Protocol of the Session on March 26, 2003

Der zweite Baustein ist das Urlaubsgeld. Wer mit vielen Beamten gesprochen hat und für deren Interessen sensibel ist, erkennt: Wenn es einen Punkt gibt, der von vornherein weitgehend akzeptiert worden ist, dann ist es der, dass das Urlaubsgeld in seiner bisherigen Dimension nicht mehr benötigt wird,

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

sondern im Grunde genommen auch aus Gründen der Vereinfachung ersatzlos gestrichen werden kann.

(Abg. Teßmer SPD: Sprechen Sie mal mit Inspek- toren und nicht mit Oberräten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Kollege Teßmer, jetzt hören Sie doch einmal ganz geduldig zu! Wenn Sie sprechen dürfen, höre auch ich Ihnen zu. – Die Einsparung des Urlaubsgeldes bringt eine Einsparung in Höhe von 41 Millionen €. Damit haben wir 188 Millionen € erreicht.

Jetzt hören wir aus dem Bundesinnenministerium, was die Umsetzung der Ergebnisse der Tarifrunde auf die Beamtengehälter anlangt, dass man bei den Besoldungsgruppen des einfachen und mittleren Dienstes nicht zum 1. Januar, sondern zum 1. März um 2,4 % erhöhen will und dass für die Besoldungsgruppen des gehobenen und höheren Dienstes der 1. Juni der Termin sein soll. Wenn dies so käme – das ist noch nicht konkret beabsichtigt, noch nicht beschlossen und noch nicht Gesetz –, würde uns dies einen Einsparbetrag von zweimal 35 Millionen € erbringen, 35 Millionen € für die zwei Monate bei allen und 35 Millionen € für die weiteren drei Monate für die höheren Besoldungsgruppen.

Damit wäre insgesamt ein Betrag von über 250 Millionen € erreicht. Das heißt, wir haben jetzt auch aufgrund der Zustimmung unserer Landesregierung zu der Entschließung im Bundesrat die sichere Vermutung, dass die 275 Millionen € keine Luftbuchung sind, sondern eine ganz konkrete Einsparung, die in diesem Haushaltsjahr entlastend wirkt, deren Entlastung die Haushaltsstruktur in Baden-Württemberg aber auch dauerhaft verbessern kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir sagen schon jetzt ausdrücklich jeder Beamtin und jedem Beamten, gerade auch denen im einfachen, im mittleren und im Eingangsbereich des gehobenen Dienstes – A 9, A 10 –, unseren Respekt. Ich glaube, es muss die Zusicherung hinzukommen: Baden-Württemberg wird in den nächsten Jahren sensibel darauf achten, dass die Besoldung unserer Beamten im Ländervergleich nicht Tabellenschlusslicht, sondern Tabellenmitte bleiben wird; denn nur so wird Baden-Württemberg, ein Hochlohnland mit hohen Lebenshaltungskosten, erreichen, dass die junge Generation noch Interesse hat, in den Staatsdienst einzutreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die zweite Baustelle ist neu; sie ist gerade einmal acht Tage alt und hat in der gestrigen Fraktionsberatung zu einem weitreichenden Beschluss geführt. Ich sage ganz offen: Diese weitreichende Verwaltungsreform fällt vielen Kollegen meiner Fraktion nicht leicht. Wir haben uns die Entscheidung auch nicht leicht gemacht, weil dies eine Veränderung in der Erfüllung der Landesaufgaben und der Bundesaufgaben in einem Umfang ist, wie er zum letzten Mal im Rahmen der Gebietsreform und der Gemeindereform in den Siebzigerjahren hier im Landtag beraten und entschieden worden ist.

(Zuruf des Abg. Fischer SPD)

Wir haben eine klare Mehrheit, und die CDU-Fraktion zieht bei dieser Verwaltungsreform konstruktiv mit. Wir zollen dem Ministerpräsidenten, dessen Handschrift die Verwaltungsreform trägt, der sie eigenhändig erarbeitet hat, unseren Respekt und sagen ihm unsere Unterstützung zu.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD: Oi!)

In außergewöhnlichen Zeiten, in Zeiten finanzieller Not kommt man mit herkömmlichen Instrumenten nicht mehr aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben ausdrücklich eine außerordentliche und große Veränderung vor, die hier im Landtag mehrheitsfähig gemacht werden kann.

(Abg. Teßmer SPD: Als wir das gesagt haben, ha- ben Sie noch ganz anders gesprochen!)

Dabei muss man klar sagen: Für einen Staatsaufbau gibt es in der Staatslehre und Verwaltungslehre zwei unterschiedliche Konzepte, die beide beachtlich sind und von denen man nicht eines als grottenfalsch bezeichnen kann.

Das eine Konzept ist das Konzept mit starken Fachverwaltungen, mit Landesämtern und Sonderbehörden, möglicherweise nur zweistufig aufgebaut.

Das andere Konzept, für das im Flächenland Baden-Württemberg mit bald 11 Millionen Einwohnern und mit heterogener Struktur aktuell und aufgrund der Herkunft des Landes gute Gründe bestehen, ist die Dreistufigkeit. Wir bekennen uns mit dieser Verwaltungsreform zur dreistufigen staatlichen Verwaltung in unserem Land.

Dann kommen die Einhäusigkeit und der Synergieeffekt der Bündelungsfunktion von Regierungspräsidien, Landratsämtern und Stadtkreisen hinzu. Ich spreche bewusst von Landratsämtern und nicht vom Landkreis, weil die CDU-Fraktion bei diesem Konzept großen Wert darauf legt, dass es weiterhin staatliche Aufgaben sind, dass es die Ausführung von Bundes- und von Landesrecht, von Parlamentsentscheidungen ist und dass deshalb eine Staatsverwaltung, eine staatliche Aufgabenerfüllung auch vor Ort durch Landratsämter in staatlicher Aufgabenwahrnehmung geschieht und es nicht eine kommunalisierte Verwaltung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir erwarten uns eine Effizienzrendite von 20 %. Dieser Umbau der Verwaltung, der Beamten, Behördenleitern und jedem, der davon betroffen ist, viel zumuten wird, macht überhaupt nur dann Sinn, wenn daraus eine nachhaltige und nennenswerte Verbesserung der Haushaltsstruktur erwachsen kann. Wir erwarten uns in allen betroffenen Bereichen – in den Personalstellen, bei den Sachmitteln und bei der Gebäudebewirtschaftung – eine Effizienzrendite, eine Einsparung von 20 %, die in fünf bis sieben Jahren erreichbar sein muss und die sich im Staatshaushaltsgesetz und in der Finanzbeziehung zu den Landkreisen und Stadtkreisen in Stufen in den nächsten Jahren entlang der Fluktuation auch ganz konkret in der Umsetzung nachweisen lassen kann.

20 % – das ist ein Wort. Gehen Sie einmal allein die Stellen durch. Wenn es uns gelingt, dass von den betroffenen etwa 20 000 Stellen – in diesen Fachbehörden, auf mittlerer Ebene, auf unterer Ebene, in diesen Landesämtern und Sonderbehörden – 4 000 in Wegfall gebracht werden können, dann erreichen wir hiermit den Einstieg in ein weiteres Stellenab

bauprogramm und den Einstieg in eine deutliche, nachhaltige Absenkung unserer Haushaltsausgaben. Denn 4 000 Stellen und Stellenäquivalente bedeuten auf Dauer eine Kostenabsenkung von 200 Millionen €. Die entsprechende Fortschreibung der Lohnkosten führt zu einer dynamischen Entwicklung, die man im Haushaltsprozess sehen und beachten muss.

(Abg. Fischer SPD: Wälzt das nicht auf die Kom- munen ab!)

Wer diese Verwaltungsreform macht, Herr Finanzminister, hat damit heute auch allen Grund, darüber nachzudenken, ob nicht eine Abänderung und Begrenzung bei den Neuen Steuerungsinstrumenten jetzt angesagt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Sehr gut! Dann können Sie ja die Sperre mitmachen! – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Nachtigall, ick hör dir trapsen! – Zuruf des Abg. Fischer SPD)

In die bisherige Vorbereitungsphase, das heißt in den Aufbau von Hardware und Software, in die Einstellung von Controllern und in die Schulung von Mitarbeitern waren die Gesundheitsverwaltung, die Veterinärverwaltung und die Wasserwirtschaft nicht einbezogen – aus gutem Grund. Bei diesen drei staatlichen Aufgabenbereichen hat die Einhäusigkeit diese staatlichen Sonderbehörden schon vor Jahren zu Teilen der Landratsämter und Stadtkreise gemacht. Wenn aber die Gesundheitsämter, die Veterinärämter und die Wasserwirtschaftsämter auf unterer Ebene nicht von NSI erfasst gewesen sind und wenn man die Organisationsgewalt der Landräte und der Ersten Landesbeamten achten will – denn sie sind verantwortlich, dass die Effizienzrendite von 20 % gelingt –, dann wird man ihnen diese Entscheidung vor Ort nicht durch NSI im Grunde genommen abnehmen dürfen.

So, wie bei der Gesundheitsverwaltung, der Veterinärverwaltung und der Wasserwirtschaft NSI außen vor geblieben ist, wird damit jetzt auch bei der Vermessungsverwaltung, bei der Flurneuordnung, bei der Landwirtschaft – bei allen Fachämtern auf unterer Ebene – NSI außen vor sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Und bei der Polizei! – Abg. Schmid SPD: Polizei dann auch? – Abg. Fischer SPD: Also, un- serem Antrag nachher zustimmen!)

Ich sage das nicht plakativ. Ich sage dies, weil nach unserer Überzeugung jetzt – –

(Abg. Schmid SPD: Wenn die Polizei eingegliedert wird: bei der auch nicht?)

Sie haben Recht. Erstaunlich! Sie haben völlig Recht. Ich bin dankbar, dass Ihnen ein Licht aufgeht, meine Kollegen. Deshalb spreche ich es hier ja auch an.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Fischer SPD: Das haben wir ja schon vorher gesagt!)

Ich sage dies, weil nach meiner Überzeugung die Konsequenz dieser Verwaltungsreform eine eigenständige Organi

sationshoheit der Landratsämter bedeutet und deswegen eine Änderungskündigung, eine Anpassung des NSI-Vertrags mit unserem Systemdienstleister in den nächsten Tagen notwendig und angebracht ist.

(Beifall bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Dann können wir ja sperren! Sehr gut!)

Umgekehrt aber haben mich zahlreiche Kollegen gefragt, wo denn in Zukunft die Mitwirkung des Landtags in der Aufgabenerfüllung ist. Deswegen ist ein Bestandteil von NSI, das Thema Zielvereinbarung, von höherem Gewicht denn je.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr richtig!)

Deswegen werden wir in diesem hohen Haus und in der Vorberatung in der Koalition in den nächsten Wochen mit der Regierung einvernehmlich beraten und entscheiden müssen, wie das Instrument der Zielvereinbarung zu schärfen ist und wer die Unterschrift, die Zustimmung für welche Ziele zu tragen hat. Ich glaube, nicht der Zielvereinbarung mit dem Wasserwirtschaftsamt oder mit dem Landratsamt, sondern der Zielvereinbarung mit dem Ressort, mit der Fachabteilung im Ressort kommt als neues Instrument der Politik für dieses Parlament in der Haushalts- und Finanzvorgabe entscheidende Bedeutung zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die Zielvereinbarung innerhalb NSI gewinnt an Bedeutung. Viele andere Faktoren auf unterer Ebene fallen im Grunde genommen als gegenstandslos weg.

Der dritte große Faktor, die dritte Baustelle ist die Arbeitszeit. Bei diesem Punkt war die Beratung in unserer Fraktion besonders intensiv, weil es natürlich schon ein wachsendes Ärgernis ist, dass in einer Fachbehörde des Landes zwei Mitarbeiter in einem Zimmer – zwei Schreibtische, das gleiche Geschäft, der eine BAT IV, der andere A 11, der eine BAT II, der andere A 13, der eine Angestellter, der andere Beamter – in eine deutlich unterschiedliche Arbeitszeit in der Woche gehen.

(Abg. Teßmer SPD: Das wird ja noch weiter ge- steigert!)

Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, glauben wir, dass die Wochenarbeitszeit in der Wirtschaft in Deutschland generell länger werden muss:

(Abg. Drexler SPD: Die Lebensarbeitszeit!)

in der Industrie, beim Handwerk und auch bei den Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst. Insoweit sind die Beamten

(Abg. Drexler SPD: Vorreiter!)

möglicherweise zuerst betroffen. Aber wir arbeiten nachhaltig auch im Zuge unserer Tarifauseinandersetzung darauf hin, dass die Wochen- und Lebensarbeitszeit in Deutschland nicht weiter absinkt, sondern mittelfristig wieder steigt,