Protocol of the Session on October 2, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 51. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Krank sind heute gemeldet die Herren Abg. Alfred Haas und Stephan Braun.

Dienstlich verhindert sind Herr Ministerpräsident Teufel sowie die Minister Dr. Döring, Dr. Palmer, Stratthaus und Stächele.

(Abg. Drexler SPD: Alle auf dem Volksfest! – Hei- terkeit)

Alles im Interesse des Landes.

(Beifall und Heiterkeit)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Hochschulgesetzliche Regelungen zur Rechtsform der Hochschulen, zum Zusammenwirken Staat/Hochschule, zum Personalwesen und zur Hochschulzulassung im Ländervergleich; Bewertung der vergleichenden Untersuchung der Landeshochschulgesetze durch den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – Drucksache 13/1470

b) Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Hochschulgesetzliche Regelungen zur Haushaltswirtschaft sowie zur Qualitätsentwicklung und Evaluation im Ländervergleich – Drucksache 13/1471

c) Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Hochschulrecht im Ländervergleich – Leitungsstrukturen und Gremien, Studium und Lehre sowie Forschung – Drucksache 13/1489

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache zehn Minuten je Fraktion und für das Schlusswort zu a bis c fünf Minuten.

Das Wort in der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sommer des vergangenen Jahres hat eine hochkarätig besetzte Kommission des Stifterverbands für

die Deutsche Wissenschaft eine Studie vorgelegt. In dieser Studie ging es um die Frage, welches deutsche Bundesland am ehesten von sich sagen kann, dass es das Ziel der Autonomie der Hochschulen erreicht hat. Welches Bundesland kann das in erster Linie für sich in Anspruch nehmen? Welches Bundesland in Deutschland hat am meisten Wettbewerb in seinen Hochschulgesetzen verankert?

Wenn Sie sich diese Studie und ihr Ergebnis anschauen, werden Sie feststellen, dass Baden-Württemberg mit seiner Hochschulpolitik und seinen Hochschulgesetzen ganz hervorragend abschneidet und eine Vorreiterrolle in Sachen Autonomie für die Hochschulen einnimmt. Insgesamt wird Baden-Württemberg zusammen mit vier weiteren Bundesländern in die Spitzengruppe eingeordnet. In elf von insgesamt 28 Untersuchungsbereichen erhält Baden-Württemberg die Note „best law“, und in sieben Fällen erreicht Baden-Württemberg den ersten Platz und damit eine absolute Spitzenposition.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Drautz FDP/DVP: Bravo! – Abg. Bir- zele SPD: Ganze fünf Leute von der Koalition ha- ben Beifall geklatscht!)

Es ist im Einzelnen nachzulesen, in welchen Untersuchungsbereichen und in welchen Leitbildern des Stifterverbands diese Bestnoten erreicht worden sind. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob die Förderung der Hochschulen und deren finanzielle Ausstattung ausschließlich nach dem Gießkannenprinzip geschieht oder ob auch leistungsbezogene Elemente berücksichtigt werden. Weiterhin gehört dazu die rechtliche Stellung der Hochschulleitung, dazu gehört die Frage der Zuständigkeit des Dekans für Sach- und Personalmittel, und dazu gehört der Bereich der Forschung und der Forschungsförderung. Das waren einige der Kriterien. Noch einmal: Bei diesen Kriterien hat BadenWürttemberg eine Spitzenstellung erreicht.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass diese Studie aufzeigt, an welchen Stellen wir die eingeleiteten Entwicklungen noch weiter vorantreiben müssen. Man kann nicht verhehlen, dass es auch in Baden-Württemberg noch Bereiche gibt, in denen Überregulierungen vorherrschen. Abbau dieser Überregulierungen muss die Devise sein; oder positiv ausgedrückt: Auch in Baden-Württemberg gibt es noch genügend Spielraum, um die Autonomie der Hochschulen weiter zu stärken.

Ich will einige Punkte ansprechen, bei denen ich Handlungsbedarf sehe.

Erstens: bei der Genehmigungspflicht für die Struktur- und Entwicklungsplanung. Es ist selbstverständlich, dass dem Land und der Landespolitik für die von ihm getragenen Hochschulen eine Gesamtverantwortung zukommt. Das Land – damit auch der Landtag – muss auch bei autonomen Hochschulen die Möglichkeit haben, die Entwicklung der baden-württembergischen Hochschullandschaft insgesamt zu steuern. Sollten zum Beispiel alle Universitäten oder Fachhochschulen gleichzeitig auf die Idee kommen, ein bestimmtes Studienangebot streichen zu wollen, das dann im Land überhaupt nicht mehr vertreten wäre, so muss das Land, so muss die Politik die Möglichkeit haben, dem entgegenzusteuern.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Auf die Entwicklung der Hochschullandschaft insgesamt wirkt das Land zum einen durch die von ihm gesetzten Rahmenbedingungen ein. Zum anderen muss es die Möglichkeit haben, die Entwicklung der einzelnen Hochschulen koordinieren und vor dem Hintergrund der landesweiten, die einzelnen Hochschulen übergreifenden Entwicklung aufeinander abstimmen zu können. Eine Genehmigungspflicht der Struktur- und Entwicklungspläne der Hochschulen durch das Ministerium, die nicht ausdrücklich auf diese Koordinierungsfunktion beschränkt ist, wäre ein Einfallstor für faktische Überregulierung. In einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses ist auch die Klage geführt worden, dass zu massiv in die Strukturentwicklung und in die Strukturplanung eingegriffen werde und das Erfordernis eines landesweiten Abgleichs nicht immer gerechtfertigt sei. Meine Damen und Herren, wir sollten und müssen dies abstellen, weil wir geeignete Externe für die Mitarbeit im Hochschulrat gewinnen wollen. Diesem vor allem steht die Aufgabe dieser Planung zu.

Zweiter Punkt: Leitungsstrukturen. Die Studie des Stifterverbands erteilt unseren Regelungen der Leitungsstrukturen und der Zuweisung von Entscheidungskompetenzen für die Zentralebene eine Bestnote. Für die Fakultäts- bzw. Fachbereichsebene erreichen wir diese nicht, weil das Land durch die Genehmigungspflicht einseitig in die Binnengliederung der Hochschulen eingreifen kann. Entsprechendes gilt für die Basisebene, für die uns der Stifterverband auch ein Zuviel an gesetzlichen Vorgaben attestiert. Ich halte es für geboten, den Hochschulen ein nicht der Genehmigungspflicht des Ministeriums unterliegendes Gliederungsrecht in eigener Verantwortung zu geben. Dies ist auch der ausdrückliche Wunsch der Rektoren.

Drittens: Berufungsverfahren. Die Regelungen der Berufungsverfahren weichen vom entsprechenden Leitbild des Stifterverbands, nach dem die Verantwortung für Berufungen bei der Hochschulleitung liegen soll, besonders stark ab. Vonseiten der Universitätsrektoren werden dem Ministerium unnötige Verzögerungen der Verfahren vorgeworfen. Die Landesregierung führt in ihrer Stellungnahme unter anderem aus, den Gedanken des Stifterverbands aufgreifen zu wollen – dafür bin ich dankbar –, in die Berufungskommissionen verstärkt externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufzunehmen. Wir halten es ebenso wie der Stifterverband für richtig, im Gegenzug die staatliche Mitwirkung einzuschränken und auf ein Leitungsorgan der Hochschule zu übertragen.

Vierter Punkt: Prüfungs- und Studienordnungen. Der Stifterverband hält den Vorwurf aufrecht, dass die neuen Regelungen des Hochschulgesetzes bezüglich der Prüfungs- und Studienordnungen durch das Ministerium unterlaufen werden. Das Ministerium habe die Rechtsaufsicht zur verkappten Fachaufsicht entwickelt, durch die Eckdatenverordnungen für die Prüfungsordnungen seien die früheren Einwirkungsmöglichkeiten des Ministeriums de facto erhalten geblieben – so der Vorwurf und die Stellungnahme des Stifterverbands sowie der Rektoren in der Anhörung.

Fünfter Punkt: Evaluation. Autonomie der Hochschulen und Evaluation gehören untrennbar zusammen. Die Hochschulen sind bereit, sich der Evaluation zu stellen. Sie haben allerdings kein Verständnis dafür, dass sich die einzelnen Hochschulen derzeit im selben Jahr bis zu drei Evaluationsverfahren durch verschiedene Institutionen unterziehen müssen. Ihrer Forderung, die Zahl der Verfahren zu reduzieren und Evaluationen grundsätzlich in einem festgelegten Rhythmus, zum Beispiel jeweils nach drei Jahren, durchzuführen, sollten wir folgen.

Sechster Punkt: Rechtsform der Hochschulen. Der Frage der Rechtsform der Hochschulen kommt in bestimmter Hinsicht aus meiner Sicht nachrangige Bedeutung zu.

(Abg. Capezzuto SPD: Na also!)

Wer den Hochschulen das Gebäudemanagement und die Dienstherreneigenschaft übertragen will, kann dies bereits mit den heute bestehenden Hochschulgesetzen tun. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass die Wahl einer anderen Rechtsform ein zusätzliches Moment der Stärkung von Autonomie und Wettbewerb sein kann.

(Abg. Hauk CDU: Welcher Rechtsform?)

Unsere Hochschulgesetze lassen andere Rechtsformen zu. Ich plädiere dafür, insbesondere die Möglichkeit der Schaffung von Stiftungshochschulen stärker zu forcieren.

(Abg. Pfisterer CDU: Und wo kommt das Geld her?)

Siebter Punkt: Meine Position in der Frage der allgemeinen Studiengebühren ist bekannt. Bei den Studiengebühren in Deutschland können wir im Augenblick Fehlanzeige vermelden.

(Abg. Pfisterer CDU: Leider!)

Die Gründe sind bekannt. Ich bin für die Einführung von Studiengebühren, jedenfalls dann, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:

Erstens: Eine Studiengebühr darf nicht zu einem sozialen Numerus clausus führen.

(Abg. Hauk CDU: Sehr gut!)

Unser Modell der nachlaufenden Studiengebühren könnte dem entgegentreten.

Zweitens: Wenn wir Studiengebühren erheben, dann müssen diese Mittel bei der Hochschule selbst oder sogar der Fakultät zur Qualitätsverbesserung verbleiben.

Drittens: Wenn wir Studiengebühren einführen, können wir selbstverständlich auf die Langzeitgebühren und den Verwaltungskostenbeitrag verzichten.

(Abg. Pfisterer CDU: Da machen wir mit! – Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Ich beklage sehr, meine Damen und Herren, dass den Ländern und den Länderparlamenten diese Möglichkeit bis zur Stunde verwehrt wird. Schuld daran ist ein Hochschulrahmengesetz,

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Das schaffen wir ab!)

das dies nicht ermöglicht.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Immer wieder die in Ber- lin! – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Meine Damen und Herren, man kann über Studiengebühren verschiedener Meinung sein. Man kann dafür sein, man kann dagegen sein. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist aber, dass in Berlin die Vorstellung herrscht, man könne den Ländern vorschreiben, was sie in dieser Frage zu tun oder zu lassen haben.

(Abg. Pfisterer CDU: Unglaublich so etwas! – Zu- ruf des Abg. Hauk CDU)

Ich sage Ihnen: Dieses Hochschulrahmengesetz ist so unnötig wie ein Kropf und muss deshalb verschwinden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Hauk CDU: Sehr gut! – Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut! Und die Regierung mit!)

Zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis: BadenWürttemberg hat eine Vorreiterrolle in Sachen Autonomie der Hochschulen. Das wurde durch diese Studie eindeutig attestiert. Wir haben bereits ein Höchstmaß an Autonomie und damit an Wettbewerbsfähigkeit, auch an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, und somit auch an Qualität. Wir haben unsere Hochschulen in der Vergangenheit weit vorangebracht. Wir haben auch den Reformprozess weit vorangebracht.