Protocol of the Session on December 10, 2003

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP sowie der Abg. Ruth Weckenmann SPD – Abg. Seimetz CDU: Gut!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung.

Es ist Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport vorgeschlagen. – Sie stimmen der Überweisung zu. Damit sind der Antrag Drucksache 13/1476 sowie die Änderungsanträge Drucksachen 13/2707 und 13/2717 an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport überwiesen.

Punkt 6 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Maßnahmenkatalog im Hinblick auf das Wirken der Scientology-Organisation – Drucksache 13/1552

Das Präsidium hat für die Begründung des Antrags eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache gestaffelte Redezeiten mit einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erhält Frau Abg. Bregenzer.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Jetzt wird es span- nend! Interessantes Thema!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns beim Thema Scientology und der Frage, wie wir damit umgehen oder wie wir dazu in Baden-Württemberg stehen, politisch in den einzelnen Fraktionen und in den einzelnen Gruppierungen gar nicht so sehr unterscheiden.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Gar nicht!)

Es gibt – das setze ich hier voraus, und ich denke, dass dies auch in den nachfolgenden Reden deutlich wird – ein paar ganz eindeutige Vorgänge, bei denen wir Scientology gemeinsam bewerten.

Scientology widerspricht den zentralen Prinzipien unseres Staates, nämlich der Meinungsfreiheit, dem Schutz der Familie und Ehe, der persönlichen Unversehrtheit und der Wahrung der Menschenwürde. Scientology arbeitet mit hoch problematischen Methoden der psychischen Beeinflussung, mit abwertenden Persönlichkeitstechniken, mit dem Absolutheitsanspruch des Gründers und der Organisation, mit absoluter Kontrolle des Einzelnen, mit dem Druck, sich von dem sozialen Umfeld, der Familie und dem Freundeskreis zu trennen, mit der Bloßstellung vor anderen und mit einem massiven Gruppendruck.

Scientology verwendet riskante Kommunikationsmethoden, schädigt Menschen wirtschaftlich, geistig und psychisch. Die Ziele, die Regeln, die Strukturen, die Kosten dieser Organisation werden verschleiert. Menschen, die sich darauf einlassen, wissen in der Regel nicht, worauf sie sich einlassen.

Scientology ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Psychotechniken verwendet, das Organisations- und Managementmethoden auf diese Weise vermittelt und das angeblich Fähigkeiten verbessert.

Das sind im Wesentlichen die Erkenntnisse aus langjähriger Erfahrung von Selbsthilfegruppen Betroffener, von Angehörigen, von Aussteigern, von Weltanschauungs- und Sektenbeauftragten. Das sind Erkenntnisse, die im Detail den Beobachtungen des Verfassungsschutzes zu entnehmen sind. Das sind Erkenntnisse, die den Berichten der interministeriellen Arbeitsgruppe für Fragen so genannter Sekten und Psychogruppen zu entnehmen sind, wie wir auch vor kurzem erst wieder einen erhalten haben. Das sind die Ergebnisse einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, die im Herbst letzten Jahres veröffentlicht wurde und die der Anlass für diesen Antrag war.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass die Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag der SPD-Fraktion außerordentlich blamabel war.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Nicht mehr zu überbieten! – Abg. Teßmer SPD: Aha! Da hört der Herr Staatssekretär nicht mehr zu!)

Diese dünne Stellungnahme der Landesregierung steht nicht im Geringsten in einem Verhältnis zu der Bedeutung, die wir der Arbeit dieser interministeriellen Arbeitsgruppe und des Verfassungsschutzes sowie der Gefährdung durch Scientology in unserem Lande beimessen.

Die Öffentlichkeit fragt sich in letzter Zeit: Gibt es Scientology eigentlich noch? Scientology als Organisation steht nämlich gar nicht mehr im öffentlichen Interesse. Es gibt nur noch relativ selten Berichte in Zeitungen und im Fernsehen. Ich antworte auf eine solche Frage immer: Und ob! Es gibt Scientology nach wie vor. Scientology ist nach wie vor sehr aktiv, auch und gerade in Baden-Württemberg, aber in anderem Gewand.

Die Mitglieder treten in Großstädten in Zelten mit Ausstellungen über Dianetik auf. Dort sprechen sie die Menschen an, vor allem junge Menschen. Sie werben verstärkt in Stuttgart und in Karlsruhe. Auf der Straße sprechen sie junge Leute an. Sie begehen so genannte Jubiläumsfeiern und feiern damit ihren Gründer L. Ron Hubbard. Sie bieten sich als so genannte Helfer in Katastrophengebieten an und versuchen dort, die Menschen zu verpflichten. Sie bringen eine neue Zeitschrift namens „Free Mind“ heraus, die am Kiosk verkauft wird und für die selbst in der „Bild“-Zeitung geworben wird. Sie schicken an Schulen Broschüren über so genannte Verteidiger von Menschenrechten und versuchen auf diese Weise, Scientologen in ein falsches Licht zu rücken. Sie beglücken uns alle und die Öffentlichkeit mit Kampagnen gegen die Psychiatrie, und sie schicken Informationsmaterial an Kommunen, an Behörden, an Multiplikatoren.

Dass das, was ich jetzt alles aufgezählt habe, keine Erfindung ist, können Sie dem Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe entnehmen.

Jetzt gerade hat die Öffentlichkeit wieder ein aktuelles Interesse; denn es gibt ein Gerichtsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof zum Thema „Vereinsverbot von Scientology“. Der Verfassungsschutz, die interministerielle Arbeitsgruppe und das bayerische Gutachten haben eigentlich genug Argumente geliefert. Ich hoffe, dass der Verwaltungsgerichtshof in unserem Sinne entscheidet.

Scientology ist gekennzeichnet durch organisationstypische Straftaten der Mitglieder. Sie verkaufen Kurse, die die versprochenen Ergebnisse nicht bringen. Wer immer einen Rechtsanwalt findet, der sich mit der Thematik auskennt, kann das Geld von Scientology wieder zurückklagen. Ich kann nur jeden aufrufen, der in die Fänge von Scientology geraten ist, dies auch zu tun.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Sehr gut!)

Scientology ist gekennzeichnet durch die regelmäßige Verwirklichung des objektiven Betrugsgegenstands. Wer nämlich bei Scientology einen Reinigungs-Rundown durchführt, ist angeblich gegen atomare Strahlungen gesichert. Dass dies ein Betrug ist, muss man, glaube ich, nicht weiter betonen.

Darüber hinaus ist die Scientology-Organisation oder wie auch immer dieser Verein sich nennt, eine unselbstständige Teilorganisation und kein eigenständiger Verein; denn diese Organisation hat ein weisungsgebundenes Führungspersonal, es gibt personelle Verflechtungen, es gibt finanzielle und vertragliche Verpflichtungen gegenüber der Gesamtorganisation, deren Sitz sich in den USA befindet.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! Ja!)

Ich hoffe, dass das Gericht alle diese Informationen und das Material hat, und ich hoffe auf eine gute Entscheidung.

Wir erwarten von der Landesregierung, nach deren Aussage ja in Baden-Württemberg das dichteste Netz von Scientology besteht, erstens, dass die interministerielle Arbeitsgruppe – deren Leiter, Herrn Carlhoff, und seinem Stellvertreter, Herrn Lienow, ich an dieser Stelle recht herzlich für die Arbeit danken möchte – auch weiterhin ordentliche Arbeitsbedingungen hat. In den letzten Jahren haben wir beobachtet, dass immer mehr zusätzliche Arbeit durch andere Themen entstanden ist,

(Abg. Teßmer SPD: Aha! Hört, hört!)

die diese interministerielle Arbeitsgruppe zu bearbeiten hatte, sodass die eigentliche Arbeit, die Aufklärungsarbeit, die Informationsarbeit, unter immer schwierigeren Bedingungen stattgefunden hat. Wir hoffen, dass das nicht weiter zunimmt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Caroli SPD: Sehr richtig!)

Wir erwarten von der Landesregierung, dass der Verfassungsschutz auch weiterhin diese Organisation beobachtet und dass der Öffentlichkeit auch weiterhin in den Verfassungsschutzberichten Informationen über Scientology zugänglich gemacht werden können.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer und Abg. Fi- scher SPD: Sehr gut!)

Wir erwarten, dass Baden-Württemberg wie Bayern auch spezielle Ansprechpartner bei der Polizei benennt.

(Abg. Rech CDU: Machen wir! – Abg. Pauli CDU: Machen wir doch!)

Dass es diese Fachleute bei den Polizeidirektionen gibt, wissen wir. Aber dass die Landesregierung in der Veröffentlichung der Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppe bei den aktuellen Tipps die bayerischen Ansprechpartner der Öffentlichkeit als polizeiliche Ansprechpartner bekannt macht, ist mehr als blamabel.

(Beifall bei der SPD – Abg. Junginger SPD: Ar- mutszeugnis! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Wir fordern die Landesregierung auf, Fördermittel für wissenschaftliche Forschung an den Universitäten zur Verfügung zu stellen – Möglichkeiten dazu haben Sie ja –, damit wir mehr darüber erfahren, was Manipulations- und Psychomechanismen in Organisationen wie Scientology mit den Menschen machen.

Wir fordern die Landesregierung auf, die Scientology-Aktivitäten nach Verstößen nach dem Heilpraktikergesetz zu untersuchen und zu prüfen.

Die letzte Forderung: Wir erwarten von der Landesregierung die Unterstützung der bayerischen Initiative im Bundesrat, den Verbraucherschutz im Psychomarkt einzuführen. Es gibt einen Verbraucherschutz für den dinglichen Bereich, aber es gibt keinen Verbraucherschutz für den Psychomarkt – ein Markt, der boomt wie kein anderer Markt, und ein Markt, in dem die Menschen so alleine gelassen

sind wie in keinem anderen Bereich. Ich bin sehr gespannt, was die Landesregierung zu dem Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung zu sagen hat und wie sie dazu steht.

Zu unseren Forderungen werde ich in der zweiten Runde noch etwas sagen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Wem darf ich für die CDUFraktion das Wort erteilen? – Herr Abg. Klenk, Sie erhalten das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir uns in diesem Hause einig sind, dass wir Sekten und Psychogruppen generell entschieden entgegentreten müssen. Frau Bregenzer, da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu.

(Abg. Teßmer SPD: Das hören wir gern!)

Ob wir ihnen allerdings öffentlich Aufmerksamkeit zuteil werden lassen müssen, ist eine andere Frage.

(Abg. Fischer SPD: Aber die schaffen sie selber!)

Hierbei teilen wir übrigens die Kritik bezüglich der Ausstellung der Scientology-Kirche im Haus der Geschichte. Auch darüber waren wir uns alle einig.