Protocol of the Session on June 26, 2003

Diese Beispiele belegen aus unserer Sicht eindeutig, dass bei der Einführung von NSI in der öffentlichen Verwaltung gerade im Interesse von Effizienz und Wirtschaftlichkeit sehr bedacht, differenziert und zielorientiert vorgegangen werden muss.

Auch der Rechnungshof des Landes hat sehr entschieden dafür plädiert, NSI mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten einzuführen und nur bei fachlich geeigneten Behörden den weiteren Ausbau von NSI, insbesondere bei der Kosten- und Leistungsrechnung, zu forcieren.

Die flächendeckende, generelle Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung in der gesamten Landesverwaltung ist deshalb nicht sachgerecht und finanzpolitisch nicht zu vertreten. Wir fordern die Landesregierung auf, das bisherige Konzept zu stoppen. Notwendig ist eine Bewertungsphase in Bezug auf die bislang gemachten Erfahrungen, um anschließend maßgeschneiderte Modelle statt Zwangsjacken für die Verwaltung zu entwickeln und NSI in der Landesverwaltung neu auszurichten.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Anhörung hat auch gezeigt, dass durch die Art und Weise, wie die Landesregierung bei der Einführung des NSI-Projekts mit den Beschäftigten des Landes umgegangen ist, viel von der ursprünglichen Akzeptanz für die Modernisierung der Verwaltung verloren ging. Die unmittelbare Verbindung von NSI mit dem Abbau von 3 500 Personalstellen – eine Verknüpfung, die der Finanzminister inzwischen zurückgenommen hat –, die fehlerhafte, teilweise unsinnige Schulung und die Unfähigkeit, den Sinn vieler NSI-Einzelneuerungen zu erklären, hat bei den Beschäftigten zu Recht beträchtlichen Unmut gegen NSI insgesamt ausgelöst. Aber ohne die Akzeptanz und die positive Mitarbeit der Beschäftigten ist eine Neuausrichtung des Verwaltungshandelns nicht möglich.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Die bislang gemachten Erfahrungen in der Landesverwaltung zeigen, dass durch die flächendeckende Einführung der KLR nicht mit den von der Landesregierung erhofften Effizienzgewinnen zu rechnen ist, sondern dass im Gegenteil sogar die Gefahr besteht, dass durch NSI dauerhafte Mehrbelastungen an Personal und Finanzen entstehen.

Schon früh hat der Rechnungshof darauf hingewiesen, dass unter Einbeziehung der so genannten Beistellungskosten der Aufwand allein in der Einführungsphase über eine halbe Milliarde Euro betrage. Denn der Zeitaufwand, den die Verwaltung für die NSI-Einführung, vor allem für die KLR, aus der normalen Tätigkeit herausschwitzen muss, ist beträchtlich. So wundert es nicht, dass Regierungsfraktionen – das gilt vor allem für die CDU – das Entstehen eines Millionengrabs befürchten und dass Herr Oettinger mit der resignativen Erwartung zitiert wird, NSI möge den Haushalt „nicht dauerhaft belasten“.

Klar ist aber schon jetzt, dass nach der Einführung jährliche Betriebskosten von mindestens 40 Millionen € anfallen werden, deren Finanzierung unklar ist. Stellt man diese 40 Millionen € in Relation zu den erhofften Einsparungen von 100 Millionen € allein durch die so genannte Verwaltungsreform, dann sieht man, dass man Gefahr läuft, dass ein beträchtlicher Teil möglicher Einsparungen durch NSI schon wieder aufgefressen wird.

Völlig abstrus und unverantwortlich wird das NSI-Projekt im Zusammenhang mit der von der Landesregierung geplanten Verwaltungsreform. Einerseits sollten die Landesbehörden flächendeckend in NSI einbezogen werden, andererseits soll ein Großteil dieser von NSI betroffenen Behörden in die Landratsämter eingegliedert werden. Die bereits im Jahr 1995 in die Landratsämter eingegliederten Landesbehörden, also die Gesundheits-, Veterinär- und Wasserwirtschaftsämter, wurden wegen ihrer neuen Zugehörigkeit von Anfang an nicht in das NSI-Projekt für die Landesverwaltung integriert.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Dasselbe müsste jetzt auch für nahezu alle unteren Landesbehörden gelten.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Damit aber wird das NSI-Projekt endgültig ad absurdum geführt. Hier weiß ganz offensichtlich die eine Hand der Landesregierung nicht, was die andere tut. Nur nebenbei wurde nämlich in der Parlamentsdebatte auf meine Nachfrage hin offenbart, dass das NSI-Projekt abgeschnitten werden soll und – jedenfalls nach Meinung von Herrn Oettinger – für die einzugliedernden Behörden nicht gelten soll. Damit hätten Sie nebenbei ganz elegant das schwierige Problem „NSI in der Polizei“ gelöst.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Es wird mit NSI also auf Biegen und Brechen eine eminent teure Umgestaltung der Landesverwaltung betrieben, und

gleichzeitig soll die große Mehrheit der Landesbehörden aus der Landesverwaltung ausscheiden und in die Zuständigkeit der Landratsämter gebracht werden. Damit ist das Chaos perfekt, meine Damen und Herren.

Die SPD-Fraktion hat deshalb gleich nach Bekanntwerden dieser Verwaltungsreformpläne die Landesregierung in einem neuen Parlamentsantrag aufgefordert, zum Verhältnis zwischen NSI und Verwaltungsreform Stellung zu nehmen. Ich liste noch einmal die Einzelforderungen auf, weil der letztgenannte Antrag heute auch zur Abstimmung steht. Wir fordern die Landesregierung darin im Einzelnen auf:

Erstens: Die Verträge, die das Land zur Einführung und Umsetzung von NSI abgeschlossen hat, sind dem Landtag vorzulegen. Das ist deshalb wichtig, weil offensichtlich auch die Regierungsfraktionen nicht genau wissen, welche vertraglichen Möglichkeiten wir als Land haben, um das NSI-Projekt an neue politische Vorgaben anzupassen.

Wir fordern zweitens, die bisherige Konzeption einer schnellen und flächendeckend für alle Behörden gleichermaßen geltenden Einführung von NSI aufzugeben und eine Neukonzeption zu erarbeiten mit dem Ziel, für die unterschiedlichen Verwaltungsbereiche und verschiedenen Behördentypen des Landes jeweils maßgeschneiderte Lösungen zu erarbeiten.

Wir fordern drittens, die Einführung von NSI für die Teile der Landesverwaltung auszusetzen, die nach den Plänen der Landesregierung in die Landratsämter überführt werden sollen.

Wir wollen viertens, dass die bestehenden Verträge zur Einführung und zum dauerhaften Betrieb der NSI daraufhin überprüft werden, ob sie eine grundsätzliche Neuorientierung des NSI-Konzepts im oben angesprochenen Sinne ermöglichen und die notwendigen Änderungskündigungen der bestehenden Verträge ebenfalls ermöglichen würden. „Neuausrichtung“ heißt maßgeschneiderte, differenzierte Lösungen, wie oben angesprochen.

Und fünftens fordern wir die Landesregierung auf, vor der erneuten Befassung des Landtags mit dem NSI-Projekt und den Konsequenzen der von ihr geplanten Verwaltungsreform für NSI keine weiteren Festlegungen und Verpflichtungen einzugehen.

Leider hat die Landesregierung zu diesem Antrag nur ausweichend Stellung genommen. Deshalb sind wir gespannt, was uns Herr Finanzminister Stratthaus zum Thema „NSI und Verwaltungsreform“ heute Neues sagen kann. Deshalb sehen wir uns auch gezwungen, Sie heute im Parlament im Interesse der Sache und der Vernunft und auch im Interesse eines sparsamen Wirtschaftens mit Steuergeldern aufzufordern, unseren Begehren zuzustimmen. Denn die Methode „Augen zu und durch!“ kann ja wohl nicht richtig sein. Wir alle wollen eine moderne und effiziente Landesverwaltung, aber derjenige, der meint, dass nach der Anfangseuphorie, die ja gar nicht eingetreten ist, jetzt das Tal der Ernüchterung und die Mühen der Ebene kämen und dass man deshalb nach der Methode „Augen zu und durch!“ vorgehen könnte, ist sicher auf dem Holzweg.

Meine Damen und Herren, stimmen Sie mit uns für eine grundsätzliche Neuausrichtung dieses Projekts, damit wir als Land auch in Zukunft eine tolle Verwaltung haben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Dederer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der „Stuttgarter Zeitung“ war zu entnehmen, dass zu Ministerpräsident Erwin Teufel noch keine Klagen hinsichtlich NSI vorgedrungen seien. Da kann ich nur fragen: Redet der Mann eigentlich nicht mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Wir diskutieren ja heute nicht über NSI, weil alles prima läuft, sondern ganz im Gegenteil.

Herr Kollege Schmid hat schon einige Beispiele genannt. Der Beginn der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente war schlichtweg katastrophal. Der größte Fehler war sicherlich, dass man solch eine grundlegende Reform per Dekret von oben angeordnet hat. Ein solches Mammutprojekt wie die Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente kann man nur mit den Mitarbeitern und nicht gegen sie erfolgreich verwirklichen. Daher wäre es erforderlich gewesen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von vornherein besser einzubeziehen. Zurzeit ist es doch so, dass die Mitarbeiter in der Landesverwaltung dieses Projekt schlichtweg erdulden. Wir brauchen aber Mitarbeiter, die dieses Projekt aktiv mitgestalten und sich an seiner Einführung aktiv beteiligen.

Minister Stratthaus wird nachher in seinem Redebeitrag sicherlich sagen, dass die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte von Anfang an im Lenkungsausschuss in das Projekt einbezogen gewesen sei.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch!)

Das stimmt schon, nur kann zum einen diese Arge HPR keine verbindlichen Regelungen für die Mitarbeiter treffen. Die einzelnen Beteiligungsverfahren für die Mitarbeiter können nämlich rechtlich nur in den einzelnen Ressorts durchgeführt werden. Zum anderen muss man natürlich sagen, dass keine Dienstvereinbarung das Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Ressorts ersetzt: Wir nehmen dich und deine Kritik wirklich ernst, mach mit, bring dich ein! Dem Ministerpräsidenten ist dagegen anscheinend noch keine Kritik zu Ohren gekommen. Im Gegensatz dazu muss das Signal an die Leute doch lauten: Wir reagieren auch auf deine Kritik!

Ich möchte aus einer Beiratssitzung vom 22. November 2000 zitieren. Das ist also schon ein ganzes Weilchen her. Der Beirat war der Vorläufer des jetzigen Unterausschusses. Dort steht im Protokoll:

In dieser Beiratssitzung wurde auch die Frage der Motivation der Beschäftigten und der Verknüpfung der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente mit Stellenstreichungen intensiv diskutiert. Die Frage der Motivation der Beschäftigten ist für den Projekterfolg von entscheidender Bedeutung.

Also, meine Damen und Herren, für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass man seit Beginn des Projekts die mangelnde Begeisterung der Mitarbeiter thematisiert, aber eine Stimmungsänderung in der Mitarbeiterschaft nicht wahrnehmbar ist. Das muss einem doch zu denken geben.

Dass die Landesregierung jetzt mit Plakaten das Gröbste geradebiegen will, kann ich ja nachvollziehen. Dass man es aber mit solchen Plakaten versucht – ich kann es Ihnen hier einmal zeigen; ich weiß nicht, ob Sie alle es schon gesehen haben;

(Die Rednerin hält ein Plakat hoch.)

ich gebe das nachher gern herum, dann kann man auch den Text darauf lesen –, das nützt diesem Projekt sicher nicht. Ich würde es anstelle der Landesregierung lieber einmal mit Selbstkritik versuchen. Das würde weitaus besser ankommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Der zweite Punkt ist das Thema Schulungen, Herr Kollege Hauk. Die Schulungen waren sowohl von der Organisation als auch vom Inhalt her mangelhaft; ich denke, dass auch Sie da nicht widersprechen. Die Leute wurden kreuz und quer durch Baden-Württemberg geschickt. Finanzbeamten hat man auf Schulungen erklärt, was eine Abschreibung ist; dabei bearbeiten die jeden Tag nichts anderes. Da muss ich schon fragen, ob man für 500 Millionen € – wenn man die ganzen laufenden Kosten hinzurechnet, kommt man auf über 500 Millionen € – nicht Professionalität erwarten kann, und zwar gerade bei den Schulungen, weil man dort direkt an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herankommt.

Der dritte Punkt: NSI mit dem Ziel von Personaleinsparungen zu verkaufen war schlichtweg hirnrissig, denn vereinfacht sage ich ja da dem Mitarbeiter: Mach bei der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente mit, damit wir nachher einen Grund haben, dich wegzurationalisieren!

(Abg. Stickelberger SPD: Mach mit, und du bist weg!)

Also, dass ein Mitarbeiter nicht sein eigenes Grab schaufeln möchte, ist doch völlig klar. Das kann einfach nicht funktionieren.

Das waren meine Ausführungen zum Thema „Einführung von NSI“.

Von den Personaleinsparungen ausgehend, kann ich gleich auf die Finanzierung des Projekts zu sprechen kommen. Ich halte die Finanzierung der Neuen Steuerungsinstrumente schlichtweg für eine Luftbuchung, und ich vermute, die Kolleginnen und Kollegen von der CDU würden, wenn sie dürften, nicken.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

333 Millionen € werden durch Kreditermächtigungen finanziert, und bezieht man die laufenden Kosten mit ein – ich habe es vorhin gesagt –, kommt man auf 550 Millionen €. Verursacht wird das durch Generalunternehmer, Software, die Mitarbeiter der Stabsstelle, Sachmittel, Controller etc.

Die Gegenfinanzierung erfolgt durch Personaleinsparungen und Sacheinsparungen schon ab dem Jahr 2004 – das ist nächstes Jahr –; ab 2004 wollen Sie durch NSI pro Jahr 700 Stellen und 15,34 Millionen € einsparen. Das klappt nie im Leben! Ich erwarte von Ihnen eine realistische Einschätzung, wie die Gegenfinanzierung tatsächlich zu erfolgen hat.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe in den letzten zwei Jahren im Parlament wirklich Gelassenheit gelernt – das bringt wahrscheinlich die Oppositionsarbeit so mit sich –, aber es gibt immer noch Dinge, die mich wirklich auf die Palme bringen.