Protocol of the Session on January 30, 2004

Ja, bitte schön.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wird auf seine Redezeit angerechnet!)

Bitte schön, Herr Palmer.

Herr Minister, trifft es zu, dass im kommunalen Straßenbau die Fördersätze unverändert bleiben – 70 % –, während sie beim öffentlichen Personennahverkehr deutlich abgesenkt werden, und dass, was den von Ihnen angesprochenen Selbstbehalt angeht, auch beim öffentlichen Personennahverkehr eine Veränderung stattfindet, die im Ergebnis ungefähr die gleichen Effekte hat wie beim kommunalen Straßenbau, sodass hier insgesamt eine deutliche Ungleichbehandlung festzustellen ist?

Sie haben gestern das System verstanden,

(Heiterkeit der Abg. Boris Palmer und Brigitte Lösch GRÜNE)

und jetzt tun Sie so, als würden Sie es nicht verstehen. Der Selbstbehalt im ÖPNV liegt bei exakt 100 000 €, egal, ob die Maßnahme 5 Millionen €, 10 Millionen € oder was auch immer kostet.

(Abg. Göschel SPD: Oder 500 000 €!)

Der Selbstbehalt im Straßenbau ist differenziert und kann dazu führen, dass beispielsweise ein kleines Projekt einer größeren Kommune entweder überhaupt keinen Zuschuss mehr bekommt oder einen von 200 000 € oder von 300 000 €. Das heißt, der Selbstbehalt kann bis zu 80 % gehen.

(Minister Müller)

Wir haben versucht, in diesen Förderrichtlinien zwei Dinge miteinander zu kombinieren. Wir wollten von der Förderung kleiner Maßnahmen wegkommen und dabei die Kommunen im ländlichen Raum nicht benachteiligen. Deswegen haben wir einen Einwohnerschlüssel eingeführt. Das ist ein hoch differenziertes und intelligentes System. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Leider – ich brüste mich damit nicht – wird auch im Straßenbau gekürzt, differenzierter und intelligenter, als Sie es uns vielleicht zugetraut hätten.

Zu diesem Teil meiner Ausführungen will ich schließlich noch sagen, dass wir natürlich auch eine relativ hohe globale Minderausgabe zu erbringen haben. Ich bin kein Gegner von globalen Minderausgaben. In der Tat können wir quer durch das ganze Haus ein bisschen den Rasenmäher ansetzen. Bei der globalen Minderausgabe kann man das durchaus machen –

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Ein bisschen Rasenmäher ist auch Rasenmäher!)

wobei wir Randaufgaben zum Teil auch ganz abgeschnitten haben –, weil wir Flexibilität im Jahresverlauf haben.

Jetzt will ich zu einem größeren Brocken etwas sagen, der in der politischen Diskussion eine erhebliche Rolle spielt: das Thema ÖPNV, öffentlicher Personennahverkehr. Ich will einfach einmal eine simple These aufstellen: Die goldenen Zeiten des öffentlichen Personennahverkehrs sind vorbei. Der öffentliche Personennahverkehr kehrt in die Normalität der Politik und auch in die Normalität der Haushaltspolitik zurück. Er ist aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Wir haben keinen Sündenfall, aber wir haben die Vertreibung aus dem Paradies.

(Abg. Teßmer SPD: Waren wir denn da drin?)

So kann man die Situation etwa beschreiben. Auch nach Kürzungen in der Größenordnung von 53 Millionen € – davon nur ein Teil beim ÖPNV – haben wir jetzt noch 1,1 Milliarden € und damit mehr als 50 % unseres gesamten Haushalts für eine einzige Aufgabe; das ist der öffentliche Personennahverkehr. Trotzdem sind die goldenen Zeiten vorbei, in denen wir buchstäblich alles, was wir in den letzten Jahren an Anträgen bekommen haben und was über dem Nutzen-Kosten-Faktor von 1,0 lag, bezuschussen konnten. Die Sätze waren unglaublich hoch, sie lagen bei 85 %.

Das hat riesige Fortschritte erbracht.

(Abg. Fischer SPD: Die aber notwendig waren!)

Das hat den Fortschritt erbracht, dass wir in den letzten Jahren den Schienenpersonennahverkehr insgesamt um 46 % ausgeweitet haben. Das hat den Fortschritt gebracht, dass wir eine gewaltige Verbesserung der Qualität – damit meine ich beispielsweise Wagenmaterial, Taktverdichtung und dergleichen mehr – erreicht haben. Beispielsweise liegt das durchschnittliche Alter unserer Busse im öffentlichen Busverkehr bei drei bis vier Jahren. Es gibt überhaupt keine alten Busse mehr.

Um es konkret in Zahlen zu sagen: In den letzten fünf Jahren haben wir für die Infrastrukturförderung im öffentlichen

Personennahverkehr 760 Millionen € ausgegeben. Für das Wagenmaterial haben wir in fünf Jahren 610 Millionen € ausgegeben. Deswegen spreche ich von paradiesischen Zeiten.

Meine Damen und Herren, wenn jetzt gespart wird, dann gehe ich nicht in Sack und Asche. Es ist die größte Selbstverständlichkeit,

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

dass wir in einem Bereich, in dem wir diese Summen aufgebracht und diese Fortschritte erzielt haben, auch einen Beitrag leisten müssen. Wir können feststellen, dass wir in Verbindung mit einer klugen Konzeption einen Spitzenplatz im ÖPNV haben.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP – Zuruf der Abg. Regina Schmidt- Kühner SPD)

Die Frage ist: Warum muss jetzt gespart werden? Das kann ich Ihnen einfach beschreiben. Natürlich gibt es einen Konsolidierungsbeitrag im Landeshaushalt. Auch gibt es einen uns unfreiwillig auferlegten Konsolidierungsbeitrag seitens des Bundes. Ich meine nicht nur die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses. Beispielsweise denke ich ganz konkret daran, dass der Interregio, der bisher von der DB bezahlt worden ist, plötzlich zur Nahverkehrsaufgabe gemacht wird. Das kostet uns jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag.

Im investiven Bereich muss gespart werden, weil nach dem unglaublichen Anstieg und den tollen Verbesserungen, die wir erreicht haben, der konsumtive Teil des ÖPNV eine immer größere Rolle spielt; denn die Züge, die wir bestellt haben, fahren jetzt eben. Wenn sie fahren, kosten sie etwas. Deswegen haben wir nicht mehr so viel Geld für Investitionen zur Verfügung.

Deswegen will ich in aller Deutlichkeit sagen: Es gibt eine klare Trendwende, eine Kurswende. Ohne diese Wende geht es im ÖPNV nicht mehr. Sie betrifft nicht so sehr die Summen, sondern die Verteilung zwischen den investiven und konsumtiven Bereichen und die Spielregeln, nach denen in Zukunft Investives, aber auch Konsumtives noch gemacht werden kann.

Bei 85 % Zuschuss ist vieles wünschbar. Da wird auch vieles gewünscht. Da ist zu vieles wünschbar. Es ist sehr einfach, zu sagen: „Diese Aufgabe ist schrecklich wichtig“, wenn sie von einem anderen bezahlt wird. In dem Moment, in dem der Anteil dessen, was ich selber aufzubringen habe, ein bisschen höher wird, sagt man dann: „Das können wir leider nicht mehr machen.“ Meine Damen und Herren, ich will es einmal mit einer etwas flapsigen Bemerkung ausdrücken: In fremden Hosen ist gut stinken.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen – Abg. Göschel SPD: Das tut der ja ständig mit Bundesmitteln! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das fällt auf Sie zu- rück!)

Wenn wir die Fördersätze jetzt ein bisschen senken, dann werden wir eine realistischere Antragstellung bekommen,

(Minister Müller)

weil sozusagen nicht alles nur mit fremden Mitteln bezahlt wird.

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Dr. Caroli – Unruhe)

Wer in Zukunft Verbesserungen haben will, wird einen größeren Eigenbeitrag leisten müssen. Das gilt auch für den Straßenbau.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD – Abg. Göschel SPD: Zum Nachteil des ländlichen Raums! – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Jetzt kommt noch eine paradoxe Geschichte hinzu. Wir müssen schon sparen. Wenn wir dabei die Fördersätze nicht verändern würden, dann würde für die einzelnen Förderzwecke jeweils weniger Geld zur Verfügung stehen als vorher. Wenn ich aber spare und dabei die Fördersätze verändere, sodass ein anderer ein bisschen mehr mitfinanzieren muss, dann lasse ich im Prinzip das Volumen des Geldes, das für einen bestimmten Zweck zur Verfügung steht, unverändert. Wer also noch genauso viel will, muss die Sätze senken.

Wir haben bei der Änderung der Fördersätze auch an eine Fehlentwicklung gedacht, die wir bei dieser Gelegenheit korrigieren wollen – da sind auch noch ein paar andere Dinge –, nämlich dass wir sowohl beim ÖPNV als auch beim Straßenbau zu viel Geld für kleinere und Kleinstmaßnahmen ausgeben. Das ist nicht richtig. Wir wollen uns auf die verkehrlich wichtigen Dinge konzentrieren. Wir wollen uns auf die „Hilfsbedürftigkeit“ der einzelnen Kommunen konzentrieren. Wir wollen keine falschen Anreize setzen.

Auch das will ich Ihnen einmal deutlich machen. Bisher war es so, dass wir, wenn irgendein Förderprojekt – weil es nicht sorgfältig genug berechnet war – verteuert worden ist, bei der Verteuerung schlicht mitgezogen haben. Das heißt, wenn ein Projekt, sagen wir einmal, zehn Millionen kosten sollte, man sich aber verrechnet hatte und es dann zwölf Millionen kostete, dann haben wir statt 85 % der zehn Millionen eben 85 % von zwölf Millionen übernommen.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Dass dann nicht so genau gerechnet wird oder vielleicht auch einmal ein Projekt ein bisschen „günstiger gerechnet“ wird – in der Erwartung, dass man es bei einer Verteuerung ja sowieso bezuschusst bekommt –, halte ich für eine Fehlentwicklung, die wir bei dieser Gelegenheit korrigieren wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Sie mögen daran sehen, dass dies alles schon ein ziemlich intelligentes System ist, wobei ich nicht ausschließe, dass im Wege der Anhörung noch die eine oder andere Feinkorrektur zustande kommt.

Schlussbemerkung zum Thema ÖPNV: Im vergangenen Jahr haben wir ein paar größere Eier gelegt. Der Verkehrsvertrag ist der größte Vertrag, den das Land Baden-Württemberg je geschlossen hat. Ich glaube, es ist ein guter Vertrag.

Wir haben die Rhein-Neckar-S-Bahn installiert – mit einer tollen Konzeption und mit nicht wenig Geld.

Wenn ich einen Blick in die Zukunft werfe, muss ich bei der Frage, welche Züge wir noch bestellen könnten, auch fragen: Können wir es uns erlauben, auf bestimmten Strecken zu bestimmten Tageszeiten oder an bestimmten Wochentagen mehr oder weniger leere Fahrzeuge durch die Gegend fahren zu lassen? Wir müssen uns dieser Aufgabe zuwenden. Auch insofern muss ich sagen: Die goldenen Zeiten sind vorbei. Das ökonomische Denken wird innerhalb des ÖPNV eine größere Rolle spielen müssen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Meine Damen und Herren, ich habe dieses Beispiel erwähnt, um Ihnen eine Linie deutlich zu machen, die für unser Haus insgesamt kennzeichnend ist. Ich sage es einmal so: klare Handschrift, klares Konzept, wohl überlegt, eindeutig entscheidend, nicht ausweichend, nicht lavierend.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Jetzt sage ich ganz einfach: Welch ein Kontrastprogramm zu Berlin!