Im Jahr 1996 hat man beschlossen, Genehmigungsbehörde und Aufsichtsbehörde zusammenzulegen. Nichts ist passiert, gar nichts ist passiert.
Man hat beschlossen, den Monopolgutachter TÜV aufzugeben und die gutachterlichen Leistungen zu verteilen, um auch gegenseitige Kontrolle zu erreichen.
(Abg. Hauk CDU: Das ist nicht beschlossen wor- den! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Natürlich ist es beschlossen worden!)
Jetzt haben Sie im Zug der Aufarbeitung der Störfälle, um die es hier geht, zwar eine neue Ausschreibung gemacht und haben auch neue Gutachter bestimmt, aber wenn man sich einmal anschaut, wer dahinter steckt, dann sieht man: Das ist wieder unser guter alter TÜV, der für die Versäum
nisse der letzten Jahre mit verantwortlich ist. Den haben Sie wieder im Boot, und nur einen ganz geringen Anteil von gutachterlichen Leistungen haben Sie nach außen an eine andere Gutachterstelle vergeben, die das machen könnte. Auf Deutsch: Auf der Gutachterseite ändert sich nicht viel, und im Ministerium ändert sich an entscheidender Stelle auch nichts. So sieht dann in Zukunft Atomaufsicht aus.
Wir werden im Zug der parlamentarischen Arbeit in den nächsten Monaten intensiv im Auge behalten, welche Ihrer Maßnahmen nun im Einzelnen greifen oder auch nicht. Wir glauben aber nicht, dass ohne diese grundlegenden Umsteuerungen ein effektiver Erfolg zu verzeichnen sein wird – sehr zum Nachteil der Atomaufsicht in diesem Land, die bisher auch bei Bürgern, die der Atomenergie positiv gegenüberstehen, eigentlich so wahrgenommen wird: Atomaufsicht ist bisher das fünfte Rad am Wagen in Ihrem Ministerium, Atomaufsicht wird nicht aktiv wahrgenommen, Atomaufsicht wird lediglich mehr schlecht als recht verwaltet. Deshalb unser dringender Appell an Sie: Ziehen Sie wirklich die Reißleine, stellen Sie die entsprechenden personellen Weichen, wechseln Sie den Gutachter wirklich aus, suchen Sie sich neue Verbündete, und nehmen Sie die politische Verantwortung für die Atomaufsicht in Zukunft wahr!
Herr Minister Müller, unser Ministerpräsident kümmert sich neuerdings persönlich um die Frage, ob Windräder die Landschaft am Schauinsland verschandeln. Folgen Sie diesem Beispiel, und machen Sie Atomaufsicht endlich zur Chefsache!
(Abg. Drexler SPD: Sehr gute Rede! – Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei den Grü- nen)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Stickelberger’schen Märchenstunde ein paar Fakten.
Zu Beginn der Investigation haben Sie noch den Rücktritt des Ministers gefordert. Heute haben Sie Ihre Forderung auf den Abteilungsleiter beschränkt.
(Abg. Drexler SPD: Wollen Sie den Rücktritt des Ministers? Das können wir auch noch fordern! – Abg. Stickelberger SPD: Stimmen Sie zu?)
Wir haben ja die Dinge sehr eingehend aufgearbeitet. Gestatten Sie mir die Vorbemerkung: Der Informationsgehalt, den wir in diesen 14 Sitzungen erhalten haben, war im Detail relativ groß; allerdings in der Summe, in der Bewertung gab es gegenüber dem Zeitraum von vor zwei Jahren, nämlich im Oktober 2001, in diesen 14 Sitzungen nichts Neues. Ich kann mir den Vorwurf an Sie nicht ersparen, dass deshalb dieser Untersuchungsausschuss nur ein taktisches Instrument von Ihnen war.
Aber zunächst zu den Fakten, um die es letztendlich ging. In Philippsburg bestand das Problem, dass die Borsäurekonzentration in den Flutbehälterpaaren mit 1 950 ppm nicht den spezifizierten Wert von 2 200 ppm, der im Betriebshandbuch stand, erreicht hatte. Die Gefahrenabwehr, die Sie einfordern – Sie sagen: 57 Tage vom Auftreten des Problems bis zur Abschaltung des Reaktors –, wäre gar nicht mehr möglich gewesen, wenn es denn überhaupt eine akute Gefahr gegeben hätte.
Sie wäre zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich gewesen, als das Ministerium Nachricht davon erhalten hat.
das liegt daran, dass Sie von einer falsch verstandenen Verantwortung der Atomaufsicht bzw. des Betreibers ausgehen.
Diese Frage der Verantwortung ist eindeutig zu beantworten: Die Verantwortlichkeit für die Führung der Anlage liegt eben nicht bei der Atomaufsichtsbehörde, sondern sie liegt immer – und das muss systemimmanent so sein – beim Betreiber.
(Zuruf des Abg. Drexler SPD – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Dazu müssen Berichte vollständig gele- sen werden!)
Herr Kollege Drexler, jetzt komme ich zu den Fakten, die der Kollege Stickelberger nicht genannt hat.
Das war die Ausgangssituation. Dann gab es eine schriftliche Meldung des Betreibers, zunächst per Fax am 31. August und dann mit Schreiben vom 5. September. Zu diesem Zeitpunkt – die Vorgänge waren alle Anfang und Mitte August – war das Thema, um das es ging, erledigt. Also eine akute Gefahr, wenn sie denn überhaupt bestanden hat,
bestand unter Umständen – und das hat der Minister bereits im September bzw. Oktober 2001 eindeutig geklärt – in einem möglichen Blindflug des Betreibers im August 2001.