Protocol of the Session on October 30, 2003

Uns hat er gemeint. Da muss ich noch ein wenig um Geduld bitten.

Aber ich nehme die Gelegenheit wahr, Ihnen persönlich, der Sie den Ausschuss als Vorsitzender geleitet haben, ebenso wie den Kolleginnen und Kollegen in dem Ausschuss für die Zusammenarbeit zu danken, wobei die Diskussion aufgrund unterschiedlicher Blickrichtungen natürlich durchaus kontrovers geführt wurde. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung bedanken, die viel Mühe mit uns hatten, insbesondere auch bei dem Verfasser des Berichts, Herrn Hansmann, der mit uns wahrscheinlich die meiste Mühe hatte.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nun, meine Damen und Herren, zu Details der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Herr Minister Müller, Sie haben sich vorhin wortgewaltig zu dem Thema Maut geäußert und in diesem Zusammenhang von einem Trauerspiel gesprochen. Wir sprechen von einem Trauerspiel im Zusammenhang mit der Atomaufsicht hier in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Da liegt die Verantwortung aber hier und nicht irgendwo anders!)

Wir werden darauf im Einzelnen kommen.

Lassen Sie mich vorweg ein paar Bemerkungen zu Sinn und Zweck des Ausschusses machen. Seine Einsetzung war ja nicht von Anfang an klar, nachdem die Störfälle, um die es geht, insbesondere das Ereignis, als die Borsäurekonzentration in drei Flutbehältern nicht ordnungsgemäß war, von Ihnen damals technisch behandelt, dargestellt und aufgearbeitet worden sind.

Wir hatten eigentlich gedacht, wir erfahren von Ihnen, wer welche Fehler gemacht hat und wie man diesen Fehlern begegnet. Fehlanzeige! Wir haben daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, um zu klären, welche politische Verantwortung Sie haben – mit „Sie“ meine ich Sie persönlich, Herr Minister, Ihren Staatssekretär und das gesamte Ministerium – und welche politische Verantwortung Sie nicht wahrgenommen haben. Herrn Mappus nehme ich ausdrücklich dazu; wir kommen noch darauf.

(Abg. Rech CDU: Ich will als Philippsburger Ab- geordneter auch dazu! – Heiterkeit – Gegenruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Vielleicht wären Sie froh, wenn Sie nicht dabei wären!)

Warten Sie einmal ab! Sie schneiden vielleicht nicht so gut ab, wenn Sie sich da einreihen.

Uns geht es darum, die politische Verantwortung zu klären, nachdem wir, insbesondere in Ihrem 30-seitigen Schlussbericht, Herr Minister Müller, erfahren mussten, dass an den Pannen alle anderen schuld sind. Alle anderen werden kritisiert. Mit allen anderen meine ich vor allem den Betreiber und den damaligen Monopolgutachter TÜV. Alle anderen werden sehr massiv und sehr detailliert kritisiert; nur das Ministerium bleibt außen vor.

(Abg. Hauk CDU: Das sind die Tatsachen! Die ha- ben Sie doch mit untersucht!)

Mit ein paar dürren Sätzen auf der letzten Seite Ihres Berichts gehen Sie auf Ihre eigene Verantwortung ein. Das reicht uns nicht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Weil das so ist, ging es uns darum, aufzuklären, welche Sicherheitskultur und welches Sicherheitsbewusstsein in diesem Lande eigentlich herrschen. Da aber, Herr Minister Müller, muss ich Ihnen sagen, sind wir zu einem traurigen Ergebnis gelangt. Deshalb: Wenn ein Trauerspiel stattgefunden hat, dann hat es bei Ihrer Atomaufsicht stattgefunden.

(Beifall des Abg. Braun SPD)

Es wurde gesagt, der Untersuchungsausschuss sei nicht notwendig gewesen. Dazu möchte ich doch darauf hinweisen, dass immerhin auch der Kollege Scheuermann gesagt hat, der Ausschuss habe dazu beigetragen, dass sich das Umweltministerium überhaupt oder vor allem schneller zu Konsequenzen aus dem Störfall im Kraftwerk Philippsburg 2 veranlasst gesehen habe.

(Abg. Hauk CDU: Das war schon alles längst vor- bei! Wir haben die erste Sitzung im Februar ge- habt!)

Herr Scheuermann, das haben Sie gegenüber der „Pforzheimer Zeitung“ gesagt.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das ist nie dementiert worden. Ich gehe grundsätzlich davon aus,

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

dass Presseberichte, die nicht dementiert werden, zutreffen.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Was uns aber am meisten gestört hat – deshalb war die Einsetzung des Untersuchungsausschusses richtig –, war die Selbstgerechtigkeit und die mangelnde Einsicht des Ministeriums

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

bei der Aufarbeitung dieser Vorfälle. Ich darf – vielleicht vor die Klammer gezogen – zitieren, wie die Atomaufsicht unseres Ministeriums im Ergebnis bewertet wurde. Ich zitiere Staatssekretär Baake vom Bundesumweltministerium. Er hat bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss Folgendes gesagt:

Es ist leider auch richtig, dass diese Verstöße gegen die Sicherheitskultur bis zum Zeitpunkt, als die Bundesaufsicht eingegriffen hat, vom Betreiber geleugnet, von der zuständigen Landesaufsicht nicht gesehen und vom TÜV beschönigt worden sind.

So hat sich Atomaufsicht in Baden-Württemberg abgespielt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

Herr Minister, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen und werden vielleicht auch heute darauf hinweisen, dass Störfälle immer vorkommen und dass man sie registrieren und aufarbeiten muss. Das ist richtig. Allerdings: Wie Sie in Ihrem Ministerium mit diesem Thema umgegangen sind, gibt schon Anlass zu größter Befürchtung. Ich komme nachher darauf zu sprechen, dass wir befürchten, dass Sie mit diesem Thema weiterhin so umgehen werden.

Wir sind durch die Vernehmung Ihrer Beamten vor dem Ausschuss auf ein Informations- und Organisationschaos gestoßen, wo die linke Hand nicht wusste, was die rechte tut. Da verschwanden Schreiben, Meldungen wurden nicht weitergeleitet, ein Wirrwarr an Organisation. Besonders schlimm ist der lange Weg zur politischen Spitze. Da

braucht eine Fehlermeldung, eine Störmeldung neun Tage, bis sie vom zuständigen Abteilungsleiter zum Staatssekretär gelangt, und weitere 15 Tage, bis sie vom Staatssekretär zum Minister gelangt.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Insgesamt dauert es 57 Tage, bis auf Druck aus Berlin die Abschaltung vorgenommen wird. So spielt sich Atomaufsicht in Baden-Württemberg ab.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Walter GRÜNE – Abg. Drexler SPD: So stellt man sich das auch vor! – Zurufe von der CDU)

Herr Scheuermann – da bin ich vielleicht sogar mit Ihnen, Herr Minister Müller, einig –, glauben Sie doch nicht, dass wir diese Fehler und Versäumnisse mit großer Freude registrieren

(Zuruf von der SPD: Genau!)

und aufarbeiten.

(Zuruf von der CDU: Heuchler!)

Das Sicherheitsinteresse der Bürger dieses Landes steht auf dem Spiel, und das haben Sie missachtet.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss werden mir mit Sicherheit bestätigen, dass die Arbeit dort nicht vergnügungssteuerpflichtig ist.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Ich füge ein Letztes hinzu: Interessanterweise wurde ja immer wieder in Zweifel gezogen – Herr Scheuermann, ein Zwischenruf von Ihnen hat das ja auch belegt –, dass wir den Ausschuss bräuchten. Herr Hauk, Sie haben ganz schön viele Beweisanträge gestellt, Sie haben an der Aufklärungsarbeit mitgewirkt.

(Abg. Hauk CDU: Wir verweigern uns nicht!)

Von den 59 Zeugen wurden etwa 20 aufgrund Ihrer Beweisanträge vernommen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: So sind wir! – Abg. Hauk CDU: Wenn, dann immer konstruktiv! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Wir sind halt objektiv! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: So sehen Sie aus mit Ihrem Gesicht! – Zurufe von der CDU)

Herr Minister Müller, wir haben nicht nur ein Informationschaos festgestellt, sondern wir haben in Ihrem Ministerium auch eine fast kindliche Naivität bei der Aufarbeitung der Störfälle registriert. Sie erinnern sich an die Äußerung eines TÜV-Mitarbeiters – die ja auch in der Presse kolportiert wurde –, man habe sich gefühlt wie vor einem Weihnachtsbaum, als man die Schaltanlage in Philippsburg gesehen habe. Also wie die Kinder am Weihnachtstag, so haben Ihre Beamten auch bei der Vernehmung im Ausschuss gewirkt. Man glaubt viel; man gibt sich überrascht, kennt aber die

wahren Zusammenhänge nicht und glaubt, dass es immer so weitergehe und dass es gut so sei.

(Lachen bei der SPD)