Protocol of the Session on February 20, 2003

und das in dem Wissen, dass die große Steuerreform 2004 und 2005 kommen wird und noch einmal eine starke Entlastung bringen wird. Selbst in einer solchen Situation verweigern Sie sich dem Subventionsabbau im Steuerbereich. Das hat überhaupt keine Ratio. Wenn Sie das für falsch halten,

dann stellen Sie sich doch hierher und machen konstruktive Gegenvorschläge. Die haben wir bisher nicht gehört.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist Sache des Bundes!)

Was müssen wir hier also machen? Wir müssen Strukturen verändern.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Die erste Struktur, die wir verändern müssen, ist die Landesstiftung. Wir müssen sie auflösen und den betreffenden Betrag in den Landeshaushalt zurückführen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Jeder weiß, dass das ein gewaltiger Betrag ist.

(Zuruf des Ministers Dr. Christoph Palmer)

Es ist einfach unverantwortlich, in einer solchen Situation, in der Sie die größte Verschuldung machen, die das Land Baden-Württemberg je erlebt hat, die Stiftung aufrechtzuerhalten, wo Orchideen gesät werden, während hier die Wiese vertrocknet.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Ministers Dr. Christoph Palmer)

Das ist eine Politik, die mit einer verantwortlichen Konsolidierung von Haushalten nichts zu tun hat. Ich erinnere noch einmal daran: Da geht es immerhin um Beträge von 3,8 Milliarden DM. Das ist das Erste.

(Minister Dr. Christoph Palmer: Die Hälfte ist weg durch Steuern!)

Das Zweite ist eine Reform des öffentlichen Dienstrechts. Es ist gut, wenn Sie da engagiert sind. Herr Finanzminister, es ist vollkommen klar, dass wir mit diesem öffentlichen Dienstrecht und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, wie sie in der Verfassung stehen, keinen modernen öffentlichen Dienst schaffen können

(Abg. Hauk CDU: Und mit Tarifverträgen, wie sie bestehen!)

und nicht die Strukturveränderungen vornehmen können, wie sie uns vorschweben. Aber Sie sind auf dieser Ebene die Blockierer.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Genau, so ist es!)

Sie sind diejenigen, die sich immer weigern, diesen Verfassungsartikel zu ändern, zumindest die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus der Verfassung herauszunehmen. Sie beinhalten ein Alimentierungsprinzip, das vielleicht in Preußen Sinn gemacht hat, aber gewiss nicht in einer modernen Industriegesellschaft sinnvoll ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wie schnell wirkt das?)

Ich komme zum nächsten sehr wichtigen Punkt. Das ist eine Schulreform mit neuen Arbeitszeitmodellen für Lehrer. Ich glaube, dass darin sehr große Effizienzreserven liegen. Nir

gendwo verletzt diese Landesregierung den Grundsatz der Subsidiarität so eklatant wie in der Schulpolitik. Hier wird wirklich wie in einem preußischen Obrigkeitsstaat immer noch alles von oben nach unten delegiert und kommandiert.

(Abg. Zeller SPD: Diktiert!)

Man traut einfach den Schulen vor Ort nichts zu. Logischerweise kommt dabei nichts Gescheites mehr heraus. Das kann auch gar nicht sein. Dieselbe Reform wie die für die Heusteigschule Stuttgart ist eben falsch für die Hauptschule am Heuberg, weil das ganz unterschiedliche Hauptschulen sind.

Wer glaubt, dass er mit einem Zentralismus, den die Kultusminister bis zum Erbrechen pflegen, ein Schulsystem erreichen kann, das effizient ist und uns wieder an die Spitze der internationalen Vergleiche bringt, der ist wirklich völlig falsch gestrickt. Natürlich muss eine solche Schulstruktur einen riesigen Behördenapparat erzielen, wie wir ihn in den Schulämtern und Oberschulämtern haben. Seit mindestens einem Jahrzehnt fordern die Grünen hier die Abschaffung der Oberschulämter.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Zeller SPD: Wir auch, nicht nur die Grünen!)

Tun Sie etwas! Dafür hat das Land die Kompetenz: Es muss endlich das Ende der Frühverrentung unter den Bedingungen kommen, die wir heute haben. Das gehört angesichts der Pensionslasten, die wir haben, zu den allerwichtigsten und dringendsten Aufgaben.

Aber auch die Wirtschaft muss endlich Anreize dafür schaffen, dass ältere Arbeitnehmer – „älter“ meint hier ja völlig paradoxerweise Menschen über 50 – wieder eingestellt werden. Auch da muss endlich eine Bereitschaft in der Wirtschaft bestehen, das wieder zu ändern.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Jawohl, haben wir schon gestern bespro- chen!)

Ich glaube also, wir müssen richtig an die Strukturen ran. Über die Verwaltungsreform haben wir schon lange gesprochen. Solange Sie sich weigern, eine durchgreifende Verwaltungsreform zu machen, bei der mindestens eine Ebene wegfällt, sind Ihre Bekenntnisse zur langfristigen Konsolidierung des Haushalts wirklich nicht sehr ernst zu nehmen.

Worum geht es? Lassen Sie mich das zum Schluss sagen: Wir wollen die drastischen Einsparungen aus einem bestimmten Grund erreichen: nicht deshalb, weil uns dies Spaß macht, sondern weil sie notwendig sind. Nur wenn wir den Leuten klar machen, wie erstens die Lage ist und welches zweitens die Kernaufgaben des Staates sind, können wir auch die Bereitschaft finden, über einige Jahre hinweg etwas härtere Einschnitte zu akzeptieren. Wir müssen wieder zu den Kernaufgaben des Staates zurückkehren.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das sind Forschung, Bildung und Weiterbildung, das ist die innere Sicherheit, und das ist der Ausgleich sozialer Härten.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Auf diese Kernaufgaben müssen wir uns vermehrt konzentrieren, und die Ansprüche an den Staat außerhalb dieser Kernaufgaben müssen reduziert werden. Ich bin überzeugt, dass der Staat dann wieder stärker und glaubwürdiger wird, wenn er dort handelt, wo er handeln muss, nämlich in seinen Kernaufgaben.

Ich bin der ganz festen Überzeugung: Wir tun auch für die Wirtschaft sehr viel mehr, wenn wir, anstatt das Geld in Rinderhallen zu verpulvern – –

(Abg. Pfister FDP/DVP: In was?)

Ja, wie Sie es ja machen, obwohl es welche gibt. Man verstreut einfach 40 % Zuschüsse in die Gegend für Projekte, bei denen man sagen muss: Es gibt doch drei Rinderhallen im Land. Wir leisten uns den Luxus und fördern solche Projekte. Das soll dann irgendwie die Wirtschaft beleben. Wer glaubt denn so etwas?

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Von all diesen Dingen, aber auch härteren Dingen wie Förderung von Messen und Ähnlichem müssen wir sagen: Diese Aufgaben müssen wir an die Wirtschaft und an den Markt zurückdelegieren. Davon verstehen diese selbst mehr. Und wenn sie das selbst bezahlen müssen, wird wirklich nur das gemacht, was auch notwendig ist.

(Beifall bei den Grünen)

Ich bin überzeugt: Was wir in einem modernen Industrieland Baden-Württemberg zur Belebung der Wirtschaft und deshalb tun müssen, damit eine Aufbruchstimmung aufkommt, ist, unsere jungen Menschen in diesem Land wieder so gut auszubilden, dass sie mit denen in den anderen Industrieländern, die hier Spitzenpositionen haben, gleichziehen können. Das ist das Allerwichtigste, was wir für unsere heimische mittelständische Wirtschaft machen müssen. Das ist genau das, was sie braucht, und hier müssen wir unsere Mittel absolut konzentrieren. Das wird eine riesige Anstrengung sein.

Wenn die Botschaft rüberkommt: „Wir sparen hier auch sehr hart – und da müssen alle mitziehen –, damit wir dieses Land wieder in eine Spitzenposition bekommen in der Bildung, in der Forschung und in der Entwicklung“, dann – da bin ich sicher – sind die Leute bereit, auch harte Einschnitte zu tragen.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Wenn wir es noch einmal herunterbrechen: Wir müssen 15 % unseres Haushaltsvolumens mittelfristig einsparen, also 4 Milliarden €. Dies klingt natürlich unglaublich. Aber wenn wir das etwas aufteilen, wenn wir sagen, 25 % der Lücke werden durch strukturelle Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Personalausgaben gedeckt – das ist ungefähr 1 Milliarde € –, 25 % der Lücke werden durch strukturelle Maßnahmen mit Auswirkungen außerhalb des Personalbereichs gedeckt, und für die restlichen 50 % müssen wir dann Ansprüche außerhalb unseres Kernbereichs streichen, dann ist das, glaube ich, eine Aufgabe, die wir meistern können und meistern müssen.

Ich fordere die Landesregierung auf, den Leuten endlich reinen Wein einzuschenken und diese harten Strukturaufgaben anzugehen. Sie können jedenfalls mit unserer Unterstützung rechnen, wenn Sie das machen. Dann bin ich sicher, dass wir nach fünf Jahren wieder Haushalte haben, die uns nicht erdrücken und uns wieder einen Spielraum geben für die Zukunft. Die Leute haben uns dafür gewählt, dass wir diese Probleme lösen. Wir sind dazu bereit und werden das kräftig anpacken.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, ich teile Ihnen mit, dass gegenwärtig noch zwei Wortmeldungen vorliegen, von Finanzminister Stratthaus und vom Kollegen Dr. Noll. Meine Frage ist: Sollen wir diesen Tagesordnungspunkt abhandeln, oder sollen wir in eine kurze Mittagspause von einer Dreiviertelstunde eintreten?

(Abg. Zeller SPD: Zweiteres! – Abg. Dr. Lasotta CDU: Jetzt sind wir so heiß! Jetzt ziehen wir das durch!)

Sind Sie damit einverstanden, dass wir in eine dreiviertelstündige Mittagspause eintreten? –

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

Dies entspricht dem Willen des Hauses. Dann unterbreche ich die Sitzung bis 14:30 Uhr.