Protocol of the Session on June 26, 2003

Hinzu kommt eine unterschiedliche Arbeitsbelastung, nicht nur durch die Schüler-Lehrer-Relation, sondern auch durch den unterschiedlichen Zeitaufwand, den die Fächer verursachen. Bis heute gibt es in Baden-Württemberg leider keine Studie über die Arbeitszeitbelastung der Lehrkräfte. Sie, Frau Schavan – das haben Sie ja in der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 13/2038 deutlich gemacht –, stellen lediglich Schätzungen an und sagen, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte der Arbeitszeit eines Beschäftigten der Verwaltung im öffentlichen Dienst entspricht. Das sei in der Vergangenheit so gewesen und sei wohl auch weiterhin so. Das ist wohl auch Ihr Argument dafür, dass Sie an der Lehrerarbeitszeit nichts verändern wollen.

Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Dort wurden Untersuchungen angestellt, und dort hat das Institut Mummert + Partner bereits 1999 festgestellt, dass es durchaus unterschiedliche Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und Arbeitsbelastungen gibt, sowohl bei den Schulformen als auch bei den Schulstufen. Dabei ist auch ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Arbeitszeitregelung und der Arbeitszufriedenheit festgestellt worden. Gute Schulen hängen nicht nur von einem guten Schulleiter ab, sondern auch von zufriedenen, motivierten und engagierten Lehrkräften. Wir wissen, Herr Röhm, dass wir davon Gott sei Dank sehr viele unter uns haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Aber wer ständig neue, zum Teil unausgegorene Baustellen von oben nach unten eröffnet – ich sage bewusst: von oben nach unten eröffnet –

(Abg. Stickelberger SPD: Bauministerin!)

bei gleichzeitiger pauschaler Deputatserhöhung bei den wissenschaftlich ausgebildeten Lehrkräften, den Gymnasialund den Berufsschullehrern, der braucht sich doch nicht zu wundern, dass hier Unzufriedenheit entsteht.

(Beifall bei der SPD)

Dafür tragen Sie, Frau Schavan, die Verantwortung.

Eines will ich aber in Richtung der frustrierten Lehrerinnen und Lehrer auch deutlich sagen: Die Reduzierung der Lehrertätigkeit auf so genannte Kerngeschäfte, also auf den Unterricht, und den Wegfall oder die Reduzierung von unterrichtsersetzenden Maßnahmen, wie zum Beispiel Schullandheim, Studienfahrten, Wandertage, Lehrgänge, Theatertage, kann ich nicht akzeptieren. Dies geht eindeutig zulasten der Kinder, und das ist ein falscher Ansatz. Die Protestadressaten müssten klar die Landesregierung und die Regierungskoalition sein. Das ist der richtige Weg. Das sollte nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe auch nicht verstanden, dass Sie, Frau Schavan, das weit reichende Angebot der GEW, gemeinsam zu einer Lösung hinsichtlich einer besseren, gerechteren Arbeitszeit für Lehrerinnen und Lehrer zu kommen, haben platzen lassen.

Basierend auf den Erfahrungen der dänischen Jahresarbeitszeitregelung wären die Lehrkräfte bereit gewesen, mit Ihnen ins Boot zu steigen und Verantwortung zu übernehmen, weil allen klar ist, dass die traditionelle Deputatsregelung nicht mehr greift. Die GEW war sogar bereit, die neuen Arbeitszeitmodelle ressourcenneutral zu gestalten und keine zusätzlichen Lehrerstellen zu fordern.

Unser gemeinsames Ziel muss es doch sein, die Arbeitszeit von Lehrern transparent zu machen. Aber nach zwei Sondierungsgesprächen haben Sie das Vorhaben, neue, gerechte Arbeitszeiten einzuführen, platzen lassen.

Alle Experten sind sich darin einig, meine Damen und Herren, dass die gegenwärtig übliche Bemessung der Lehrerarbeitszeit nach Unterrichtsdeputaten tief greifende Mängel beinhaltet. Die Neubemessung der Lehrerarbeitszeit ist deshalb dringend notwendig. Ich sage Ihnen: Wer eine Erhöhung der Qualität der Arbeit in den Schulen will, wer individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen will, braucht eine Neuregelung, die den unterschiedlichen Zeitaufwand für die verschiedenen Unterrichtsfächer dort, wo er signifikant ist, berücksichtigt und Schulformunterschiede, die für den Zeitaufwand keinen Unterschied bedeuten, außer Acht lässt.

Wir haben dazu einen Antrag vorgelegt und hoffen, dass er auch Ihre Zustimmung gewinnen kann. Es geht darum, neue

Formen zu erproben. Ich denke, wir werden diese Anträge im Schulausschuss noch vertieft beraten, und ich hoffe, dass wir dann einen deutlichen Schritt weiterkommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der gestrigen Debatte über die Situation an den beruflichen Schulen und den beruflichen Vollzeitschulen haben wir auch über die Deputatserhöhung für wissenschaftliche Lehrkräfte gesprochen. Dabei ist noch einmal klargestellt worden, dass der rechnerische Deputatsgewinn durch diese Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung zum ganz überwiegenden Teil – abgesehen von den 250 Stellen, Herr Kollege Wintruff – zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung eingesetzt werden soll, und zwar insbesondere mit 370 Stellen an den beruflichen Schulen.

Ich führe das deshalb nochmals an, weil ich eines gleich am Anfang sehr deutlich sagen will, Frau Kollegin Rastätter: Wer von uns ständig weitere zusätzliche Mittel und Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung fordert, der kann nicht gleichzeitig Gewinne, die er von neuen Lehrerarbeitszeitmodellen erwartet, als Alternative zur Erhöhung des Stundendeputats ausgeben, wie es der zweite Antrag der Grünen in seiner Überschrift fordert.

Es gibt eine Reihe guter Gründe dafür, den Versuch zu machen – da stimme ich Ihnen zu –, neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, die den Besonderheiten, zugleich aber auch den veränderten Bedingungen des Lehrerberufs besser Rechnung tragen. Die Entwicklung und Erprobung von Alternativen zu überkommenen Modellen des Wochenstundendeputats ist deshalb übrigens auch schon längst beschlossene Sache.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Zu den guten Gründen gehört – das ist schon von Herrn Röhm angesprochen worden –, dass Unterschieden in der tatsächlichen Belastung von Lehrkräften, die sich zum Beispiel aus dem Unterricht in den Fächern – ich erinnere an Deutsch zum einen und an Mathematik zum anderen –

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

oder aufgrund besonderen Engagements ergeben, nach Möglichkeit besser Rechnung getragen werden sollte, als dies im derzeitigen Arbeitszeitmodell der Fall und auch möglich ist.

Jedem mit der Materie halbwegs Vertrauten ist klar, dass sich die Tücken und die Probleme dieses zunächst sehr plausiblen Gedankens offenbaren, sobald man sich dem Konkreten zuwendet. Ich will das hier nicht im Einzelnen darlegen. Noch weniger will ich mit diesem Hinweis dem grundsätzlich richtigen Gedanken sozusagen den Garaus machen. Im Gegenteil, nach meiner Überzeugung und der der FDP/DVP-Landtagsfraktion wäre allein schon die Möglichkeit, im Rahmen eines anderen Arbeitszeitmodells den tatsächlichen Umfang der Lehrerarbeit auch nach außen hin

sichtbar – auch dies ist von Ihnen, Herr Röhm, angesprochen worden – und transparent zu machen, des Schweißes der Edlen wert. Dies könnte ein Beitrag dazu sein, Klischees über die vermeintliche Halbtagstätigkeit von Lehrerinnen und Lehrern zu begegnen und auf diese Art und Weise das Image dieses Berufsstandes verbessern zu helfen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

PISA hat nun wirklich klar gezeigt, welch eminente Bedeutung dem positiven Ansehen der Lehrkräfte zukommt, und ich füge hinzu, Herr Kollege Zeller: Unser „Ausflug“ – ich setze es in Anführungszeichen –, unsere wichtige Ausschussreise nach Finnland hat dies erneut unterstrichen.

Umso weniger kann ich aber, meine Damen und Herren, Verständnis dafür haben, dass Lehrerverbände ihre Bereitschaft, gemeinsam mit dem Ministerium an der Entwicklung neuer Modelle weiter mitzuwirken, aufgekündigt haben. Ich habe natürlich auch keinerlei Verständnis dafür, dass Lehrer auf Personalversammlungen beschließen, außerunterrichtliche Tätigkeiten und damit einen wesentlichen Teil ihrer Dienstverpflichtungen nicht mehr wahrnehmen zu wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Seimetz CDU)

Dass viele Lehrerinnen und Lehrer – dies sei bewusst hervorgehoben – hohes und höchstes Engagement zeigen und sich bis an die Grenze belasten, wird von mir nicht bestritten. Danke für die Kärrnerarbeit! Aber ich fordere alle Verbände auf, in dieser Diskussion so rasch wie möglich zu Augenmaß und zu Vernunft zurückzukehren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich bitte Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dem gemeinsamen Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, der die berechtigten Anliegen der Anträge der Fraktion GRÜNE und teilweise auch der Fraktion der SPD noch einmal aufgreift, Ihre Zustimmung zu geben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Schavan.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE meldet sich zu Wort.)

Oh, Entschuldigung. Sie wollten vor der Ministerin zu Wort kommen?

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Ja!)

Frau Ministerin, sind Sie damit einverstanden?

Frau Rastätter, dann erteile ich Ihnen das Wort für eine außerordentlich kurze Restredezeit.

Ich wollte auch nur ganz kurz den Antrag der Regierungsfraktionen kommentieren. Nachdem ich ganz deutlich sehe, dass eine Öffnung in Richtung neue Arbeitszeitmodelle stattfindet, die bisher nicht erkennbar war – jedenfalls von der Ministerin noch vor einem Jahr abgelehnt wurde –, finde ich es wichtig, dies jetzt aufzugreifen – ich bewerte das als positiv – und in den Schulausschuss hineinzutragen. Dort sollten insbesondere die Ziffern 3 und 4 Ihres Antrags diskutiert werden. Denn mir ist es ein großes Anliegen, dass wir auch darüber diskutieren, wie wir Lehrkräfte entlasten können und was wir ihnen zugute kommen lassen können, damit Lehrerinnen und Lehrer ihrer hohen, verantwortungsvollen Aufgabe besser gerecht werden können. Insofern würde ich unsere Anträge an den Ausschuss überweisen lassen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Gut! Damit sind wir einverstanden!)

Frau Ministerin Dr. Schavan, Sie erhalten nun das Wort.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sie stimmen der Überweisung zu, Frau Ministerin!)

Aber vorher sage ich noch etwas.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die jetzige Beschreibung von Lehrerarbeitszeit in Deutschland passt nicht mehr in unsere Zeit und passt nicht mehr in unser Verständnis von Schule.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)