Protocol of the Session on February 19, 2003

Wir sind durch diesen Teil der Untersuchung bestätigt worden.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Abg. Zeller SPD: Den Vergleich mit Finnland können wir halt nicht bestehen! – Gegenruf der Abg. Dr. Carmina Bren- ner CDU)

Untersuchen Sie nicht nur Finnland! Untersuchen Sie Deutschland im Vergleich der Bundesländer, die unterschiedlichen Ansätze.

(Abg. Zeller SPD: Unser Maßstab ist Finnland und Schweden! – Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Finnland ist bedingt als Maßstab geeignet. Sie können von Finnland einiges lernen.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Sie können die finnischen Verhältnisse aber nicht auf die deutschen Verhältnisse übertragen.

(Zurufe von der SPD)

Die Bevölkerungsstruktur ist eine andere, die Migrantenstruktur ist eine andere, die Schulstruktur ist zwingend eine andere. Was Sie, Herr Zeller, hier so plump ableiten wollen, das endet so, wie Sie es treiben, in einer Sackgasse.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in den vergangenen Jahren außer den bereits genannten weitere wichtige Elemente der Weiterentwicklung von Grundschule umgesetzt. Das erste ist die verlässliche Grundschule als Antwort auf die sich wandelnden Kindheitsbedingungen, und zwar als ein Angebot – nicht verpflichtend –, sodass es, wenn es aus der familiären Situation heraus gewünscht wird, genutzt werden kann. Die Tatsache, dass sich 80 % der Schulen diesem Angebot angeschlossen

(Staatssekretär Rau)

haben, spricht Bände. Es ist für die Situation vor Ort, für die Situation der einzelnen Schule die geeignete Maßnahme.

Sie fordern hier etwas anderes. Sie fordern etwas, was überdies – ich habe es am Anfang gesagt – unbezahlbar wäre. Entscheidend ist, dass auf Herausforderungen angemessene Antworten gegeben werden.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Sie nehmen die Ressourcen wieder aus der Grundschule heraus!)

Die Herausforderung ist, zu erreichen, dass Kinder nicht alleine zu Hause sind. Die Herausforderung ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Familien auf einen sicheren Schultag verlassen können. Und diese Herausforderung haben wir mit der angemessenen Antwort bestanden.

Wir haben auch für Grundschulen Betreuungsangebote am Nachmittag eingeführt. Wir haben dazu die Förderung des Landes eingeführt, obwohl es sich hier um eine kommunale Aufgabe handelt, weil wir klar gemacht haben, dass wir das für eine vordringliche Aufgabe halten.

Das pädagogische Konzept der Grundschule ist weiterentwickelt. Die Rhythmisierung des Unterrichts ist ein Grundprinzip, das bereits an vielen Schulen greift und dazu führt, dass die Kinder nicht mehr in einem strengen Takt arbeiten müssen, sondern der schulischen Herausforderung angemessen arbeiten und auch die Pausen dann gesetzt bekommen, wenn es von der Situation in der Klasse her angemessen ist.

Wir haben ein Förderkonzept für schwache und für sehr begabte Kinder, und wir legen großen Wert darauf,

(Abg. Schmiedel SPD: Na! Die Beratungsstellen habt ihr geschlossen!)

dass die Kooperation der Grundschule mit den Eltern, mit den Schulträgern, mit den Kindergärten, mit den Sonderschulen greift. Grundschule kann nicht für sich allein leben. Grundschule ist auf Kooperation angelegt, und eine der wichtigsten oder sogar die wichtigste ist für mich die Kooperation mit den Elternhäusern. Es ist bedauerlicherweise so, dass offensichtlich viele Eltern mit den Herausforderungen der Erziehungsaufgabe allein nicht fertig werden. Deswegen müssen wir in der Kooperation zwischen Schule und Elternhaus dafür sorgen, dass hier ein abgestimmtes Konzept greift. Das hängt mit dem Engagement der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in unseren Schulen zusammen.

Kurzum: Wer bei uns in Baden-Württemberg über Grundschule diskutiert, spricht über eine Schule, in der es den Kindern gut geht, spricht über eine Schule, die in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt wurde, und über eine Schule, der die Verantwortung zukommt, in den für junge Menschen wichtigsten Jahren Voraussetzungen zu schaffen, die unter Umständen nachträglich nicht mehr geschaffen werden können.

Ich möchte an dieser Stelle meinen größten Respekt vor allen ausdrücken, die in der Grundschule arbeiten und dort

mit sehr unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert sind. Niemand kann es ihnen abnehmen, mit den unterschiedlichen Voraussetzungen, die Kinder mitbringen, umzugehen und ihnen gerecht zu werden.

Ich möchte zum Schluss Professor Spitzer, einen der führenden Neurobiologen, zitieren, der uns auch in unserem Bildungsrat berät: „Ohne Liebe zu den Kindern funktioniert kein noch so gut durchdachtes Konzept.“ Ich sage das, damit es gerade bei einer Diskussion über die Grundschule nicht in Vergessenheit gerät.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rudolf.

Herr Rau, wenn Sie damit zufrieden sind, in der Regionalliga zu spielen, dann ist das Ihre Sache;

(Oh-Rufe von der CDU)

aber ich glaube nicht, dass das den Kindern in Baden-Württemberg gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)

Der Arbeitskreis Gesamtelternbeiräte, die Aktion „Humane Schule“, der Verband Bildung und Erziehung, der Grundschulverband, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Handwerkstag, alle an der Grundschule und am Schulleben Interessierten – auch in Baden-Württemberg – haben angefangen, über Schulstrukturen nachzudenken und darüber, dass eben – wenn Sie bei dem Wort zusammenzucken, ist das Ihr Problem – Grundschulabitur nicht mehr die richtige Antwort in der heutigen Zeit ist. Alle diese Gruppen haben sich zusammengesetzt und versuchen ein Konzept zu entwickeln, das auch in Baden-Württemberg Sorge dafür trägt, dass den Kindern in der Grundschule – wir alle sind uns ja darüber einig, dass das der wichtigste Zeitabschnitt in der Bildungslaufbahn ist – die ihnen gemäße Förderung zukommt.

Sie nehmen zwar einige Verbesserungen vor, aber bei dem Thema „Grundschulanfang auf neuen Wegen“ muss man Sie ganz einfach korrigieren: Es war hier in diesem Hause nie die Frage, ob dieser Weg der richtige ist, sondern die Frage war immer nur das Wie, weil Sie etwas eingeführt haben, bei dem die Ressourcenausstattung von hinten bis vorn nicht gestimmt hat. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Das ist mit ein Grund dafür, warum Sie das nicht ausweiten wollen und es nach wie vor nur wenige Schulen in BadenWürttemberg gibt, die davon profitieren können, und der weit überwiegende Teil der Kinder keine Chance hat, in dieses Modell zu kommen.

Das ist übrigens, wenn man draußen im Lande herumreist, sowieso das Bild: Es gibt viele Schulen auch im Grundschulbereich, die hier in Baden-Württemberg hervorragende und gute Arbeit leisten. Das ist unbestritten. Aber in der Regel hängt es am persönlichen Engagement der dort Lehrenden, ob diese hervorragenden Bedingungen gegeben sind, und nicht an dem, was das Kultusministerium an Mitteln und an Strukturen zur Verfügung stellt. Im Sinne der

Chancengleichheit kann das für die Zukunft unserer Kinder nicht ausreichend sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Nach einer Übereinkunft der Fraktionen sollen die Anträge an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport überwiesen werden. Das betrifft den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/636, den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/1799, den Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/637, und den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/ DVP, Drucksache 13/1800. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 8 erledigt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 9. Ich rufe auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Sprachförderung im Vorschulalter und in der Grundschule – Drucksache 13/1665

Dazu liegt der Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/1801, vor.

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Das Wort erteile ich Herrn Abg. Staiger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin! „Wir haben das Thema Sprache unterschätzt“ – so Ihre erfrischend aufrichtige Aussage im „Mannheimer Morgen“ vom 15. Februar dieses Jahres. Sie räumen damit immerhin ein, dass es Ihnen und anderen bis zu den Ergebnissen der PISA-Studie nicht so richtig bewusst war, wie wichtig die Sprachförderung im Vorschulalter ist. Weil wir dieses Thema nicht unterschätzen und auch weiterhin nicht unterschätzen wollen, sondern als eine zentrale bildungspolitische Aufgabe ansehen, haben wir diesen Antrag eingebracht und nach einer Gesamtkonzeption für die Sprachförderung im Vorschulalter und in der Grundschule gefragt.

Dabei, sehr geehrte Frau Ministerin, brauchen Sie das Rad nicht unbedingt neu zu erfinden. Das Thema Sprachentwicklung ist für die Praktiker vor Ort ein Thema, das sie, wenn man so will, schon seit 20 oder 25 Jahren betreiben. Sie tun das mit den Sprachhelferinnen und den Sprachhelfern des Denkendorfer Modells, die sehr erfolgreich und engagiert ihre Arbeit tun und ohne deren Arbeit die Situation bei uns im Land wahrscheinlich noch sehr viel schwieriger wäre.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Gedanke daran, eine Sprachstandsdiagnose einzuführen und durchzuführen, ist nicht so neu. Schon zu Beginn der Achtzigerjahre wurde dies vorgeschlagen und zum Teil auch – an der PH Schwäbisch Gmünd – ausgeführt. Es

gibt auch Veröffentlichungen von Neumann und Wespel, die eine Sprachstandsdiagnose dargestellt haben – zugegebenermaßen für ausländische Kinder, die in die Grundschule kommen. Daher begleitet uns das Thema. Vor allem diejenigen, die vor Ort sind und täglich daran arbeiten, sind mit diesem Thema vertraut und wissen um seine Wichtigkeit.

Allerdings gestehe ich zu: Wir haben unser Augenmerk ganz verstärkt auf Kinder mit Migrationshintergrund gelenkt und gesagt: Hier ist die Hilfestellung zunächst am notwendigsten, und deswegen fangen wir hier an. Die PISAStudie hat nun ergeben, dass wir diese Sprachförderung allen Kindern anbieten müssen und bei allen Kindern den Sprachstand diagnostizieren müssen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Al- len!)

Das wissen wir jetzt auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Medienüberflutung und auch die Geschwätzigkeit innerhalb der Gesellschaft führen dazu, dass Sprachwahrnehmung, Sprachverständnis und Sprachkompetenz bei den Kindern nicht mehr so vorhanden sind, wie wir das eigentlich voraussetzen, wenn wir an die Grundschule denken. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf.