Protocol of the Session on May 28, 2003

(Abg. Schmiedel SPD: Wesentliche Fortschritte!)

ich weiß, Herr Kollege Schmiedel, dass Sie sich aufregen, aber es war damals so –, dass die Lebensmittelüberwachung in fünf Ministerien untergebracht war. Der Rechnungshof hat damals festgestellt, Frau Kipfer, dass jährlich 30 Millionen DM zu viel in der Lebensmittelkontrolle verbraucht wurden, weil man wegen des Kompetenzgerangels der unterschiedlichen Ministerien zu keiner Einigung gekommen ist. Auch dies muss man am heutigen Tag festhalten. Erst als die FDP/DVP in die Regierung eingetreten ist,

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Dr. Glück FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Da lacht sogar die CDU!)

sind grundlegende Reformen durchgeführt worden.

(Abg. Fischer SPD zu Abg. Hauk CDU: Peter, die haben euch getrieben!)

Übrigens beanstandete die SPD vor einem Jahr in ihrer Großen Anfrage, dass wir zwei für die Lebensmittelkontrolle zuständige Ministerien haben. Ich verstehe die Aufregung nicht; denn vorher waren es fünf.

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Die Neuorganisation der Lebensmittelüberwachung betrachte ich noch heute als wirklich gelungene Reform. Wir konnten neue schlagkräftige Strukturen schaffen, Einheiten unter vormals konkurrierenden Fachabteilungen bilden und die badenwürttembergische Lebensmittelüberwachung zum Vorbild für andere Bundesländer machen. Die Neuorganisation der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg geschah längst vor der BSE-Krise,

(Zuruf von der FDP/DVP: Aha!)

in der sie sich hervorragend bewährt hat und in der sich auch gezeigt hat, welche Defizite auf Bundesebene wegen der Vielzahl der Kompetenzen herrschten.

Meine Damen und Herren, die Verwaltungsreform wird derzeit diskutiert; Frau Kipfer hat es vorhin aufgenommen.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Weil Sie ein solches Horrorbild bei der Lebensmittelüberwachung zeichnen, frage ich Sie: Sind Sie mit den Gesundheitsämtern und den Veterinärämtern in den Landkreisen nicht zufrieden?

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Was wollen Sie denn mit dem WKD machen? Das wollen Sie nicht verra- ten!)

Wir haben damals Wert auf die Stärkung der betrieblichen Eigenkontrolle als Bestandteil der Lebensmittelüberwachung und auf eine Konzentration der staatlichen Stellen auf ihr hoheitliches Handeln, das heißt auf die Überwachung und Kontrolle der ordnungsgemäßen betrieblichen Eigenkontrolle, gelegt. Nur so konnten wir eine flächendeckende Lebensmittelüberwachung mit optimalen Ergebnissen garantieren. Es muss aber auch deutlich gesagt werden: Eine hundertprozentige Kontrolle aller produzierten Erzeugnisse durch den Staat kann es nie geben.

Wenn die SPD-Fraktion in der Begründung ihrer Großen Anfrage darauf hinweist, der Nitrofen-Skandal habe deutlich gemacht, wie wichtig eine funktionierende Lebensmittelüberwachung sei, kann ich ihr nur Recht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die SPD-Fraktion hat aber eines verkannt:

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Der Nitrofen-Skandal ist dadurch entstanden, dass die Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach vorhandene Daten nicht weitergeleitet hat und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, also auch Frau Künast, lange Zeit uninformiert war.

(Zurufe der Abg. Dr. Caroli SPD und Walter GRÜ- NE)

Damals hat sich gezeigt, dass auf Bundesebene Reformen dringend erforderlich sind,

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Reformen, mit denen wir in Baden-Württemberg schon Jahre früher begonnen haben.

In der Tat hat die Lebensmittelüberwachung in BadenWürttemberg, aber auch in anderen Bundesländern, einen gravierenden Schwachpunkt.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Was?)

Meine Damen und Herren, die unterschiedlichen gesetzgeberischen Standards in den EU-Ländern bei gleichzeitig freiem Warenverkehr führen zu einem Wirrwarr von Vorschriften, der auf EU-Ebene endlich bereinigt werden muss.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Die sind doch längst da- bei!)

Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass aufgrund unterschiedlicher Standards Hersteller in Deutschland kriminalisiert werden und gleichzeitig in anderen EULändern das gleiche Produkt völlig legal hergestellt und bei uns verkauft wird.

(Beifall bei der FDP/DVP – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit angezeigt.)

Ich komme zum Ende. – Hieran sehen Sie wieder den eigentlichen Mangel. Auch hier ist die Bundesregierung auf EU-Ebene geradezu hilflos.

(Abg. Schmiedel SPD: Na!)

Auch hier zeigt sich: Die nationalen Alleingänge der Bundesregierung schaden unserer heimischen Wirtschaft und täuschen die Verbraucher.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Birgit Kipfer SPD: Oh, Herr Drautz!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist doch schön, wenn der Kollege Drautz ein gutes Feindbild hat. Damit kann er hoffentlich gut leben. Nur müsste er dann auch einmal belegen, welche Maßnahmen der Bundesregierung den Verbraucherinnen und Verbrauchern wirklich schaden.

(Abg. Scheuermann CDU: Als ob er das noch zu belegen brauchte!)

Die Alleingänge, die Sie ansprechen – vielleicht bei den Legehennen – schaden den Verbrauchern nicht, sondern nützen ihnen. Das müssen Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Klar schadet das unserer Wirtschaft! – Gegenruf des Abg. Schmiedel SPD: Den Verbrauchern oder der Wirtschaft?)

Sie haben gerade von Verbrauchern geredet. Was die Wirtschaft angeht, gibt es in Baden-Württemberg fast keine Eierproduktion mehr, weil sich eben ganz andere Strukturen entwickelt haben. Wir können sie jetzt dank der Bundesregierung ins Land zurückholen. Das muss man schon einmal genau wahrnehmen.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Da führen wir einmal eine Extradebatte!)

Aber, Herr Kollege Drautz, in einem muss ich Ihnen Recht geben: Wenn in Baden-Württemberg alles so gut geordnet wäre wie die Lebensmittelkontrolle, könnten wir uns manche Debatte hier ersparen. Nur ist es nicht so, dass es nichts zu kritisieren gäbe. Deswegen will ich Ihnen auch noch ein paar Punkte nennen.

Es nützt nämlich nichts, wenn man gute Kontrollen hat, wenn das Ganze dann aber gar nicht an die Öffentlichkeit kommt. Was nützt es, wenn wir erfahren, dass beispielsweise Früherdbeeren aus Mittelmeerländern stark mit Pestizidrückständen belastet sind, wir aber gar nicht wissen, welche Erdbeeren das sind und wo es diese Erdbeeren zu kaufen gibt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wollen Sie welche?)

Deswegen ist meine erste Forderung an Sie, Herr Minister: Wir brauchen ein Verbraucherinformationsgesetz. Die Ablehnung des ursprünglich von Frau Künast vorgelegten Entwurfs eines Verbraucherinformationsgesetzes war reine Wahltaktik.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE und Bir- git Kipfer SPD)

Die Ablehnungsgründe waren vorgeschoben. Am Schluss, als Ihnen und anderen nichts mehr einfiel, hieß es dann plötzlich: „Wir brauchen eine europäische Lösung.“ Das ist immer gut, wenn man nichts machen will. Aber so kommen wir nicht weiter.

Aber ich möchte Schluss machen mit der Vergangenheitsbewältigung. Sie haben nun die große Chance, in der jetzigen Legislaturperiode gemeinsam mit der Bundesregierung ein neues Verbraucherinformationsgesetz zu erarbeiten. Denn – da sind wir uns doch sicherlich einig – bei Skandalen müssen Ross und Reiter genannt werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, woran sie sind. Das nützt auch denen, die sich ehrlich verhalten. Deswegen brauchen wir dieses Gesetz. Wenn man den Verbraucherschutz ernst nimmt, ist es überfällig, dass dieses Gesetz kommt. Da jetzt in nächster Zeit keine Bundestagswahl ansteht,

(Abg. Zimmermann CDU: Nicht so sicher sein!)

kann man über dieses Thema, glaube ich, auch sachlicher reden.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Die zweite Forderung – deswegen verstehe ich Ihr Argument nicht, Frau Kollegin Gurr-Hirsch –: Der EU-Kommissar hat im Zusammenhang mit mehreren Lebensmittelskandalen immer wieder die Zersplitterung der Zuständigkeiten in Deutschland kritisiert. Wenn es nach ihm ginge, müsste das Ganze zentralisiert werden. Das ist nicht mein Weg. Aber wenn wir jetzt noch eine Ebene tiefer gehen und noch die Landkreise stärken wollen, frage ich wirklich, wie das geschehen soll.