Herr Scheuermann, es wird nicht richtiger, wenn Sie sich weiter nach vorne setzen und laut dazwischenrufen.
Wir finden in Ihrer Regierungserklärung keinerlei Aussagen zum Thema ÖPNV, keinerlei Aussagen zum Thema Radverkehr.
Wie im Verkehrsbereich die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Baden-Württemberg 2020 geschaffen werden sollen, bleibt im Dunkeln, meine Damen und Herren.
Einfach nur „Mehr davon“ – der Wahlslogan der FDP/ DVP –, wohl mehr vom Bestehenden, das ist zu wenig. Und für eine konservative Partei, die sich aus ihrem christlichen Menschenbild heraus für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen sollte,
ist es ein Armutszeugnis, nicht angeben zu können, wie man Mobilitätsbedürfnisse befriedigt, ohne gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören.
Auch in der Landwirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, habe ich nicht das Gefühl, dass hier die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Jahr 2020 geschaffen werden. Der neue Landwirtschaftsminister Willi Stächele hat sich sicherheitshalber mit einem kräftigen „Weiter so!“ positioniert.
Und wenn man Ihnen, Herr Ministerpräsident, letzte Woche zugehört hat, dann bekam man den Eindruck und wird den nicht los, dass BSE für Sie letztendlich eine Art Betriebsunfall war, also eine Geißel Gottes, für die man nichts kann und bei der man folglich auch nichts ändern muss. Dabei – da sind wir uns, glaube ich, einig – haben BSE und die Folgen die Landwirtschaft tief ins Mark getroffen und viele Betriebe – und das heißt in Baden-Württemberg natürlich besonders viele bäuerliche Familienbetriebe – an den Rand des Ruins gebracht. In dieser Situation – da bin ich mir sicher, Herr Ministerpräsident – wollen die Menschen kein „Weiter so!“, sondern erwarten, dass die Politik die Rahmenbedingungen in Richtung einer besseren Lebensmittelqualität, in Richtung einer transparenteren Lebensmittelerzeugung und in Richtung einer artgerechteren Fütterung und Haltung der Nutztiere setzt.
Das sind Dinge, die in den Mittelpunkt der Politik gehören, wenn man wie Sie, Herr Ministerpräsident, den Anspruch erhebt, die Voraussetzungen für ein erfolgreiches BadenWürttemberg 2020 schaffen zu wollen.
Entscheidend ist jetzt, wie die Länder diese Maßnahmen, die auf Bundesebene getroffen wurden, durch eigene Projekte ergänzen. Sieht man einmal von dem altbekannten MEKA-Programm ab, tut sich in Baden-Württemberg, gelinde gesagt, nicht viel.
Wo ist das seit Jahren angemahnte Programm zur Umstellung öffentlicher Kantinen auf Produkte aus ökologischem Anbau, um damit einen Anreiz für Privatverbraucher, aber auch für Landwirte in Richtung Umstellung zu schaffen? Wo ist es?
Bayern – ich muss immer sagen „Bayern“, ich muss immer sagen „Stoiber“ – und Nordrhein-Westfalen – ich muss immer sagen „Clement“ – sind hier wesentlich weiter.
(Unruhe – Abg. Alfred Haas CDU: Das glauben Sie ja selber nicht! Die meisten Ökobetriebe sind in Baden-Württemberg!)
Wo ist das Landesprogramm zur Förderung von Direktvermarktungsideen und -projekten? Wo ist der Lehrstuhl für ökologischen Landbau? Jedenfalls nicht an der einzigen landwirtschaftlichen Universität im Land, in Hohenheim.
Wo sind die Gelder – jetzt sage ich einmal etwas Positives über Gerdi Staiblin – für zusätzliche PLENUM-Projekte, mit denen Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus vorangebracht werden könnten?
Gerdi Staiblin hat sich bei Ihrer Fraktion, bei der Regierung, beim Ministerpräsidenten und bei ihren Kolleginnen und Kollegen jahrelang dafür eingesetzt, endlich von zwei PLENUM-Gebieten auf 20 zu kommen – da geht es um nicht viel Geld – , aber sie hat es nicht geschafft.
Meine Damen und Herren, wir sind in der Situation, dass wir aufgrund der Vernachlässigung durch die Landesregierung die Spitzenposition im ökologischen Landbau, die wir dank des Engagements von Bioland und Demeter Anfang der Neunzigerjahre hatten
(Abg. Heinz CDU: In Österreich! Nach Nordrhein- Westfalen müssen Sie mal schauen! Nicht nach Österreich!)
Auch zum Thema Naturschutz – der PLENUM-Gedanke besteht ja darin, dass man endlich den Naturschutz, den Tourismus und die Landwirtschaft gedanklich zusammenfasst – höre ich von Ihnen nichts außer einem Satz, dass Sie natürlich – das kommt wieder Ihrem Fundamentalismus zugute – strikt gegen die Naturschutznovelle, die jetzt aus Berlin kommt, sind. Das ist alles, was ich hierzu höre.
Dazu kann ich nur sagen: Das verstehe ich nicht unter der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Baden-Württemberg 2020.
Das Einzige, Herr Ministerpräsident, von dem wenigen – jetzt komme ich zum Bereich Bildungs- und Gesellschaftspolitik –, was überhaupt konkret erwähnt wird und was nicht unter Finanzierungsvorbehalt steht, das sind die 5 500 neuen Lehrerstellen. Das hebt sich tatsächlich positiv von der „Weiter so!“-Lyrik Ihrer Koalitionsvereinbarung ab.
Doch auch hierzu muss man anmerken, dass die Unterrichtungsversorgung dadurch nicht verbessert wird. Bis 2005 wachsen die Schülerzahlen noch an. In zwei Jahren, 2003, geht das Vorgriffsstundenmodell zu Ende, das heißt, die Grund- und Hauptschullehrer, die fünf Jahre lang eine Stunde pro Woche mehr gearbeitet haben, arbeiten dann wieder nach der normalen Unterrichtsverpflichtung. Das heißt aber dann, dass ganz plötzlich von jetzt auf gleich 1 100 Stellen fehlen. Gleichzeitig – auch 2003 – wird die Fremdsprache an der Grundschule eingeführt. Dafür sind dann weitere 1 200 bis 1 600 Stellen zu veranschlagen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass derzeit an den beruflichen Schulen schon 1 000 Stellen fehlen und der Bedarf dort jährlich um 380 Stellen wächst, muss man einfach feststellen: Selbst mit 5 500 Stellen können gegenüber heute keine realen Verbesserungen der Unterrichtssituation erreicht werden. Trotzdem ist es wichtig, die Stellen zu schaffen. Nur, es wird dadurch noch lange nicht besser.