Protocol of the Session on October 1, 2003

Deswegen ist es richtig, wenn wir darüber eine möglichst ideologiefreie, eine möglichst sachkompetente Diskussion führen. Deswegen ist klar, dass wir auch der Bundesregierung sagen müssen: Sie haben einerseits den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, Sie haben andererseits die Reduzierung des CO2-Ausstoßes beschlossen, und Sie haben – Sie halten uns unsere Gutachten immer vor – Gutachten in Auftrag gegeben, die belegen, dass diese beiden Ziele nicht miteinander vereinbar sind – Gutachten des Bundesumweltministeriums.

Ja, meine Damen und Herren, das muss man genauso zur Kenntnis nehmen wie den Umstand, dass Sie Ihre Bereiche immer nur einseitig darstellen wollen. Wenn es Ziele gibt, die Sie sich gesetzt haben – der Kollege Drexler sagt, die Landesregierung operiere mit Zielen, die sie dann selbst infrage stelle –, müssen Sie doch wenigstens einmal die Gutachten betrachten, die die von Ihnen selbst gestellte Bundesregierung in Auftrag gibt, und fragen, ob diese beiden Ziele überhaupt gemeinsam erreichbar sind. Die Gutachten des Bundesumweltministeriums kommen zu dem Ergebnis: Sie sind nicht beide gleichzeitig erreichbar. Das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen.

Deswegen ist eine sachgerechte, kompetente und ernsthafte Diskussion über die Nutzung der Kernenergie dringend notwendig, auch in Baden-Württemberg, auch hier im Landtag, meine Damen und Herren.

(Minister Dr. Döring)

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Das heißt, Herr Kollege Drexler – das hat das Landeskabinett gestern in voller Übereinstimmung festgestellt –: Wir führen keine Standortdebatte über ein neues Kernkraftwerk.

(Abg. Schmiedel SPD: Frau Schavan!)

Die Landesregierung hat gestern in großer Übereinstimmung festgestellt: Wir führen keine Debatte über ein neues Kernkraftwerk in Baden-Württemberg.

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Wir brauchen keine Standortsuche, wir brauchen auch kein neues Kernkraftwerk. Erstens.

Zweitens: Dass wir aber aus dem Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung aussteigen wollen, steht für die Landesregierung und die Regierungsfraktionen fest. Dies festzuhalten ist wichtig, weil wir dieses Ausstiegsszenario realistischerweise gar nicht einhalten können. Deswegen ist es sinnvoll, zu sagen: Lasst uns offen sein – wahrscheinlich hat Herr Kollege Oettinger das deswegen in einem Interview mitgeteilt, weil er heute nicht da sein kann – für eine Diskussion über die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke in Baden-Württemberg, die ständig auf Sicherheit überprüft werden – –

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Unruhe bei der SPD und den Grünen)

Wissen Sie, Frau Dederer, ich halte es für unglaublich, was Sie da machen!

(Abg. Schmiedel SPD: Die Kultusministerin!)

Das ist eine beharrliche Verunsicherung der Bevölkerung. Sie machen mit Angst Politik. Das ist das Erbärmlichste, was man überhaupt machen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE – Unruhe)

Mit Angst machen Sie Politik; das halte ich für das Erbärmlichste, was man überhaupt machen kann.

Wenn Sie diese Diskussion offen annehmen und in aller Klarheit sagen: „Wir werden uns über die Laufzeit unterhalten müssen, weil der Energiemix auf Jahre hinweg bestehen muss, auch zusammen mit der Kernenergienutzung“, dann werden wir ganz selbstverständlich diese Diskussion mit Ihnen führen. Und ich sage Ihnen: Wir verabschieden uns doch überhaupt nicht von den Zielen, die wir uns gesetzt haben. Nur, Herr Kollege Drexler: Natürlich haben wir „2010“ hineingeschrieben und haben gesagt: Das machen wir auch. Nun müssen Sie aber sehen: An der Zielvorgabe – das hat auch Herr Kollege Müller gestern im Kabinett bekräftigt – halten wir fest. Wir müssen aber auch die Realität bezüglich der Haushaltssituation berücksichtigen.

Wenn wir ein oder sogar zwei Gutachten haben, die uns beide sagen, wir bräuchten pro Jahr etwa 40 Millionen €, um das Ziel punktgenau zu erreichen, dann kann ich nur sa

gen: Wir müssen an der Zielvorgabe weitestgehend festhalten; die Punktlandung wird aber aufgrund des hohen Mittelbedarfs, der da angegeben ist, nicht unbedingt möglich sein. Wir geben aber das Ziel, die Verdopplung des Anteils der regenerativen Energien bis 2010 zu erreichen, nicht auf.

Lassen Sie mich zur Wasserkraft auch noch ein paar Takte ausführen, weil Sie das angesprochen haben. Ein Mitarbeiter aus meinem Ministerium sagte mir gerade eben, wir seien seit 1992, also als Sie damals in der Regierung waren – mit nicht ausreichendem Einsatz –, hinter dieser Großen Wasserkraft in Rheinfelden her. Wir haben uns vonseiten des Wirtschaftsministeriums von Baden-Württemberg 1998 wieder sehr rasch darum bemüht, dass die Große Wasserkraft in Rheinfelden berücksichtigt wird. Jetzt haben wir das Jahr 2003, und die Große Wasserkraft ist bei Rot-Grün immer noch nicht durch.

(Abg. Walter GRÜNE: Das war doch der Rexrodt!)

Deswegen fordere ich Sie dazu auf, dass Sie freundlicherweise – Herr Kollege Walter, was hilft der Blick zurück? –

(Lachen bei der SPD und den Grünen)

mit Rot-Grün dafür sorgen, dass wir die Große Wasserkraft in das EEG hineinbekommen. Dann wären wir für BadenWürttemberg einen gewaltigen Schritt weiter –

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

nicht nur für Rheinfelden, sondern auch, was die Modernisierung von Anlagen angeht.

(Abg. Drexler SPD: Sie können doch selbst etwas dafür tun!)

Denn weil bei uns in Baden-Württemberg die Wasserkraft mit Abstand mehr bringen wird als die Windkraft, setzen wir hier im Land auf die Wasserkraft. Dabei bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Sie können dies in Berlin auf den Weg bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die Große Wasserkraft ist das eine. Das andere, worum es meiner Meinung nach auch geht, ist – das werden Sie einräumen müssen –: Wir müssen immer im Auge behalten, dass wir in allen Forschungsbereichen – das sind die Institute, die sich in Baden-Württemberg mit der Solarenergie befassen – enorm viel tun. Das gilt, wie Sie wissen, gerade für Freiburg. Wir müssen auch im Auge behalten, dass wir im Bereich der Brennstoffzelle enorm viel tun – übrigens auch mithilfe von Mitteln aus der Landesstiftung, die ja immer wieder heftig kritisiert wird –, dass wir in der Forschung auf Zukunftstechnologien und alternative Energien setzen. Wenn wir dies über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg vergleichen, stellen wir fest, dass Baden-Württemberg bezüglich der für diesen Forschungsbereich vergebenen Mittel auf einem guten und ungefährdeten dritten Platz liegt. Diese Förderung der Forschung werden wir auch fortsetzen.

(Zuruf der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

(Minister Dr. Döring)

Wir haben in der jetzigen Haushaltsdiskussion genau diese Institute weitestgehend ausgeklammert, weil wir wissen, dass in den Bereichen Forschung und Entwicklung, alternative Energien, neue Technologien wie zum Beispiel die Brennstoffzelle für Baden-Württemberg eine Chance liegt. Diese Chance wollen und werden wir nutzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir müssen an einer Stelle – ich habe das schon beim letzten Mal gemacht; bedauerlicherweise müssen wir das erneut einräumen – mit Sicherheit einräumen, dass wir noch nicht all das haben, was hilfreich und wertvoll wäre. Das betrifft die Frage der Umsetzung dessen, was aus den Forschungsergebnissen kommt, in marktfähige Produkte.

(Abg. Drexler SPD: Fast nichts!)

Das ist der Bereich, bei dem ich das – ich nehme das als Kritik vonseiten der Opposition und auch aus den eigenen Reihen – als eine berechtigte Kritik annehme. Es geschieht zu wenig, um das, was in den Forschungsinstituten erforscht wird, in konkrete, marktfähige Produkte umzusetzen. Dort haben wir ein Defizit. Dort gilt es, Nachholbedarf aufzuholen. Dies müssen wir einräumen, und das räumen wir auch ein. Wir werden uns aber nicht auseinander dividieren lassen.

Damit komme ich zu Freiburg. Dort hat eine Übereinstimmung bestanden. Es gab dort keine Genehmigung. Mit dieser Mär, mit dieser Legende muss man einmal aufräumen.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Die gab es nicht. Es gab dort keine Genehmigung.

Es gibt den Petitionsausschuss. Dabei gehe ich nicht auf das Regierungspräsidium oder auf Mitarbeiter ein. Vielmehr gehe ich hin und sage: Ich habe da noch nicht gesessen. Sie sagen, ich hätte dort gesessen. Ich saß da nicht – nur als Kleinigkeit zur Korrektur.

Es ist aber völlig klar: Was vom Wirtschaftsministerium gemacht worden ist, hat der Minister zu verantworten. Im Petitionsausschuss haben wir zunächst einmal gesagt: Wir müssen auch die Zumutbarkeit berücksichtigen, wir müssen die Ermessensspielräume berücksichtigen. Das war der Punkt, den wir im Petitionsausschuss berücksichtigt haben. Deswegen hat sich unser Vertreter im Petitionsausschuss so geäußert. Da gibt es überhaupt keinen Abzug. Das ist so geschehen, auch mit Billigung der Amtsführung.

Wir haben uns die gesamte Situation angeschaut. Wir haben den gesamten Ablauf auf einer Landespressekonferenz vorgestellt. Aber Sie brauchen das halt ein drittes Mal, weil Sie jetzt eine Landtagsdebatte haben. Deshalb müssen Sie das noch einmal aufwärmen. Ich habe dem Ministerpräsidenten im Juli dieses Jahres einen Brief geschrieben. Darin habe ich die Situation geschildert und meine Position dargelegt, wonach wir meiner Einschätzung nach von dieser Petitionsausschusshaltung abweichen müssen und uns darüber unterhalten sollen. Wir sind im Konsens gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, das Sie kennen. Da gab es kein Zurück und kein Hin- und Herpfeifen. Das ist Unfug. Das würde

Ihnen vielleicht so gefallen. Es war nicht so. Es ist eine Konsensabstimmung gewesen, und wir haben dort so gehandelt.

Mir wäre es auch lieber, man hätte die Position von Anfang an – aber nicht im Wirtschaftsministerium, sondern an einer anderen Stelle – gleich so eingenommen.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Sehr richtig!)

Das war nicht so. Da gibt es jetzt keine Schuldzuweisung. Es gibt ein Dazu-Stehen. Die Position, die wir vonseiten der Landesregierung übereinstimmend vortragen, gilt. An der werden wir auch festhalten.

Strich darunter: Dies ist eine Diskussion, die notwendig ist und die wir auch in aller Offenheit führen, weil wir dazu stehen, dass wir einen Energiemix brauchen und – ich sage es noch einmal – auf Jahre hinaus brauchen werden. Wir brauchen eine verlässliche Energieversorgung in BadenWürttemberg. Wir brauchen sie möglichst umweltschonend, und wir brauchen ihre Wirtschaftlichkeit. Diese drei Ziele verfolgt die Landesregierung mit ihrer Energie- und Umweltpolitik, und diese drei Ziele werden in Baden-Württemberg erreicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Witzel GRÜNE meldet sich zu Wort. – Abg. Schmiedel SPD: Er kneift! – Glocke des Präsiden- ten)