Protocol of the Session on June 26, 2003

Für die Bereiche, die von der Verwaltungsreform nicht betroffen sind, Herr Kollege Stickelberger, zum Beispiel die Justiz oder die Finanzverwaltung, gibt es überhaupt keinen Grund, das Projekt „Neue Steuerungsinstrumente“ in der Form nicht mehr fortzuführen, sondern dies kann aus unserer Sicht weiterlaufen. Es gibt aber natürlich Überlegungen und Anregungen, gegebenenfalls wegen bereichsspezifischer Veränderungen aufgrund der Tatsache, dass die Verwaltungsreform jetzt kommt und andere steuerungsrelevante Informationen, auch Querinformationen nötig sind, das Projekt anzupassen. Die Regierung, das Finanzministerium und das Innenministerium, hat insofern eine Bringschuld, hier zusammen mit den Verwaltungsstellen des Landes und auch mit den Stadt- und Landkreisen entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Ich möchte zudem daran erinnern, dass auch nach der Verwaltungsreform immerhin 70 % der ursprünglich zu 100 % betroffenen Stellen nach wie vor im Rahmen der Neuen Steuerungsinstrumente einbezogen sind, obwohl sie von der Verwaltungsreform nicht betroffen sind.

Eine wichtige Frage betrifft die Auswirkungen auf den vertraglichen Bereich, der von Ihnen angesprochen worden ist. Lieber Herr Kollege Schmid und liebe Frau Kollegin Dederer, auch in diesem Punkt möchte ich Sie zumindest dahin gehend korrigieren, dass es in der letzten Unterausschusssitzung vom Herrn Ministerialdirektor Hägele eine entsprechende Information zu den Verträgen gab. Er hat – das ist im Protokoll nachzulesen – auch über die Verträge gesprochen und eine entsprechende Darstellung gegeben. Er hat auch die Kostensituation erwähnt.

Im Übrigen muss man auch einmal sagen: Die Neuen Steuerungsinstrumente, ursprünglich mit 335 Millionen € veran

schlagt, werden vermutlich diesen Betrag nicht ausschöpfen. Wir werden günstiger wegkommen, weil bestimmte Risikovorsorgen, die getroffen worden sind, gewisse Rückstellungen, wie es in der Privatwirtschaft auch gemacht wird, nicht benötigt werden, sodass insofern auch bei diesem Projekt gut gewirtschaftet wurde. Aber der Herr Ministerialdirektor hat dies dargestellt.

Ich bitte jedoch einfach um Verständnis dafür – in der CDU-Fraktion habe ich damit kein Problem –, dass es eben auch einen gewissen Vertragsschutz gibt, nicht nur im Interesse des Auftraggebers, sondern auch des Auftragnehmers. Sie wissen, dieses Projekt ist ein Referenzprojekt für die Firma T-Systems und weitere angegliederte Firmen. Deshalb kann ich verstehen, dass diese Firmen kein Interesse daran haben, dass diese Verträge öffentlich behandelt werden. Bei weiteren Vertragsprojekten, bei laufenden Verhandlungen mit anderen Gebietskörperschaften wäre dies für den entsprechenden Auftragnehmer sicherlich nicht zielführend. Aber der Herr Finanzminister wird zu diesem Thema vielleicht nachher auch noch etwas sagen.

(Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Herr Finanzminister, wir vonseiten der CDU-Fraktion möchten Sie bitten, Sicherungsmaßnahmen dafür zu treffen, dass die Verträge entsprechend angepasst werden können, falls dies notwendig ist.

Ich nehme den IT-Betriebsvertrag als Beispiel: Da geht es um die Frage der Ausstattung mit Hardware, mit Software und mit Dienstleistungs- und Servicefunktionen zur Unterstützung der Einführung des laufenden Betriebs der Neuen Steuerungsinstrumente. Dadurch, dass dieses Projekt nicht mehr in der ursprünglich beabsichtigten Breite für alle Stellen der Landesverwaltung relevant sein könnte, könnte es schon Sinn machen, den Vertrag entsprechend abzuändern und anzupassen. Deshalb möchte ich Sie bitten, Maßnahmen einzuleiten, die es ermöglichen, zum Beispiel auf dem Wege einer Änderungskündigung den Vertrag entsprechend anzupassen.

Bei den anderen Verträgen, bei der Erstellung der Konzeption und der Dienstleistung, sind wir jetzt quasi schon am Ende, nämlich am Ende des Funktionsumfangs II, sodass es überhaupt nicht mehr erforderlich ist, diese Verträge zu ändern, denn die betreffende Dienstleistung wurde vom Generalunternehmer und den angeschlossenen Subunternehmen schon erbracht und zu Ende geführt; diese Dienstleistung wurde seitens des Landes in Anspruch genommen. Deshalb ergibt sich auch kein Anlass zur Vertragsänderung, denn der Vertrag ist, wenn man so will, bereits erfüllt.

Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Ich denke – ich sage das auch in vollem Respekt vor den Fragen, die von den anderen Fraktionen im Unterausschuss „Neue Steuerungsinstrumente“ gestellt wurden –, wir sollten möglichst rasch in die Beratung über die Parlamentsrechte für künftige Haushaltsberatungen eintreten. Dies ist ein wichtiges Anliegen und ein wichtiger Punkt, den wir aufnehmen sollten. Die Fragen, die wir hierzu gestellt haben – das sichere ich nochmals zu –, werden abgearbeitet.

Andererseits bitte ich aber auch um Verständnis: Da jetzt aufgrund der Verwaltungsreform eine möglicherweise geän

derte Geschäftsgrundlage vorliegt, ist es doch notwendig, diese Fragen zunächst einmal im Zusammenhang – Verwaltungsreform einerseits und Neue Steuerungsinstrumente andererseits – so hinreichend und umfassend zu klären, dass der Landtag von Baden-Württemberg weiß, woran er ist.

(Zustimmung des Abg. Fischer SPD)

Zweitens sollten wir für die weitere Arbeit im Unterausschuss „Neue Steuerungsinstrumente“ die entsprechenden Konsequenzen ziehen können.

Die Anträge, die Sie heute gestellt haben, werden wir nicht mittragen können und deshalb ablehnen. Das heißt nicht, dass die einzelnen Fragen, die heute – auch von Ihnen, Herr Kollege Schmid – gestellt wurden, nicht hier im Rahmen der Debatte geklärt oder auch im Finanzausschuss oder im Unterausschuss „Neue Steuerungsinstrumente“ zu einer sicherlich für alle befriedigenden Antwort geführt werden könnten, wenngleich wir möglicherweise unterschiedliche Auffassungen zur Weiterentwicklung und zur Ausrichtung dieser Neuen Steuerungsinstrumente haben.

Die CDU-Fraktion ist nach wie vor davon überzeugt, dass wir einen richtigen Weg beschritten haben und diesen Weg auch weitergehen sollten. Wir wollen ein handhabbares System für die Landesverwaltung und ihre Bediensteten, ein System, das nicht zu komplex ist und nicht zu einer Überbürokratisierung führt, sondern das letztendlich mit einem vertretbaren Aufwand zusätzliche Informationen für die politische Steuerung durch den Landtag von Baden-Württemberg, für die Oppositionsfraktionen, aber auch für die die Regierung tragenden Fraktionen erbringt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Woher kommen wir? Wo stehen wir? Wo gehen wir hin?

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Fischer SPD: Das hätten Sie heute Morgen bei der Landkreisreform sagen können! – Weitere Zurufe)

Ich denke, das sind die drei entscheidenden Fragen zu den Neuen Steuerungsinstrumenten. Wir sprechen an dieser Stelle über die Neuen Steuerungsinstrumente und sollten uns deshalb noch einmal kurz in Erinnerung rufen: Was sind eigentlich die „alten“ Steuerungsinstrumente?

Wir haben einen Landeshaushalt mit einem Volumen von 31 Milliarden € pro Jahr.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: 31,5 Milliarden!)

Der Staat, die Bundesrepublik Deutschland, hat einen Haushalt mit einem Volumen von insgesamt 450 Milliarden € pro Jahr, und wir diskutieren darüber, dass das Geld nicht ausreiche. Wir diskutieren nicht über die Frage, ob mit die

sen vorhandenen Ressourcen optimale Ergebnisse erzielt werden.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Alte Steuerung orientiert sich am Input. Alte Steuerung bedeutet: Es tritt ein neues Problem auf, zum Beispiel steigt die Zahl der Drogentoten, und wir beschließen ein 10-Millionen-€-Programm. Es wird nicht gefragt, ob es dann zum Schluss tatsächlich dazu führt, dass wir weniger Drogentote haben. Es ist die Frage, wie man den Output in einer öffentlichen Verwaltung als Dienstleistung messen kann. Wer sich mit dem alten kameralistischen System auseinander setzt, der wird feststellen müssen, dass es hier eine Übersteuerung in Einzelfragen und eine Untersteuerung in der strategischen Planung und Ausrichtung gibt. Deshalb hat sich die FDP/DVP-Fraktion immer und von Anfang an dafür ausgesprochen, für den öffentlichen Bereich betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente einzuführen, weil diese mit dazu beitragen können, dass die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz der öffentlichen Verwaltung erhöht werden.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Dafür gibt es Beispiele, etwa das Thema Langzeitarbeitslosenprogramme. Wie misst man hier den Erfolg? Nimmt man die Übergangsquote in den ersten Arbeitsmarkt? Nimmt man die Verweildauer in diesem Programm? Wo sind diese Programme angesetzt? Gibt es unterschiedliche Töpfe? In der alten Steuerung gibt es Töpfchenwirtschaft und Ressortdenken. Bei den Neuen Steuerungsinstrumenten wird vom Bürger her, vom Kunden her gedacht, und dann wird die Verwaltung darauf ausgerichtet, dass zum Schluss das Ergebnis stimmt.

Das ist das Ziel, dort wollen wir mit den Neuen Steuerungsinstrumenten hin. Wir sollten sehr genau aufpassen, dass wir unterwegs nicht das Ziel aus den Augen verlieren, weil der Weg dorthin sehr aufwendig ist, weil dieser Weg dorthin erfordert, dass man Informationen anders aufbereitet, vielleicht sogar zum ersten Mal überhaupt aufbereitet. Denn bei der alten Steuerung weiß niemand: Wer macht eigentlich was für wen, wie lange dauert es, und was kostet es?

Wir sind ja jetzt an dem wichtigen Meilenstein angekommen, dass die Ministerien zum ersten Mal Produktkataloge vorlegen, dass in Ansatzpunkten Funktionsanalysen gemacht wurden und dass man weiß, wer was für wen macht, wie lange es dauert und was es kostet. Dort sind wir jetzt. Jetzt haben wir Informationen.

Wir haben noch nicht darüber diskutiert, welche Auswirkungen das auf die Produkte hat.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Welche Konsequen- zen!)

Wir haben erst den ersten Schritt gemacht, einen zugegebenermaßen wichtigen Meilenstein erreicht, aber der nächste Schritt ist viel wichtiger. In der Tat, sehr geehrte Frau Kollegin Dederer, wird hier die Bedeutung des Parlaments eine andere.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Das wird eine sehr wichtige Rolle des Parlaments werden, denn wir müssen über die Definition der Produkte, über die Standards, über das, was als Dienstleistung produziert wird, miteinander sprechen. Wir müssen darüber sprechen, wie man die Qualität dieser Dienstleistung überhaupt messen kann, wie man sie untereinander vergleichen kann und ob wir diese Standards haben wollen oder ob wir in Zukunft ganz andere Standards haben wollen, ob wir bestimmte Produkte überhaupt noch herstellen wollen, also Produktelimination betreiben – also vielleicht sagen: das ist eine Dienstleistung, die das Land gar nicht mehr anbieten muss –, oder ob wir Produktvariation betreiben, indem man sagt: Das Produkt ist in Ordnung, wir brauchen es auch, aber nicht in dieser Form; man kann es verändern. Ich denke, das kann man im Grunde genommen erst entscheiden, wenn erarbeitet worden ist, was die Landesverwaltung überhaupt herstellt und wer dann auch die Kundengruppen sind. Oftmals ist ja auch gar nicht klar, für wen wir etwas produzieren. Erst dann kann man ja den Regelkreislauf zwischen den Kunden und denjenigen, die dieses Produkt erstellen, herstellen.

Wir sind also an der Schwelle dieser Produktdefinition und an der Steuerung angekommen. Für uns sind die Neuen Steuerungsinstrumente ein wichtiges Mittel, um die Landesverwaltung wirtschaftlicher zu machen. Deshalb muss man an dieser Stelle auch einmal fragen: War es wirklich falsch, das mit einem Personalabbau zu verbinden? Denn die entscheidende Frage ist ja die: Muss das Land Sachausgaben kürzen und Personal abbauen, ja oder nein? Das ist eigentlich die Ausgangsfrage. Wenn wir sehen, wie die Verschuldung nach oben explodiert ist, dass wir eine Nettoneuverschuldung von 2 Milliarden € haben, wenn wir sehen, dass wir die Zinsen über neue Schulden bezahlen, dann wissen wir doch: Ob wir Neue Steuerungsinstrumente einführen oder nicht, wir müssen Personal- und Sachausgaben sparen.

Deshalb ist doch die entscheidende Frage: Spare ich lieber rasenmäherartig, nicht zielorientiert?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Döring sagt Ja! Dö- ring sagt, das sei gerecht, Herr Kollege!)

Oder ist es entscheidend, zu wissen, was wo gemacht wird, und dann zielgenau zu sparen und vor allen Dingen der Landesverwaltung die Möglichkeit zu geben, selbst zu steuern?

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Ich glaube, der entscheidende Vorteil der Neuen Steuerungsinstrumente ist, dass wir der Verwaltung anbieten können: Es wird ein bestimmter Betrag zur Erledigung der Aufgaben zur Verfügung gestellt. Aber wie dieses Ziel erreicht wird – das Ziel müssen wir definieren –, das ist dann die Aufgabe der Verwaltung. Da müssen wir auch die Budgetregelungen ändern. Hierbei sind die Städte und Gemeinden ja schon wesentlich weiter als das Land.

Es gibt viele Beispiele, wo Mittel zu 100 % übertragen werden können, wo das „Dezemberfieber“ endgültig der Vergangenheit angehört, wo eben nicht mehr am Ende des Jahres Geld ausgegeben werden muss, sondern wo es zu 100 % in das nächste Jahr übertragen werden kann, wo Mittel in andere Haushaltstitel übertragen werden können, wenn man

das für sinnvoll hält, wo so wie in vielen Unternehmen wirtschaftlich gedacht wird. Warum sollten eigentlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Hand, beim öffentlichen Dienst weniger wirtschaftlich denken? Zu Hause können sie ja auch mit ihrem Budget umgehen. Sie können das genauso in der Landesverwaltung. Sie brauchen dafür nur die richtigen Steuerungsinstrumente. Genau darum geht es jetzt beim Aufbau der Neuen Steuerungsinstrumente.

Deshalb ist auch die Kritik der Personalräte falsch. Es wäre gut, wenn Sie auch den Vertretern zum Beispiel der Gewerkschaften und der Beamtenverbände entgegentreten würden. Wir müssen sowieso Personal abbauen. Die Ursachen dafür sind aber nicht die Neuen Steuerungsinstrumente, sondern sie liegen darin, dass unsere Volkswirtschaft dem Staat nicht mehr Mittel zur Verfügung stellen kann. Wir müssen mit den vorhandenen Mitteln – und das ist ja nicht wenig Geld – auskommen und das Bestmögliche erreichen. Da hätte ich schon erwartet, dass auch die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition ein deutliches Wort gegenüber den Personalräten und den Arbeitnehmer- und Mitarbeitervertretungen gesagt hätten.

Richtig ist, dass in einem Dienstleistungsunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Kapital sind. Richtig ist, dass bei der Einführung einer solchen Reform in einer großen Organisation die Frage der Kommunikation in der Tat die Achillesferse ist.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr richtig!)

Diesbezüglich gab es Kritik. Sie war zum Teil berechtigt, zum Teil ist sie aber auch hochgespielt und übertrieben worden. Ich hatte den Eindruck, dass auch unsere Diskussion und Intervention im Unterausschuss mit dazu beigetragen haben, dass die Regierung immer wieder nachgesteuert hat. Ich denke, bei einem so großen Projekt ist es gar nicht ehrenrührig, wenn es auch einmal knirscht. Ich habe den Eindruck, dass darauf reagiert worden ist, und das war gut so, meine Damen und Herren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)