Protocol of the Session on October 2, 2003

b) Hat die Verzögerung der Mauteinführung Auswirkungen auf die Realisierung der in Baden-Württemberg vorgese

henen Straßen- und Schienenprojekte des Bundesverkehrswegeplans?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es wird sich zeigen, ob der Minister Bescheid weiß!)

Das Wort zur Beantwortung dieser Mündlichen Anfrage erhält der Minister für Umwelt und Verkehr, Herr Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Kollegen Behringer wie folgt:

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat mit dem Betreiber Toll Collect vereinbart, den Mautstart vom 31. August auf den 2. November 2003 zu verschieben. In den nächsten Tagen und Wochen wird sich zeigen, ob das Mautsystem betriebsbereit ist und ob die vorläufige Betriebserlaubnis vom Bundesamt für Güterverkehr erteilt werden kann.

Sie haben nach unserer Einschätzung gefragt. Dazu möchte ich etwas sagen: Die Landesregierung vertritt die mittlerweile auch von Bundesminister Stolpe vertretene Auffassung – wir vertreten sie schon seit längerer Zeit –, dass die Maut nur dann eingeführt werden kann, wenn das System stabil ist. Das heißt also, es kann nicht um irgendein Datum gehen, sondern es müssen die notwendigen Voraussetzungen vorliegen. Erst wenn die Voraussetzungen gegeben sind, kann man von einem Datum sprechen, aber nicht umgekehrt.

Dass dies bis zum 2. November 2003 der Fall sein wird, ist nach Auffassung der Landesregierung sowohl aufgrund der zu geringen Anzahl von Fahrzeuggeräten, der so genannten „On-board-Units“, als auch aufgrund der Softwareprobleme mit diesen Geräten und anderer Probleme ausgeschlossen. Experten beim BAG gehen darüber hinaus offenbar – richtigerweise – davon aus, dass eine Probephase von acht Wochen Dauer erforderlich ist. Aus heutiger Sicht bedeutet dies, dass die Mauteinführung erneut, und zwar deutlich, verschoben werden muss – nach unserer Einschätzung deutlich über die Jahreswende hinaus.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Im Bundeshaushalt sind für das Jahr 2003 Mauteinnahmen von 990 Millionen € und Betreiberkosten von 366 Millionen € angesetzt; das eine sind Einnahmen, das andere Ausgaben. Da der Bund angibt, vor der Erteilung der vorläufigen Betriebserlaubnis keine Betreiberkosten zu schulden, lassen sich daraus monatliche Einnahmeausfälle in Höhe von 156 Millionen € im Bundeshaushalt 2003 – wie gesagt: monatlich – errechnen. Allerdings sind die für das Jahr 2003 angesetzten Betreiberkosten von monatlich 91,5 Millionen € überproportional hoch. Die Betreiberkosten aufs ganze Jahr gerechnet, bei eingeschwungenem Zustand, betragen ja ungefähr 600 Millionen €. Also müssten es eigentlich 50 Millionen € pro Monat sein – 600 geteilt durch 12 macht 50. Tatsächlich liegen sie am Anfang deutlich höher: 91,5 Millionen €.

Die Landesregierung kennt die Vereinbarungen des Bundes mit dem Betreiber im Einzelnen nicht. Wenn jedoch überproportional hohe Betreiberkosten nach der Mautein

führung nunmehr im Jahr 2004 anfallen sollten, würden selbst bei einer Mautverschiebung – nur – auf den 2. November auch noch im Jahr 2004 Einnahmeausfälle entstehen, und zwar eben wegen dieser erhöhten Betreiberkosten am Anfang.

Frage b lautet: Hat die Verzögerung der Mauteinführung Auswirkungen auf die Realisierung der in Baden-Württemberg vorgesehenen Straßen- und Schienenprojekte des Bundesverkehrswegeplans? Antwort hierzu: Eine Verteilung der Einnahmeausfälle auf Einzelprojekte erfolgt nach Kenntnis der Landesregierung im Jahr 2003 nicht. Fest steht aber, dass die ursprünglichen Haushaltsmittel im Blick auf die Maut gekürzt worden sind, und zwar im Verhältnis 1 : 1. Das heißt, der Bund hat zu Beginn des Jahres mit der Einführung der Maut gerechnet und hat deswegen die ursprünglichen Haushaltsmittel um den Betrag, den er an Mauteinnahmen vermutet hat, gekürzt, sodass es insgesamt zu einem Nullsummenspiel gekommen ist.

Jetzt kommt die Maut nicht, aber die Haushaltsmittel bleiben gekürzt. Wenn nun die Maut ausfällt, werden umgekehrt aber keine Haushaltsmittel dem Bundeshaushalt zugeführt. Im Gegenteil: Zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesverkehrsministerium besteht vielmehr die Regelung, dass die ausgefallenen Mauteinnahmen zulasten des Haushalts des Bundesverkehrsministeriums in den Jahren 2004 bis 2006 gehen.

Um das in Zahlen auszudrücken, sage ich einmal, mit welchen Beträgen gerechnet werden könnte: Wenn die Mauteinnahmeausfälle eine bestimmte Größenordnung, die ich gleich beschreiben werde, haben und wir davon ausgehen, dass diese Ausfälle erstens in drei Jahren abgewickelt werden müssen und dass das zweitens komplett im Verkehr geschieht – der Haushalt von Herrn Stolpe ist etwas größer; da ist das Bau- und Wohnungswesen noch dabei; er könnte es theoretisch auch dort holen, aber wir unterstellen einmal, er würde es im Verkehr holen –, dann kann man auch in Bezug auf Baden-Württemberg folgende Rechnung aufstellen:

Rein rechnerisch könnte diese Belastung des Verkehrshaushalts des Bundes mit den Mauteinnahmeausfällen bedeuten: Bei einem Einnahmeausfall für sechs Monate – ich unterstelle jetzt einmal, es geht nicht am 1. September, sondern vielleicht erst am 1. März los – von 160 Millionen € pro Monat ergibt sich insgesamt ein Einnahmeausfall von rund 1 Milliarde €. Sechsmal 160 Millionen € sind 960 Millionen €. Wird das jetzt in drei Jahren abgestottert, muss diese Zahl wieder durch drei dividiert werden. Dann sind es pro Jahr 320 Millionen €, um die insgesamt gekürzt wird. Würde man jetzt unterstellen, dass das Land Baden-Württemberg 11 % dieser Mittel bekommt – das ist im Bundesfernstraßenbau ungefähr die Größenordnung –, dann ergeben sich logischerweise 35 Millionen €. Das wäre die Konsequenz der ausgefallenen Mauteinnahmen, wenn so vorgegangen wird. Theoretisch könnte man auch anders entscheiden, aber das ist der jetzige Entscheidungszustand.

Zusatzfrage, Frau Abg. Berroth.

Herr Minister, hat die Landesregierung – ich frage das im Hinblick auf dadurch bedingte Steuermindereinnahmen – einen Überblick, wel

che Einnahmeausfälle bzw. im Moment durch nichts begründete Zusatzkosten bei der baden-württembergischen Wirtschaft entstehen, die ja die Erträge und damit auch die hieraus zu zahlenden Steuern mindern werden?

Über solche Erkenntnisse verfüge ich nicht. Ich bedauere das. Ich kann dazu also nichts sagen.

Zusatzfrage, Herr Abg. Behringer.

Kann die Lkw-Vignette wieder eingeführt werden, oder entsteht auch noch Schadenersatzanspruch?

Die Situation ist ja ganz paradox: Bisher hatten wir die Lkw-Vignette, die zeitabhängig, nicht streckenabhängig war. Die Lkw-Vignette ist durch Vereinbarung auf europäischer Ebene zum 1. September unumkehrbar außer Kraft getreten – man glaubte, dass die Maut da eingeführt wird, was nun nicht stattfindet –, sodass dem Staat pro Monat noch einmal 40 Millionen € Einnahmeausfälle entstehen. Das ist im Moment eine Erleichterung für das Speditionsgewerbe, sozusagen ein hübscher Nebeneffekt.

Wenn man schon von der Summe aller Ausfälle spricht, sollte man vielleicht auch noch an Folgendes denken: Die Maut ist ja ein Kostenfaktor, der auf die Verlader abgewälzt werden soll. Die Preise werden dadurch entsprechend höher. Auf die Preise kommt noch die Mehrwertsteuer von bekanntermaßen immerhin 16 %. Solange die Maut nicht eingeführt ist, wird auch die entsprechende Mehrwertsteuer nicht erhoben. Dadurch ergibt sich natürlich ein weiterer Einnahmeausfall.

Diese beiden Einnahmeausfälle – die Ausfälle durch die nicht mehr erhobene Vignette und die Mehrwertsteuerausfälle – gehen unmittelbar zulasten des Bundesfinanzministers, nicht des Bundesverkehrsministers.

Die Größenordnung der Mehrwertsteuer kann man grob ausrechnen. Es sind eben diese 16 % der Mauteinnahmen, die eigentlich dazukommen, die sich Eichel schon als zusätzliche Einnahme ausgerechnet hatte.

Zusatzfrage, Herr Palmer.

Herr Minister, welcher Anteil der von Ihnen soeben gemachten Ausführungen beruht auf Hypothesen, Annahmen und Schlussfolgerungen des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, und welche konkreten Aussagen über eine Mittelreduktion für Baden-Württemberg haben Sie vonseiten des zuständigen Bundesministeriums?

Zunächst die erste Hälfte der Antwort: Meine Einschätzung bezüglich der Terminverschiebung beruht schlicht auf Aussagen aus der Wirtschaft, die ich mitbekomme. Ich kann Ihnen ganz simpel sagen: Wir hatten am Montag in unserem Haus eine Besprechung mit dem Verkehrsgewerbe und Toll Collect.

Wir sind weit entfernt von der Einhaltung des Termins 1. November. Weit entfernt! Das sagen beide Seiten übereinstimmend. Jetzt kann man sagen, die schwindeln und deswegen wissen wir immer noch nichts.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Mich interessieren die finanziellen Auswirkungen!)

Okay. Ich wollte zunächst einmal nur zum Zeitpunkt etwas sagen. Das beruht auf dem für uns verfügbaren Wissen.

Ich bin etwas verwundert über den Eiertanz in Berlin; das muss ich wirklich sagen. Ich habe übrigens dem Bundesverkehrsminister bereits Anfang September empfohlen, sich von dem Termin zu verabschieden und zu sagen, dass das nicht sein Termin ist, sondern ein Termin von Toll Collect. Das wäre für ihn vielleicht politisch klüger. Seither fängt er auch an, sich von diesem Termin zu verabschieden. Ich halte nichts davon, dass sich die Politik auf Termine festlegt, deren Einhaltung sie gar nicht in der Hand hat. Das ist unklug, aber das muss jeder selber wissen.

Was das Finanzielle anbelangt, habe ich ausdrücklich gesagt: Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass über sechs Monate hinweg Mautausfälle vorliegen, dass unser Anteil 11 % beträgt und dass das eintritt, was zwischen Bundesfinanzminister und Bundesverkehrsminister fest ausgemacht ist, nämlich dass Letzterer das Geld in drei Jahren zurückzuzahlen hat. Die einzige Nische besteht darin, dass entweder diese Entscheidung revidiert wird – aber dafür gibt es keine Anhaltspunkte – oder der Bundesverkehrsminister aus einem anderen Teil des Haushalts das Geld aufbringt. Wie er das, nachdem der Verkehrsteil der größte ist, machen will, weiß ich nicht. Deswegen habe ich ausdrücklich gesagt: Rechnerisch hätte es diese Folge.

Es könnte noch eine andere Folge geben, nämlich die, dass alle anderen Bundesländer mehr leiden als Baden-Württemberg. Dies vielleicht als Belohnung dafür, dass wir Herrn Stolpe geholfen haben, die Maut über die Rampe zu bekommen. Okay.

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Frau Berroth, zweite Zusatzfrage.

Bei der Umsatzsteuer gibt es ja auch einen Landesanteil. Wären Sie bereit, uns über das Finanzministerium eine Hochrechnung darüber zukommen zu lassen, in welcher Höhe dadurch dem Land Einnahmen wegbrechen?

Ja, das kann man einfach ausrechnen. Die Länder sind ja im Steuerverbund mit – wie viel sind es? – 42 % oder so etwas beteiligt. Wir können einmal eine Abschätzung vornehmen auf der Basis von sechs Monaten Verschiebung als Annahme. Wenn man die Annahme offen legt, weiß man, dass sich das Ergebnis ändert, wenn sich die Annahme als unzutreffend herausstellt. Das ist klar. Das kann ich gern machen.

Keine weiteren Zusatzfragen.

(Stellv. Präsident Birzele)

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 3 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. V o l k e r S c h e b e s t a C D U – B u n d e s f e r n s t r a ß e n b a u

Herr Abg. Schebesta, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Anfrage.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

a) Ist der Landesregierung bekannt, wie hoch nach dem Entwurf des Bundeshaushalts für 2004 die Mittelzuweisung des Bundes an das Land für den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen im nächsten Jahr ist?

b) Welche Mittelzuweisung müsste demgegenüber nach dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2003 erfolgen, um während dessen Laufzeit den vordringlichen Bedarf in Baden-Württemberg realisieren zu können?

Das Wort zur Beantwortung der Anfrage erhält der Minister für Umwelt und Verkehr, Herr Müller.

Auch dazu die Antwort der Landesregierung.

Zu Frage a: Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat dem Ministerium für Umwelt und Verkehr mit Schreiben vom 10. September 2003 auf der Grundlage des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2004 die – wörtliches Zitat – „vorläufigen Ansätze“ für die Bundesfernstraßenmittel des Landes Baden-Württemberg mitgeteilt. Danach soll das Land im Jahr 2004 einschließlich der Refinanzierung – die Refinanzierung betrifft bekanntermaßen das Leonberger Dreieck, das Projekt Freiburg-Ost und das Projekt Ravensburg/Weingarten – voraussichtlich 291,6 Millionen €, ohne die Refinanzierung 225 Millionen € aus konventionellen Haushaltsmitteln und Einnahmen aus der Lkw-Maut für den Neubau und die Erweiterung von Bundesfernstraßen erhalten. Hier ist also die volle Verfügbarkeit der Lkw-Maut im Jahr 2004 unterstellt.

Diese vorläufigen Ansätze haben rein informellen Charakter und stehen unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2004. Auf die Probleme mit der Maut und die indirekten Auswirkungen, die sich aus den Ausfällen des Jahres 2003 ergeben – sie können im Jahr 2004 noch fortwirken –, habe ich gerade aufmerksam gemacht.

Aber zunächst einmal haben wir die genannten Zahlen übermittelt bekommen. Um es noch einmal einfach zu sagen: Für Baumaßnahmen sollen wir im nächsten Jahr nach heutiger Einschätzung 225 Millionen € zur Verfügung haben.