Protocol of the Session on October 2, 2003

Noch vor Jahren wurde man mit der sozialen Keule erschlagen, wenn man überhaupt nur den Gedanken an Studiengebühren gefasst hat.

Die Diskussion um die Verwaltungsgebühren hat sich ein bisschen beruhigt. 40 € pro Semester – bleiben wir doch lebensnah – sind zehn Schachteln Zigaretten.

(Abg. Pfisterer CDU: Noch weniger! – Abg. Pfister FDP/DVP: Das wird teurer!)

Daraus eine Theorie von der Verelendung der Studenten zu entwickeln fällt sehr schwer. Ich muss Ihnen auch sagen – heute ist das Wort nicht gefallen; Herr Palmer, Sie spreche ich an –: An die Verelendung der Studenten glaube ich nur unter zwei Voraussetzungen: erstens wenn ich im Umkreis von 5 km um die Universität einen Parkplatz und wenn ich abends in der Kneipe einen Sitzplatz finde.

Danke schön.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU – Abg. Pfisterer CDU: Das war zutreffend! So ist es! Die neue Ar- mut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bregenzer.

Jetzt haben wir den Populismus auf die Spitze getrieben.

Eigentlich wollte ich nach dem Minister reden, weil ich gerne gehört hätte, was der Minister denn zur Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und zu unserer Einschätzung, der Einschätzung aller Fraktionen zu sagen hat und welche Stellung er dazu einnimmt. Ich wäre gerne darauf eingegangen und auch darauf, wie er denn die Lücke wahrnimmt zwischen dem Gesetz, das ja Lob findet, und der Umsetzung dieses Gesetzes in der Realität. Dabei ist es für uns relativ unerheblich, ob es der Minister ist, der die Realität ausbremst, oder ob es das Ministerium ist. Das Ergebnis ist eigentlich immer das gleiche.

Der Minister zieht es vor, zu warten, bis alle fertig sind und wir nicht mehr antworten können. Das kommt mir so ähnlich vor wie die Situation bei der Anhörung im Wissenschaftsausschuss, wo der Minister es vorgezogen hat, nicht anwesend zu sein. Nicht nur wir haben es als einen Affront empfunden, dass der Ausschuss die Rektorenkonferenzen zum Thema Autonomie und zu der Frage, was sie von dem neuen Gesetz erwarten, anhört und der Minister nicht dabei ist – ein einmaliger Vorgang in diesem Parlament.

Es sind einige Beispiele genannt worden – ich will sie nicht wiederholen –: die Thematik Detailversessenheit bei der Prüfungsordnung, die Thematik Blockade von Berufungen und damit die Behinderung von Entwicklungen im ganzen Land bei den kleinen Studiengängen trotz genehmigter Studien- und Entwicklungspläne; dass Sie, Herr Minister, es mit Ihrem Ministerium geschafft haben, die allgemeine Zustimmung zum Auswahlverfahren ins Gegenteil zu verkehren, weil Sie das Verfahren in der Umsetzung überreguliert haben; der Kampf mit dem Finanzminister und die Einsparvorschläge, die nichts anderes sind als ein Bruch des Solidarpakts. Da bewundere ich wirklich Ihre Blauäugigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, dass, wenn wir über Studiengebühren neues Geld in die Hochschulen bringen, die Finanzminister sich nicht gleichzeitig auf schnellstem Wege aus der Finanzierung weiter zurückziehen werden, als sie es bisher tun.

(Abg. Pfisterer CDU: Haben Sie Vertrauen zu uns! – Gegenruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!)

Das Vertrauen haben die Finanzminister selber verspielt, und zwar relativ unabhängig von der Parteizugehörigkeit, lieber Kollege Pfisterer.

Das, was Kollege Schüle zu der Thematik beigetragen hat, war auch mehr als enttäuschend. Nur nach Berlin zu schimpfen und gegen Regelungen zu polemisieren, denen der eigene Minister zugestimmt hat, nämlich dem neuen ZVS-Verfahren, ist wohl nicht die angemessene Art, mit der Thematik umzugehen, unser Hochschulgesetz zu erneuern.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wir sollten eine Hochschulgesetznovelle auf den Weg bringen, die geprägt ist von der Rücknahme der Regulierung, von der Zunahme von Vertrauen und von der Zunahme der Wahrnehmung der politischen Verantwortung. Das ist ein Thema, das Frau Bauer heute angesprochen hat, ein Thema, das wir alle noch

nicht richtig in den Griff bekommen haben, wo sich das Ministerium auch sehr vornehm zurückhält, das Parlament wirklich in die weitere Entwicklung der Hochschullandschaft einzubeziehen. Wir Sozialdemokraten erwarten uns von dem neuen Hochschulgesetz und der Umsetzung durch Ministerium und Parlament mehr politische Verantwortung und weniger Detail.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Fraktionsvorsitzender Pfister, ich danke Ihnen zunächst einmal für die Große Anfrage der Fraktion der FDP/ DVP, die uns die Gelegenheit gibt, das Thema Autonomie bzw. „Eigenverantwortung staatlicher Institutionen“ zu diskutieren.

Ich danke Ihnen aber auch für Ihre Eingangsbemerkung, zur Bewertung der Hochschulgesetze habe es eine Kommission des Stifterverbands gegeben und diese Kommission sei hochkarätig besetzt gewesen. Denn ich war selber Mitglied in dieser Kommission.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das habe ich gewusst! Darum habe ich es doch gesagt, Herr Minister!)

Ich habe mich allerdings zurückgezogen, als ich Minister wurde, um nicht über ein Gesetz mit zu befinden, für das ich selbst Verantwortung trage.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist klar!)

Warum war ich Mitglied dieser Kommission? Ich war es deshalb, weil ich als Rektor der Universität Mannheim wie auch die Vertreter der TU München eine Universität vertreten habe, die das Leitbild der deutschen Hochschulreform gewesen ist. Wenn ich also hier über die Fragen von Autonomie, Eigenverantwortung und Strukturen spreche, dann nicht aus irgendeiner Theorie heraus, sondern aus einer insgesamt zehn Jahre langen Praxis der Umgestaltung von Hochschulen.

In den Bewertungen des Stifterverbands schneidet BadenWürttemberg sehr gut ab. Aber man muss die Bewertungen vor dem Hintergrund der Fragestellung der Kommission des Stifterverbands relativieren. Der Stifterverband geht und die Kommission ging nach einer erheblichen internen Diskussion eigentlich von dem Leitbild einer privaten USamerikanischen Hochschule und ihrer Autonomie aus, also von einer Hochschule, die sich ihre Mittel selber erwirtschaftet. Wäre er von dem Leitbild amerikanischer staatlicher Hochschulen, also von State University Systems, ausgegangen, dann wären manche Bewertungen anders ausgefallen.

Denn auch in den amerikanischen Staatssystemen gibt es natürlich eine übergeordnete Institution, die zum Beispiel für eine gemeinsame Struktur- und Entwicklungsplanung zuständig ist. Es gibt kein Staatssystem ohne staatliche Verantwortung für die Gesamtstruktur und die Gesamtausprä

gung des Hochschulsystems. Denn davon hängt das ab, was der Staat sozusagen an Ausbildungsverantwortung und Bildungsverantwortung für die jungen Menschen hat – und die kann dem Staat niemand abnehmen –

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist richtig!)

und auch welche Aufgabe er in der Forschungskoordinierung hat.

Und nur ein Nebenwort: Eine solche übergeordnete amerikanische Behörde in einem State System hat wesentlich mehr Beamte, als unser Ministerium in der Hochschulabteilung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Und als Nebensatz: Wenn wir all das als Service anbieten wollten, was hier thematisiert worden ist, dann kann ich nur sagen: Das können wir aus Personalmangel nicht leisten. Das heißt, man muss wissen, von welchem Modell man ausgeht.

Es gibt eine zweite Einschränkung dessen, was als Autonomie bezeichnet wird; und da dies keine Autonomie wie in einer amerikanischen Privatuniversität sein kann, Frau Bauer, sprechen wir von der strategischen Partnerschaft. Die eine Seite ist also die staatliche und damit auch die Parlamentsverantwortung für Strukturen.

Die zweite Seite ist die Parlamentsverantwortung für das Budget. Unsere Hochschulen und ja auch die Drittmittel sind quasi weitestgehend, zu weit über 90 %, staatlich finanziert. Das heißt, die Haushalte und das Haushaltsrecht werden hier vom Parlament verantwortet, und die Planung und Ausführung wird von uns, von der Regierung verantwortet. Dieses Recht kann dem Parlament durch eine Autonomie der Hochschulen nicht genommen werden. Das bedeutet, dass es sich nicht um eine strategische Partnerschaft zwischen Ministerium und Hochschulen handelt, sondern um eine strategische Partnerschaft zwischen dem Staat bzw. seinen dafür verantwortlichen Institutionen und den Hochschulen. Von diesem Leitbild müssen wir ausgehen.

Es ist natürlich schon interessant, wenn volle Autonomie gefordert wird, dann aber sowohl im Wissenschaftsausschuss als auch hier das Beispiel der Universität Stuttgart gebracht wird und von uns verlangt wird, dass wir in den Diskussionsprozess einer Universität schon dann eingreifen müssen, wenn einigen Abgeordneten nicht gefällt, was dort diskutiert wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Da frage ich, welcher Autonomiebegriff eigentlich in diesen Köpfen ist. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist ein Autonomiebegriff aus einer längst überwundenen sozialistischen Vergangenheit nach dem Motto: Ihr dürft frei sein, solange wir wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie warten, bis der Karren an die Wand gefahren ist! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU: Unverbesserlich!)

Frau Bregenzer, in einem Rechtsstaat gibt es Gesetze, und diese Gesetze halten wir ein.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Aber Sie wissen auch, dass die Lehrerbildung garantiert werden muss!)

(Minister Dr. Frankenberg)

Das heißt: Erst dann, wenn eine Hochschule in den dafür zuständigen Gremien Beschlüsse gefasst hat, können wir reagieren.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wir könnten auch be- ratend tätig werden! Beratende Tätigkeit ist nicht verboten!)

In dem Wort „Hochschulrecht“ sollte man auch den Begriff „Recht“ unterstreichen.

(Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut! Das kann man nicht oft genug sagen!)

Bei dem Gesamtthema der FDP/DVP stellt sich die Frage: Was wäre an zusätzlicher Eigenverantwortung noch an die Hochschulen zu geben, die schon jetzt eine weit gehende Eigenverantwortung haben? Es gibt zwei Bereiche, über die eigentlich diskutiert werden müsste. Das eine ist die Dienstherreneigenschaft, und das andere ist die Bauherreneigenschaft.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir sollten wirklich bei den Punkten die Diskussion führen, wo sie sachlich geboten ist.

Bei der Dienstherreneigenschaft muss man unterscheiden zwischen dem, was für die Hochschulen wirklich von Vorteil wäre, und dem, was bei der Übertragung der Dienstherreneigenschaft für die Hochschulen von Nachteil, weil von hohem Risiko wäre.

Von hohem Risiko ist, was man in Berlin gemacht hat. Dort wurden alle Personallasten übertragen, also nicht nur die Gehälter, sondern auch die Pensionen und die gesamten Beihilfelasten. Wir wissen, dass in Berlin Fakultäten geschlossen werden müssen, um die Pensionslasten für die Professoren und Professorinnen tragen zu können.

(Abg. Pfisterer CDU: Wahnsinn! – Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Das heißt, wenn wir an eine weiter gehende Übertragung aus dem Bereich der Dienstherreneigenschaft denken – und wir denken an diesen Weg –, sollten wir vermeiden, dass kleine Einrichtungen zu große Risiken tragen müssen, die sie nicht tragen können, zum Beispiel Pensionslasten, Beihilfelasten und Ähnliches.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)