländlichen Raum. 89 % aller Bürger sind in tarifäre, gute Angebote eingebunden.

Vier Landkreise haben noch keine Vollverbundtarifstruktur; alle anderen Landkreise haben sie. Auch diese weißen Flecken werden in absehbarer Zeit weitgehend verschwinden.

Jetzt, meine Damen und Herren, komme ich auf die Herausforderungen der Zukunft zu sprechen. Dabei geht es schlicht und ergreifend ums Geld.

Die Mittelsituation hat sich deutlich verschärft.

(Abg. Hauk CDU: Herr Staatssekretär, das hat ja auch Gründe!)

Ganz genau. Das hat ganz gewaltige Gründe, auf die ich jetzt zu sprechen komme.

(Abg. Hauk CDU: Das haben Herr Palmer und Frau Schmidt-Kühner vergessen! – Gegenruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Die Angebotserweiterungen im SPNV, meine Damen und Herren, binden – das ist die Kehrseite der Medaille; das wissen Sie auch – ein hohes Maß der verfügbaren Mittel in Betriebskosten. Das heißt, die Luft für investive Maßnahmen – das ist auch völlig logisch – wird immer dünner. Genau in dieser Phase, meine Damen und Herren, haben wir

einen Rückgang der ÖPNV-Mittel, den ich Ihnen jetzt in aller Offenheit auch einmal darlegen will.

Völlig unbestritten sind die Zwänge zu Einsparungen im Landeshaushalt. Sie wirken sich mittlerweile auch zulasten des ÖPNV aus. Wir haben eine Kürzung der GVFG-Komplementärmittel für den ÖPNV-Bereich ab 2004 um 30 Millionen €.

Aber jetzt kommt das, was Sie großzügigerweise alles vergessen haben oder was Sie – sagen wir im Zweifel einmal nicht „vergessen“ – einfach haben unter den Tisch fallen lassen.

Die Länder, meine Damen und Herren, haben mit der Revision der Regionalisierungsmittel im Jahr 2002 die Verantwortung für die früheren Interregioverkehre der DB AG übernehmen müssen. Dabei wurde groß gesagt, das bringe jährlich 100 Millionen € zusätzliche Mittel vom Bund. Stimmt, aber für alle Länder! Das deckt noch nicht einmal die Betriebskosten. Wir haben für den investiven Bereich keinen Cent bekommen. Das heißt, auf all den Strecken, auf denen wir die Interregioverkehre fahren, brauchen wir zunächst einmal das Material – nagelneu –, weil die Deutsche Bahn AG das Material aus dem Fernverkehr freundlicherweise gleich mit abkassiert hat. Das bedeutet im Moment, dass wir nur durch Interregioverkehre allein im Jahr 2004 eine Mehrbelastung von 16,5 Millionen € haben. Das ist eine Tatsache. Die haben Sie großzügigerweise nicht erwähnt.

Hinzu kommt die Kürzung der Regionalisierungsmittel im Zuge des Vermittlungsverfahrens zur Steuerreform. Sie erinnern sich: Thema Telefonhäuschen, Drexler, die Frage „einmal jährlich oder mehrmals jährlich?“

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es ist einmal!)

Inzwischen wissen wir: einmalig. Aber allein in diesem Jahr 2004 15 Millionen €. Das ist so.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die GVFG-Mittel wurden bundesweit dauerhaft um 10 Millionen € pro Jahr gekürzt – nicht beschlossen vom Landtag von Baden-Württemberg, sondern von der Bundesregierung. Diese Maßnahme wirkt sich bei uns wiederum mit 1,5 Millionen € aus.

Jetzt kommt das, was im Moment besonders viel Ärger macht. Deshalb – in aller Offenheit – finde ich den Brief der SPD-Fraktion an die Damen und Herren Bürgermeister in diesem Land – nachdem wir heute so viel von Redlichkeit geredet haben, darf ich diesen Begriff auch verwenden – schlicht und ergreifend unredlich.