Protocol of the Session on December 18, 2003

Sie müssen einfach einmal akzeptieren, dass der Atomkonsens von den Energieversorgungsunternehmen und der Bundesregierung unterschrieben wurde. Es ist also kein Druck ausgeübt worden, wie Sie es immer darstellen,

(Abg. Wieser und Abg. Fleischer CDU: Nein, über- haupt nicht!)

und es ist auch nicht ausgemacht worden, dass es Programme zur Konversion geben muss,

(Abg. Wieser CDU: Das habt ihr gern gemacht! – Abg. Fleischer CDU: Das haben wir sogar ange- regt!)

sondern es ist unter bestimmten Randbedingungen freiwillig unterschrieben worden. Das müssen Sie endlich einmal akzeptieren. Die Energieversorger im Land sind bereits weiter und überlegen, wie sie zukünftig ihre Energiestandorte sichern. Sie hingegen sagen immer noch: Wir wollen weiterhin nicht abschalten oder sogar neue Kernkraftwerke bauen.

Die EnBW hat die Weichen bereits gestellt; denn die EnBW wird alle Kernkraftwerke in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenfassen und wird den Sitz dieser gemeinsamen Gesellschaft in Obrigheim ansiedeln. Die EnBW sagt also bereits: Wir müssen am Standort Obrigheim etwas machen und ziehen dort die Kernkraftwerksgesellschaft zusammen. Das müssen Sie einfach einmal verstehen und akzeptieren.

Als Zweites müssen Sie akzeptieren, dass die EnBW nur 75 % des von ihr verkauften Stroms selbst produziert und 25 % zukaufen muss. Hochgerechnet haben wir in BadenWürttemberg einen Verlust von etwa 500 bis 700 Arbeitsplätzen, weil wir 25 % des Stroms zukaufen.

Kraftwerksplanungen müssen sein, brauchen eine bestimmte Zeit und haben einen langen Vorlauf. Daher muss man mit der EnBW reden und jetzt entscheiden, wie es in Obrigheim weitergeht und wie dort weiterhin Energie produziert werden kann.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Kein Mensch plant ein Kernkraftwerk im Moment! – Gegenruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Frau Schavan wollte doch ein Kernkraftwerk!)

Wir sollten aber Obrigheim als ausgewiesenen Energiestandort belassen und dafür sorgen, dass auch die 25 %, die der EnBW als größtem Versorgungsunternehmen in BadenWürttemberg heute fehlen, in Baden-Württemberg produziert werden und damit Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich habe gerade gesagt, 500 bis 700 Arbeitsplätze fehlen uns allein in der Erzeugung. Die Verteilung ist ein anderes Thema. Jedwede Zukunftstechnologie, die wir bisher vorgeschlagen haben, wurde von Ihnen kategorisch abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines und nehme an, die Landesregierung wird nachher antworten, Herr Staatssekretär Mehrländer:

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nicht nur die!)

Die beste strukturpolitische Maßnahme ist, dass wir in Obrigheim einen Mix an Energieerzeugung lassen, dass wir es dort ähnlich wie in Mannheim machen und konventionelle Kraftwerke mit Biomassekraftwerken zusammenspannen, also mit Kraftwerken der erneuerbaren Energien. Dann hat man den großen Vorteil, dass man in Obrigheim nicht nur der Struktur hilft, den Kraftwerksstandort erhält, sondern auch der Landwirtschaft hilft, wenn man standortnah anfallende Biomasse in Obrigheim in Energie umsetzt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Sehr richtig! Das täte der Landwirtschaft sehr gut! Das weiß sogar Herr Stächele!)

Sie von der CDU müssen die unsägliche Diskussion über den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken erst einmal öffentlich führen. Frau Schavan, Sie denken sogar über neue Standorte oder neue Kraftwerke nach. Bei der Bevölkerung müssen Sie das erst einmal durchbekommen. Das ist ein Thema und ist eine Diskussion, die völlig rückwärts gewandt sind.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Steinzeit!)

Solange die Landesregierung nicht damit aufhört, über eine weitere Kernenergienutzung zu diskutieren, ist es hirnrissig, zu glauben, dass ein Investor kommt. Im Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2756, steht etwas von möglichen Investoren. Wie soll denn jemand kommen, wenn darüber diskutiert wird, dass weitere Kernkraftwerke gebaut werden? Wie soll dort jemand in GuD-Kraftwerke, in Biomassekraftwerke oder auch in andere Energieerzeugungsarten investieren?

(Abg. Fleischer CDU: Was Sie haben, ist eine Mi- schung aus Utopie und Verantwortungslosigkeit, angereichert durch einen Schuss Populismus! Sie können halt nicht rechnen!)

Kollege Fleischer, Sie fragen, wie man es ersetzen soll. Wir haben schon heute 25 % zu wenig Energieerzeugung in

Baden-Württemberg. Zunächst einmal müssen wir das ersetzen. Dann müssen wir vielleicht einen Teil der Zwischenenergieerzeugung auf der Basis konventioneller Energieträger durchführen, und vor allem müssen wir massiv in die Nutzung erneuerbarer Energien einsteigen. Doch da versuchen Sie ja alles zu verhindern, was nur geht.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU – Gegenruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

Während dieser Diskussion wird weder in konventionelle Energien noch in erneuerbare Energien investiert. Ich brauche Ihnen ja nicht alle Verhinderungsgesetze aufzuzählen. Sie führen alle Förderprogramme auf null zurück; Sie führen auch alles andere, was es gibt, zurück. Sie haben das Landesplanungsgesetz als Windkraftverhinderungsgesetz eingesetzt, Sie haben die Diskussion „Wir wollen keine Windenergienutzung, sondern Energie aus Biomasse und Wasser“ losgetreten.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Sie wissen aber alle so gut wie ich, dass der Ausbau der Wasserkraft begrenzt ist und dass wir auch bei der Biomasse langsam an die Grenzen kommen. Das heißt, Sie machen einfach die Augen zu vor jeglicher Realität.

Die Landesregierung, meine Damen und Herren, steht absolut still. Das haben wir ja auch bei den Haushaltsplanberatungen mitbekommen. Das bekommen wir ja auch tagtäglich in der Presse mit, dass sich nichts mehr bewegt und nichts nach vorn geht.

(Unruhe)

Ich sage Ihnen eines: Am besten ist das am Energiestandort Obrigheim und an der Begleitung des Energiestandorts Obrigheim in die Zukunft deutlich zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Thomas, heb dir noch Redezeit auf!)

Zum Schluss komme ich zu Ihrem Antrag: Wir bitten schon jetzt darum, über die Ziffern 1 und 2 getrennt abzustimmen. Denn für Ziffer 1 gilt ganz klar das, was ich bereits gesagt habe: Thema verfehlt. Sie fragen nach dem Bund, Sie fragen nicht, was das Land machen kann, und es gibt im Atomkonsens keine Ausgleichszahlungen, also auch keine Konversionsprogramme.

Die Ziffer 2, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP/DVP, werden wir selbstverständlich unterstützen. Also bitte ich um getrennte Abstimmung.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Am Schluss sind wir uns wieder einig!)

Das Wort erhält Herr Abg. Hauk.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau so habe ich mir immer die Diskussion vorgestellt: Es gab zwei Handelnde, nämlich die

Bundesregierung und die Energieversorgungsunternehmen. Die haben eine Vereinbarung getroffen, und jetzt sollen Dritte diese Vereinbarung schuldnerisch einlösen. So kann das nicht funktionieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt ganz klar Verantwortliche, nämlich die beiden Partner, die die Vereinbarung getroffen haben. Ich will das jetzt gar nicht näher bewerten.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist auch besser so!)

Aber eines ist doch klar: dass wir uns politisch nicht über die Frage der Kernenergie einig sind.

(Abg. Teßmer SPD: Darum geht es hier aber nicht!)

Sie wollen aussteigen; wir sagen, sie ist notwendig, um auf Jahre, um nicht zu sagen, auf Jahrzehnte hinaus die notwendige Grundlast beim Strom zu erzeugen. Es ist ein Unterschied, Herr Kollege Knapp, ob wir Defizite in der Mittelund Spitzenlast haben oder ob wir Defizite in der Grundlast haben.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

In der Grundlast haben wir derzeit keine Defizite, und deshalb wird kein Energieversorgungsunternehmen – jedenfalls ist mir keines bekannt, das das vorhat – derzeit in Mitteleuropa neue Kraftwerke im Grundlastbereich ohne maßgebliche Subventionen bauen, weil man Grundlastenergie, die aus Kernenergie erzeugt worden ist, billigst aus Nachbarländern beziehen kann. Das ist die Faktenlage.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sage ich: Wer dieses Ausstiegsszenario veranstaltet, ist auch dazu verpflichtet, die Folgen zu mildern. Das ist eine Verantwortung, die Sie den Menschen und der Region schuldig sind.

(Abg. Teßmer SPD: Gilt das auch bei der Verwal- tungsreform?)

Ich hätte mir gewünscht, dass auch Sie sich zu dieser Verantwortung bekennen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Föderalismus!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja keinesfalls so, dass sich das Land Baden-Württemberg dieser Verantwortung, die wir generell für alle Regionen haben – und für Regionen, die unter Umständen in eine schwierige Situation geraten, erst recht –, entziehen wollte. Ich darf dazu Folgendes anführen – das ist ja zum Teil auch in der Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag enthalten –: Im Bereich der Wirtschaftsförderung wurden in Obrigheim günstige Rahmenbedingungen im dortigen interkommunalen Gewerbegebiet geschaffen, und zwar mit maßgeblicher Unterstützung des Landes im Bereich der Ansiedlung interkommunaler Gewerbegebiete.

(Abg. Wieser CDU: Durch den Abg. Hauk ist das gekommen! – Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD: Oh, jetzt aber! – Heiterkeit des Abg. Knapp SPD)