Protocol of the Session on November 26, 2003

Wenn man sich die Europaausschüsse der einzelnen Länder ansieht, fällt einem auf, dass die Opposition häufig zur Besetzung des Ausschussvorsitzes bemüht wird. Ich verstehe ja, dass Sie vielleicht gern ein Amt unter sich zu verteilen hätten. Aber ich glaube nicht, dass dies ein Kriterium für uns sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das galt übrigens auch für Hessen unter der letzten von Rot-Grün geführten Regierung, und das gilt für RheinlandPfalz und Bayern heute. Sie sehen, dass wir es wirklich gut mit Ihnen meinen.

Bei uns ist der Ständige Ausschuss der Fachausschuss für Europa in vereinter Zuständigkeit mit Justiz und Medien. Gerade das Medienthema ist ja auch in Schleswig-Holstein so verortet. Ich meine, dass wir auch dabei bleiben sollten, weiterhin einen schlanken Landtag zu haben.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Seltenreich?

Gerne.

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Frau Kollegin Gräßle, glauben Sie, dass es dem Parlament gut getan hätte, zum Beispiel das

Grünbuch zu den wirtschaftlichen Leistungen der Daseinsvorsorge, die im öffentlichen Interesse liegen, zu behandeln? Ich kann mich nicht erinnern, dass der Landtag zu diesem wichtigen Grünbuch irgendetwas gesagt hätte. In einem entsprechenden Ausschuss aber hätten uns wahrscheinlich die Drucksachen der Europäischen Union vorgelegen und hätten wir zum Beispiel über Gas, Wasser, soziale Dienste, Bildung usw. mitreden können. Das ist hier im Haus nicht passiert.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das können Sie doch al- les beantragen!)

Daran erkennt man, dass hier eine Lücke besteht. Was meinen Sie dazu?

Ich meine, es ist traurig, dass die SPD keinen Antrag dazu gestellt hat, wenn es doch so wichtig ist.

(Abg. Fischer SPD: Jetzt hören Sie doch auf, Frau Gräßle!)

Ich meine, es liegt an jeder Fraktion hier im Haus, was sie aus Europa macht. Ich meine, wir könnten uns in Sachen Europa durchaus auch einen stärkeren Einfluss der SPDFraktion leisten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die CDU-Anträge zu Europa halten sich ja doch auch in engen Grenzen!)

Wenn wir schon beim Thema sind, müssen wir uns ja wirklich um den Einfluss sorgen, den die SPD Baden-Württemberg innerhalb Europas und innerhalb ihrer Bundespartei hat. Denn wir haben ja jetzt gesehen, wie sehr Sie bei der Listenaufstellung der Bundes-SPD abgemeiert worden sind. Wir überlegen uns schon eine Antimobbinginitiative für Sie, weil wir glauben, dass Sie und damit auch das Land in der SPD sehr schlecht aufgestellt sind.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wie viele CDU-An- träge gibt es denn zu dem Thema Europa?)

Was die Zahl der Ausschüsse angeht: Wir sind stolz darauf, ein sehr effizienter Landtag zu sein. Wir haben neun Ausschüsse. Bayern hat mit dem Europaausschuss zwölf Ausschüsse, Niedersachsen hat seit vielen Jahren elf ständige Ausschüsse, drei Unterausschüsse und sechs Ausschüsse in eigener Sache. Baden-Württemberg will auch in Zukunft Effizienz, und zwar auch in Sachen Europa. Wir wollen vor allem auch den Sachverstand in Sachen Europa in allen Ausschüssen vertreten haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Palmer.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Jetzt kommt der Mann, der das Thema bekommen hat, weil es nicht so wichtig ist!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ich möchte zwei Vorbemerkungen machen.

Eine erste Vorbemerkung an Sie, lieber Herr Kollege Birzele: Ich weiß nicht, ob Sie hier schon als neuer europapolitischer Sprecher Ihrer Fraktion oder noch staatsmännisch als Vizepräsident gesprochen haben. Es ist egal.

(Zurufe der Abg. Drexler und Birzele SPD)

Jedenfalls will ich zu einem Punkt Ihrer Rede etwas sagen, nämlich zum Thema Irak. Ich hätte das Thema Irak in einer außenpolitischen Debatte sehr wohl verstanden. Aber ausgerechnet das Thema Irak in einer europapolitischen Debatte zum Gegenstand der Auseinandersetzung zu machen

(Abg. Drexler SPD: Aber natürlich! Europäische Sicherheit!)

ist ein Rohrkrepierer.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Denn es gab in den vergangenen Jahren kaum ein Ereignis, das für den Zusammenhalt unserer Europäischen Union so problematisch war wie das Auseinanderstreben von europäischen Ländern in der Frage der Bewertung des Einsatzes im Irak.

(Abg. Stickelberger SPD: Aber dann ist es doch ein europapolitisches Thema! – Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Auf der einen Seite, Herr Birzele, standen Frankreich und Deutschland,

(Abg. Drexler SPD: Zu Recht!)

auf der anderen Seite standen Großbritannien, Spanien, Italien und die Mehrheit der osteuropäischen Beitrittsländer. Ihr früherer Bundeskanzler Helmut Schmidt hat gesagt, das, was die Bundesrepublik Deutschland mit ausgelöst hat, sei die größte Belastungsprobe für die europäische Integration in ihrer Geschichte gewesen.

(Abg. Drexler SPD: Wo stehen Sie denn bei die- sem Konflikt?)

Insofern kann ich mich nur wundern, dass man das Thema Irak als Beleg in einer europapolitischen Debatte anführt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Das tut Ihnen weh, weil Sie auf der Seite von Spanien wa- ren! Die CDU war auf der Seite von Spanien!)

Wo Helmut Schmidt Recht hat, da hat er Recht und muss positiv zitiert werden.

Zweiter Punkt: Stabilitätspakt. Den hat Herr Kollege Kretschmann angesprochen; auch dazu eine Bemerkung. Mit zunehmender Dauer Ihrer Regierungsmitwirkung in Berlin verblassen jetzt so langsam die Bezugsmöglichkeiten auf die Vorgängerregierung. Sie tragen jetzt im sechsten Jahr Verantwortung für die Bundesregierung.

(Abg. Rückert CDU: Jawohl!)

Baden-Württemberg trägt nicht zur Verletzung des Stabilitätskriteriums bei. Der Wert in Baden-Württemberg im Jahr 2003 ist 2,1. Wir haben eine Grenzziehung von 3,0 beim Stabilitätskriterium. Jetzt also zu sagen, wir seien mitverantwortlich oder wir seien schuld, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits im dritten Jahr das Defizitkriterium überschreitet, halte ich für ganz falsch. Wir haben zwar auch eine hohe Verschuldung; da sind wir uns ja einig. Aber im innerdeutschen und auch im europäischen Vergleich sind wir ja noch geradezu ein Musterknabe. Das muss man ja einmal festhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Es ist in der Tat verheerend, wie Geist und Buchstabe des Stabilitätspakts verletzt werden. Die Kommentierung in ganz Europa ist heute völlig einheitlich: Man kann das so nicht machen. Die Wirkungen werden auf Dauer verheerend sein, auch für unser Budget. Das steigende Defizit führt dazu, dass die Zinsen steigen, die Währung wird insgesamt belastet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der gestrige Tag, an dem wir in dieser Art und Weise den Stabilitätspakt aufgeweicht haben, war kein guter Tag für Europa. Das muss man einmal in aller Deutlichkeit festhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

So weit meine zwei Vorbemerkungen.

Der Europabericht gibt einen Überblick über die große Intensität, mit der Europa mittlerweile in jedem Lebensbereich, in jedem Verwaltungsbereich, in jedem Amt ankommt. Meine Sorge ist, dass auch in unserem Land nicht überall der hohe Stellenwert Europas und auch der Verflechtungsgrad erkannt werden. Deshalb muss man mehr sensibilisieren. So, wie man auf allen Ebenen sozusagen automatisch die Bundesebene mitdenkt, müssen wir auf allen Ebenen auch die europäische Ebene mitdenken. Daran mangelt es; da haben wir alle noch etwas zu tun.

Wir versuchen, die Landesvertretung in Brüssel zu stärken. Ich glaube, wir müssen und auch das Parlament muss die Landesvertretung noch stärker als Dienstleistungsinstrument wahrnehmen. Ich freue mich darüber, dass alle Fraktionen im nächsten Frühjahr zu Klausurtagungen nach Brüssel kommen.

Nun hat Herr Kollege Kretschmann gesagt, die Formulierung „Ran an die Fleischtöpfe!“ habe ihm nicht gefallen. Dafür habe ich Verständnis. Jetzt schüre ich einmal Vorurteile: Früher waren Sie die Gruppe der Vegetarier und des Müslis. Da ist so eine plakative Formulierung wie „Ran an die Fleischtöpfe!“ vielleicht schon ein bisschen gewagt.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wir hatten noch nie so viele Vegetarier wie jetzt!)

Aber, Herr Kretschmann, im Ernst: Damit wollte ich Folgendes zum Ausdruck bringen: Wir dürfen nicht immer nur eine Debatte über die Kosten Europas führen, sondern wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern auch einmal in Euro und Cent beziffern, wie viel wir aus Brüssel zurückho