Protocol of the Session on February 19, 2003

Wir brauchen vor allem Lehrer mit großer Begeisterung für ihren Beruf, die ihrerseits auch Schüler begeistern können. Das wäre unser Anliegen zu dieser Frage.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Begründung zu dem Antrag ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es sich hier um ein „Problem mit Tradition“ handelt. Das stimmt in der Tat. Ich befasse mich schon seit einer ganzen Weile mit Schulthemen, und auch aus meiner eigenen Schulzeit ist mir noch einiges in Erinnerung, was ich damals nicht gut fand.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist aber schon lange her!)

Der Abschluss war ganz in Ordnung, und ich glaube, ich habe auch etwas daraus gemacht.

Bei der Beschäftigung mit diesen Themen störte mich immer wieder die Tatsache, dass man zu Recht sagen konnte, dass bei den Gymnasiallehrern, bei den Lehrern für das höhere Lehramt, die Pädagogik nicht in der Ausbildung enthalten sei. Insofern hat das Problem Tradition.

Die Fragen der SPD sprechen allerdings für sich. Sie versuchen mal wieder, diesem Problem mit Messen, Zählen, Wiegen – Sie verzeihen mir, wenn ich jetzt Begriffe verwende, die im Zusammenhang mit dem Wort „Inventur“ aus dem Handelsgesetzbuch stehen – auf den Grund zu kommen.

Interessant ist auch der Hinweis – Herr Kaufmann, Sie haben dies angesprochen –, in etlichen Ländern hätten Reformüberlegungen eingesetzt. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass bei uns seit dem 1. April 2001 Reformüberlegungen schon Fakt geworden sind?

(Beifall der Ministerin Dr. Annette Schavan)

Wir sind da ein gewaltiges Stück weiter, und das, ohne dass PISA uns aufgeschreckt hätte. Wichtige Entwicklungen in diesem Prozess der Modernisierung der Ausbildung von Gymnasial- und Berufsschullehrern sind – davon wurde bereits gesprochen – die Einführung des Praxissemesters und anderer Praxiselemente. Das Wichtigste scheint mir vor allem eine stärkere Kooperation und Verzahnung von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen zu sein. Das ist auf dem Weg. Dazu kann man im Moment sicher noch nichts Abschließendes sagen, und deswegen will ich mich darüber auch nicht viel weiter auslassen.

Aber eine Anmerkung noch: Genauso wichtig wie die praktische Ausbildung und wie der pädagogische Bezug im Studium von künftigen Lehrern für das höhere Lehramt ist auch hier das lebenslange Lernen. In diesem Zusammenhang fand ich interessant, was der „Staatsanzeiger“ kürzlich über eine hessische Studie berichtete. Es hieß darin, man bräuchte zu gewissen Zeiten eine längere Nachschulung. Das hat mich nun doch erstaunt, denn für mich wird lebenslanges Lernen, sprich: „Training on the job“, von regelmäßiger theoretischer Fundierung – die durchaus auch in Eigeninitiative geschehen sollte – begleitet. Dies ist eigentlich eine Übung, die in qualifizierten Berufen jeder Richtung schon immer wichtig war und noch immer ist. Deswegen gehe ich davon aus, dass unsere Lehrer, die ebenfalls einen qualifizierten Beruf ausüben, auch selber darauf achten, dass sie da nicht auf der Stelle stehen bleiben, sondern weitermachen.

Das Hauptziel ist doch ein nachhaltiger Unterricht, der das Lernen dadurch fördert, dass er auf dem praktischen Leben aufbaut und deshalb interessant ist. Baden-Württemberg ist hierzu auf gutem Wege. Machen wir weiter so!

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Frankenberg.

(Widerspruch bei den Grünen)

Entschuldigung, Herr Minister. Ich habe Frau Bauer übersehen.

Frau Abg. Bauer, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst zum Antrag der Fraktion der SPD lässt den Verdacht aufkommen, dass hier der Verweis auf die Autonomie der Hochschule als Ausrede dafür herhalten muss, dass die Landesregierung nicht hingucken will.

Aber immerhin: In der Stellungnahme wird ja auch gesagt, dass die Reform der Lehrerausbildung im öffentlichen Interesse liege. Es ist ja auch noch immer so, dass Lehrerinnen und Lehrer mit dem Staatsexamen abschließen und danach auch im Landesdienst arbeiten. Es ist also festzuhalten: Es gibt ein deutliches Interesse der Landesregierung und auch des Landtags an einer guten Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb ist der Zeitpunkt richtig, jetzt – zwei Jahre nachdem die neue Prüfungsordnung in Kraft getreten ist – einmal nachzuschauen, wie die Umsetzung der neuen Prüfungsordnung vor Ort vor sich geht.

Vor zwei Jahren, als es um die Reform der Gymnasiallehrerausbildung ging, haben wir Grünen die Veränderung im Grundsatz begrüßt und gesagt, sie gehe in die richtige Richtung: mehr Praxisbezug herstellen, mehr schulpädagogische und schulpsychologische Verankerung der gymnasialen Lehre.

Wir haben aber auch schon vor zwei Jahren gesagt, dass wir die Art und Weise, wie diese Veränderungen in die Praxis umgesetzt werden sollen, sehr kritisch sehen.

Wir haben damals begrüßt, dass das ethisch-philosophische Grundlagenstudium gestärkt werden soll. Das war in Baden-Württemberg in der Tat überfällig. Wir waren hier im Bundesvergleich Schlusslicht.

Dennoch zeigt sich jetzt, dass die Bedenken, die wir vor zwei Jahren in Bezug auf die Art und Weise der Umsetzung hatten, berechtigt waren. Es zeigt sich, dass die fehlende Verbindung zwischen dem Schulpraktikum und der didaktischen Reflexion in der Hochschule tatsächlich eine Schwachstelle ist und dass der praktische Teil an der Schule nach wie vor ungenügend an der Hochschule betreut wird.

Wir haben schon damals Folgendes angemahnt: Die Universitäten haben sich früher ja nicht gerade als Lehrerausbildungsstätten mit starker Praxisorientierung profiliert.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Was heißt „früher“? – Abg. Kaufmann SPD: Das ist heute noch genauso!)

Schon vor zwei Jahren war festzuhalten: Wenn man die Lehrerausbildung mit mehr Praxisbezug ausstatten will, dann braucht man an der Universität einen Ort der Verantwortung, wo die Fäden zusammenlaufen. Man braucht einen Ort der Verantwortlichkeit. Das kann man durch einen Prorektor für Lehrerausbildung machen. Das kann man – das wäre besser – durch ein Zentrum für Lehrerausbildung lösen. Am besten wäre es, man würde Fakultäten für Lehrerbildung einrichten.

Sie haben damals nichts davon getan. Vielleicht konnte sich Frau Schavan auch gegenüber dem Wissenschaftsministerium nicht durchsetzen; das weiß ich nicht. Sie haben damals jedenfalls auf strukturelle Reformen und konkrete Anforderungen verzichtet. Sie haben es dabei belassen, eine Verordnung zu beschließen, die festlegt, dass die schulpsychologische Fundierung und die Schulpraxis jetzt besser laufen sollen. Die Unis sollten dann selber gucken, wie sie das umsetzen.

Man kann so vorgehen. Man kann sagen: Wir legen die Umsetzung in die Autonomie der Hochschulen. Das kann durchaus sinnvoll sein. Man kommt aber in keinem Fall darum herum, dann genau hinzuschauen und zu evaluieren: Wie läuft es denn? Wird die Aufgabe denn tatsächlich in der Praxis umgesetzt?

Von daher kann man es auf keinen Fall hinnehmen, dass Sie jetzt in der Stellungnahme zu diesem Antrag sagen: Tut uns Leid, die amtliche Statistik gibt nicht das nötige Zahlenmaterial her; wir wissen nicht, ob die Lehrerausbildung jetzt besser läuft.

Es wäre doch an der Zeit, zu überprüfen, wie die Zusammenarbeit zwischen den PHs und den Unis tatsächlich läuft. Bietet die beschlossene Kooperation für manche Universitäten nicht vielleicht auch die Gelegenheit, sich ganz aus der Verantwortung zurückzuziehen und das Kerngeschäft Lehrerausbildung einfach an die PHs outzusourcen? Es wäre doch einmal nötig, hinzuschauen, wie die Standards und das Angebot der PHs tatsächlich aussehen. Wie ist das Renommee dieser Angebote innerhalb der Unis? Und vor allem: Was ist denn aus der dazugehörigen Forschung geworden?

Die Stimmen, die ich von den Beteiligten vor Ort höre – anscheinend kennen die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fraktionen sie auch –, äußern sich sehr bedenklich bezüglich der Frage, was aus der Forschung geworden ist und was aus den erziehungswissenschaftlichen Lehrstühlen und aus den Lehrstühlen für Pädagogische Psychologie und Empirische Pädagogik geworden ist. Das muss man doch im Blick behalten und kann nicht einfach sagen: Wir haben das in die Autonomie der Hochschulen übertragen; sollen die das Geschäft betreiben. Nach wie vor ist die Ausbildung der Lehrer Angelegenheit des Landes.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Nun muss man ja sagen: Der Antrag ist schon relativ alt, die Stellungnahme der Landesregierung ist schon relativ alt. Lassen wir es dahingestellt sein. Jetzt, nach zwei Jahren, wäre es an der Zeit, eine qualitative Evaluation anzustoßen. Wir sollten unsere eigene Evaluationsagentur in Mannheim damit beauftragen, uns eine qualitative Grundlage dafür zu liefern, dass wir hier demnächst mit einer besseren Substanz darüber diskutieren können, wie die weitere Reform der Lehrerausbildung hier im Land aussehen soll.

In der Debatte sind schon sehr gute Vorschläge. Ich finde, ein besonders diskutierenswerter Vorschlag ist, Fakultäten für Lehrerbildung einzurichten, die ähnlich arbeiten wie zum Beispiel Medizinische Fakultäten. So kann das Ausbildungsziel Lehrer stärker in das Zentrum der wissenschaftlichen Ausbildung gestellt werden. Der Beruf Lehrer muss in der Ausbildung eine stärkere Rolle spielen. Die Arbeit des Lehrers in der Schule, die Kernkompetenz Unterrichten, die Diagnosefähigkeit in Bezug auf Schüler und auch die Arbeit mit Eltern – all diese Fähigkeiten, die ein Lehrer braucht, müssen in der Ausbildung stärker zum Zuge kommen. Dafür braucht es Fakultäten, die sich auf Berufsorientierung konzentrieren. Die verschiedenen Wissenschaften müssten dann ihre spezifischen Beiträge liefern, entweder aus fachwissenschaftlicher Sicht oder aus didaktischer und psychologischer Sicht.

(Beifall des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

Dadurch kann man auch organisieren, dass die Lehrenden in Kontakt zur Praxis bleiben.

(Glocke der Präsidentin)

Liebe Frau Bauer, beachten Sie bitte die Redezeit.

Noch zwei Sätze.

Nur so könnte man auch sicherstellen, dass die Lehrenden Kontakt zur Praxis halten. So wie Ärzte in Universitätskliniken weiterhin praktisch tätig sind, müssen auch die Lehrenden an solchen Fakultäten praktisch tätig sein und Kontakt zu den Schulen und den Schülern halten.

Deswegen meine Idee, mein Vorschlag, wie man in dieser Angelegenheit weiterkommen könnte: Machen Sie doch eine Ausschreibung. Schreiben Sie das Projekt Lehrerausbildung im Land aus. Fordern Sie die Universitäten dazu auf, gute, ambitionierte Gesamtkonzepte vorzulegen. Lassen Sie

die Hochschulen in Konkurrenz um das beste Konzept treten. Lassen Sie die Hochschulen gemeinsam mit dem PHs Konzepte vorlegen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Bauer, kommen Sie zum Ende.

Das ist heute der letzte Beitrag. Danach dürfen Sie nach Hause gehen.

Ich glaube, so kann man unter Respektierung der Autonomie der Hochschulen durchaus Veränderungen anstoßen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fragen zur schulpädagogischen und schulpsychologischen Fundierung des Lehramtsstudiums haben wir, glaube ich, ausführlich beantwortet. Ich will deshalb einige ergänzende Bemerkungen zur Lehramtsausbildung an den Gymnasien in unserem Land machen.