Protocol of the Session on December 10, 2003

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Damit liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Bei diesem Antrag handelt es sich um einen Berichtsantrag, der mit der heutigen Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen dieser Feststellung zu.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg – Drucksache 13/2282

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 13/2692

Berichterstatterin: Abg. Rosa Grünstein

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

(Abg. Fischer SPD zu Abg. Oelmayer GRÜNE: Heute bangst du, mein Lieber! Heute bangst du!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen über einen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg mit dem Inhalt, dass wir als Fraktion GRÜNE das so genannte Cross-Border-Leasing, das sich auch in BadenWürttemberg in vielen Kommunen als ein, wie man auch sagt, innovatives Instrumentarium zur Sanierung der Stadtfinanzen durchgesetzt hat, über die Änderung der Gemeindeordnung für die Zukunft untersagen wollen.

Wir haben im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens – auch in den Beratungen des Innenausschusses und durch die Anhörung der kommunalen Landesverbände – insgesamt herausgearbeitet, worum es eigentlich geht. Es geht im Kern um die Frage, meine Damen und Herren, ob wir im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung risikobehaftete Geschäfte, die, was nicht bestritten wird, ein Schadenspotenzial in dreistelliger Millionenhöhe, und zwar in Euro, in sich tragen können – ich betone das Wort „können“;

(Abg. Heinz CDU: Konjunktiv!)

sie müssen es nicht; denn ein Risiko kann sich realisieren, muss es aber nicht –, und die entsprechende Risikoeinschätzung auf die Kommunen übertragen bzw. ihnen überlassen können oder ob wir als Landesgesetzgeber, der ja die Hoheit über die Kommunalverfassung hat, sagen müssen: Das können wir den Kommunen nicht überantworten.

Ich darf noch einmal in drei, vier Punkten zusammenfassen, warum wir als Fraktion GRÜNE der Auffassung sind, dass wir den Kommunen diese Möglichkeit der so genannten innovativen Finanzgestaltung und die damit verbundenen Risiken nicht überlassen können.

Erstens: Es ist völlig ungeklärt, jedenfalls nicht auszuschließen, ob das Land dann, wenn in einer verleasten Anlage, einem Transaktionsgegenstand, wie sich das technisch nennt – einer Abwasserentsorgungsanlage, einer Müllverbrennungsanlage oder was auch immer, jedenfalls einer Einrichtung der kommunalen Daseinsvorsorge –, ein Schadensfall eintritt, nicht doch in Haftung treten muss, und zwar einfach deswegen, weil das Land über die Regierungspräsidien natürlich die Kommunalaufsicht zu führen hat, wenn auch „nur“ die Rechtsaufsicht.

Es gibt inzwischen eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – also nicht des Amtsgerichts Stuttgart oder eines wo auch immer in Baden-Württemberg befindlichen Amtsgerichts –, der bei Rechtsaufsichtsverstößen, bei mangelhafter Rechtsaufsicht zu einer Haftung des Landes kommt. Deswegen sind wir der Auffassung, dass sich der Landtag sehr wohl zu Recht mit dem Thema befassen muss. Deswegen sind wir auch der Auffassung: Weil wir dieses Risiko so nicht mittragen wollen – mehrheitlich, liebe Kollegin Dederer, mehrheitlich –,

(Heiterkeit der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

brauchen wir diese Gesetzesänderung.

Ein zweiter Punkt – auch hierauf gibt es bislang keine wirklich befriedigenden Antworten der Landesregierung – ist das Thema des Zuwendungsrechts. Sie müssen wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Transaktionsgegenstände, zum Beispiel die Abwasserentsorgung in Stuttgart, in Ulm oder wo auch immer, bislang mit Landeszuschüssen gefördert worden sind. Wenn nun aber eigens mit diesen Transaktionsgegenständen Barwertvorteile erzielt werden – sprich Geld gemacht wird –, dann entspricht das unserer Auffassung nach zunächst einmal nicht dem Widmungszweck. Man hat keine Abwasserentsorgungsanlagen gebaut, um sie dann in die USA zu verleasen.

Eigentlich – das ist nun das Thema des Zuwendungsrechts –: wäre es dann im Sinne der Gerechtigkeit gegenüber kleine

ren Kommunen, die nämlich keine Transaktionsgegenstände zur Verfügung haben, die einen Wert von 100 Millionen € besitzen – wie zum Beispiel die Abwasserentsorgungsanlage in Ulm –, durchaus angebracht, dass die Vorteile, die bestimmte Kommunen mit diesen Anlagen erzielen, zumindest teilweise abgeschöpft werden.

(Lachen des Innenministers Dr. Schäuble)

Da lacht der Herr Innenminister. – Auch das wäre natürlich ein Beitrag zur Finanzierung bzw. zur Sanierung des Landeshaushalts. Man muss auch einmal sehen, Herr Innenminister, dass hinter dem Transaktionsvolumen von 4,5 Milliarden €, das wir bisher in Cross-Border-Leasing-Verträgen über den Atlantik transferiert haben, ein Barwertvorteil von mindestens 250 Millionen € steckt. Wenn wir jetzt berechnen würden, was das Land dabei zugeschossen hatte, und diese Summe zurückfordern würden, kämen wir meiner Berechnung nach auf gut 100 Millionen € an Zuschüssen,

(Abg. Gall SPD: Locker!)

die das Land wieder zurückfordern könnte. Jetzt stellt sich zumindest die Frage, ob Sie dort in Zukunft entsprechend handeln wollen.

Ich will einen letzten Punkt benennen, neben dem Thema der Gerechtigkeit: die Risikoabschätzung. Hier haben Sie sich meines Erachtens nicht besonders profund aus der Affäre gezogen. Wir wissen, dass die Verträge 1 500 bis 1 800 Seiten amerikanischen Text umfassen. Sie verweisen dann auf große Anwaltskanzleien – in Stuttgart, München, Frankfurt oder wo auch immer diese sitzen.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Es wäre aber primär die Aufgabe des Regierungspräsidiums, das dafür jeweils zuständig ist, diese rechtlichen Vorgaben zu prüfen. Das können die Regierungspräsidien aber gar nicht, denn noch ist die Amtssprache Deutsch und nicht Englisch. Weil man das dort nicht profund kann, können wir das Risiko nicht abschätzen.

(Abg. Blenke CDU: Können Sie kein Englisch?)

Deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht, und deswegen sind wir nach wie vor der Auffassung, dass wir diese Änderung der Gemeindeordnung auch beschließen sollten. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Sie, Herr Kollege Hillebrand, unserem Gesetzentwurf vielleicht doch zustimmen werden. Es wäre jedenfalls im Sinne des Landes zur Abfederung von Risiken.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Blenke CDU: Eng- lischer Pflichtunterricht für Bürgermeister! – Abg. Stickelberger SPD: Der Innenminister kann Eng- lisch!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heinz.

(Abg. Blenke CDU: Auf Englisch, bitte!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, Herr Oelmayer, noch einmal zur Innenausschusssitzung zurückblenden. Dort hatten wir zweierlei festzustellen.

Zum einen hat mich überrascht – das kommt ja nicht sehr oft vor –, dass wir diesbezüglich mit der SPD auf einer Wellenlinie liegen.

(Abg. Stickelberger SPD: Das liegt nur an euch! Das können Sie öfter haben! – Zuruf des Abg. Fi- scher SPD)

Wir sind hier eigentlich gleicher Meinung und sagen, wir sollten den Kommunen dieses Instrument belassen.

Zum Zweiten möchte ich an eine Aussage im Innenausschuss anknüpfen, wonach auch die kommunalen Landesverbände in diesem Punkt geschlossen einer Meinung sind und sagen, man solle es beim jetzigen Zustand belassen.

Ich möchte dazu drei Dinge anmerken:

Das Erste haben Sie selbst benannt, Herr Oelmayer – nur etwas anders –: Sie haben davon gesprochen, Cross-BorderLeasing sei ein „innovatives“ Finanzierungsinstrument.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: In Anführungszeichen!)

Bei mir steht hier: Es ist kein Teufelszeug, sondern es ist ein modernes Finanzierungsinstrument.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Doch, Teufelszeug! Im wahrsten Sinne des Wortes! – Zuruf des Abg. Sti- ckelberger SPD)

Es ist kein Teufelszeug; das muss man einfach festhalten.

Aber man muss auch sagen – auch das klang bei Ihnen an –: Es ist ein nicht gerade einfaches Finanzierungsinstrument, und wie so oft im Leben sind schwierige Dinge nicht ganz risikofrei. Wenn man jetzt aber die Vor- und Nachteile abwägt, dann ist die CDU-Fraktion aus heutiger Bewertung der Auffassung, dass kein Anlass dafür besteht, dass wir eine gesetzliche Regelung treffen, zum Beispiel in Richtung des bayerischen Gesetzentwurfs. Wir vertrauen auf die Kompetenz der Kommunen, und wir treten dafür ein, dass wir unseren Städten und Gemeinden diesen Spielraum belassen.

Jetzt möchte ich noch zu den beiden anderen Punkten kommen. Das Zweite ist der Barwertvorteil, den Sie jetzt gar nicht umfassend angesprochen haben: Wie ist nämlich der Barwertvorteil im Gebührenhaushalt zu berücksichtigen? Da sage ich ganz klar, dass ich der Meinung bin, dass man, obwohl es im Moment keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, davon ausgehen muss – das ist meine persönliche Überzeugung –, dass dieser Barwertvorteil dem Gebührenhaushalt zugute kommen muss. Sie wissen vielleicht, dass es hierzu eine Entscheidung eines obersten Gerichts in NRW gibt. Dieses Gerichtsurteil geht davon aus, dass wir den Barwertvorteil dem Gebührenhaushalt zugute bringen müssen; dabei ging es um eine Müllverbrennungsanlage. Nun gibt es aber ein neues Urteil eines Verwaltungsgerichts, das genau das Gegenteil sagt. Wir brauchen also in diesem Punkt eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH oder des Bundesverwaltungsgerichts. Dann wäre diese Frage geklärt.

Trotzdem will ich sagen: Es ist nicht nur meine Überzeugung, sondern auch das Innenministerium weist auf den

Tatbestand hin, dass hier eine Rechtsunsicherheit besteht und dass man den Barwertvorteil im Zweifelsfall als Kommune dem Gebührenhaushalt zugute bringen soll.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Wer soll es denn klären, wenn nicht wir?)

Dritter Punkt: Sie haben das Thema „Rückforderung von Landeszuschüssen“ angesprochen. Da, denke ich, muss man in der Zukunft eine klare Aussage in den Richtlinien treffen. Aber Sie müssen, Herr Oelmayer, wenn Sie das jetzt so plakativ fordern, zwischen Vergangenheit und Zukunft trennen.