Es gab dann in der Vergangenheit zum Beispiel ein umfangreiches Maßnahmenpapier aus mehreren Ministerien, das überschrieben ist: „Gemeinsames Präventionsprogramm Kinder- und Jugendkriminalität“.
Viele der Themen, die darin stehen, tragen wir als grüne Landtagsfraktion mit, weil sie nicht mit dem Strafrecht ansetzen, sondern sich im Wesentlichen auf den Bereich der Jugendhilfe konzentrieren und darüber hinaus auch Maßnahmen fordern, die die Landespolitik umsetzen kann. Ich will einmal ein paar nennen: mobile Jugendarbeit, Schulsozialarbeit etc. pp. In dem Maßnahmenkatalog gab es auch Maßnahmen an Schulen.
Hören Sie jetzt gut zu, Kollege Theurer. Sie gehören dieser Landesregierung ja an bzw. Sie tragen diese Landesregierung. Sie gehören ihr nicht an, aber Sie tragen sie.
Am Schluss steht in diesem Papier ein ganz wichtiger Satz, den ich dieser Landesregierung gar nicht zugetraut hätte.
Sie schreibt darin, dass weitere Maßnahmen erst dann in diesem Hause diskutiert und beschlossen werden sollen, wenn dieser Maßnahmenkatalog auf seine Wirksamkeit hin evaluiert sei.
Diese Evaluation liegt diesem Haus jedenfalls bis heute nicht vor. Das Einzige, was wir hören, sind grausame und grausliche Statistiken, sozusagen eine Art Stimmungsmache als Bodenbereitung für die Verschärfung der strafrechtlichen Maßnahmen. Das ist der verkehrte Weg, meine Damen und Herren, den trägt unsere Fraktion nicht mit.
Ein weiterer Punkt, der erwähnt werden soll: Es gab dann sozusagen einen Paradigmenwechsel. Spätestens im Oktober des vergangenen Jahres, als sich die Justizminister der CDU- und der CDU/FDP-geführten Länder getroffen haben, hat man sich auf einmal – was weiß ich, warum auch immer, die Begründungen ergeben sich aus den Pressemitteilungen in der Konsequenz nicht – darauf besonnen und argumentiert: Jetzt muss das Strafrecht ausgepackt werden. Man will die Heraufsetzung des Strafrahmens von 10 auf 15 Jahre. Das hat, glaube ich, der Kollege Bebber so zutreffend ausgeführt, dass man dem nichts hinzufügen muss. Keine einzige Straftat Jugendlicher wird dadurch verhindert, dass man den Strafrahmen erhöht. Das sagen alle Leute, die sich professionell mit Jugendkriminalität befassen. Es geht nicht nur um die Heraufsetzung des Strafrahmens, sondern auch der Strafmündigkeit, die Sie diskutieren und die Sie auch fordern.
Frau Ministerin, ich habe mich natürlich auch schon einmal kundig gemacht, welche Maßnahmen Sie denn fordern, und dazu zählt: Verschärfung des Strafrechts, Kinder mit zwölf Jahren auch schon strafrechtlich belangen zu können. Jedenfalls steht es so im Internet.
Vielleicht ist es so nicht zutreffend. Dann können Sie es ja dementieren. Jedenfalls, Kinder mit dem strafrechtlichen Knüppel zu überziehen ist genau das Gegenteil dessen, was der Kollege Rech damals ausgeführt hat. Dieses Problem müssen wir sozial und erzieherisch lösen. Jugendstrafrecht und Jugendpolitik müssen Erziehungshintergründe haben und dürfen nicht die strafrechtliche Keule auspacken.
Ein weiterer Punkt, den Sie hier fordern, ist der Warnschussarrest. Das stellen Sie so dar, als hätten Sie den Stein der Weisen gefunden. Wenn man sich als Praktiker das Jugendgerichtsgesetz anguckt, stellt man fest, dass es den Jugendstrafarrest in mehreren Dimensionen und Ausführungen in diesem Gesetz schon seit langem gibt. Es stellt sich aber auch heraus, wenn Sie mit Praktikern sprechen, Frau Ministerin, dass der Jugendstrafarrest, egal, in welcher Dimension, in welcher zeitlichen Dimension, in aller Regel kontraproduktiv wirkt, weil er für die Betroffenen erst einmal tatsächlich den Kontakt zum sozialen Umfeld von Jugendlichen herstellt, die schon viel öfter Straftaten begangen haben. Deshalb halten wir von dem Warnschussarrest überhaupt nichts. Das ist nur, denke ich, Stimmungsmache. Die Möglichkeiten nach dem Jugendgerichtsgesetz sind hier umfassend. Da brauchen wir keine Ergänzungen.
Alles in allem zusammengenommen, möchte ich sagen: Wir als grüne Fraktion – auch der Kollege Bebber hat sich ja
dahin gehend geäußert – sind der Meinung: Jugendstrafrecht muss der Erziehung der Jugendlichen dienen,
und zwar mit allen Maßnahmen und Möglichkeiten, die die gesetzliche Lage jetzt hergibt. Aber die strafrechtliche Keule in den Vordergrund zu stellen ist der falsche Weg.
Nichtsdestotrotz ein Letztes: 90 % unserer Jugendlichen – das soll vielleicht auch einmal gesagt sein – sind und verhalten sich straffrei.
Das heißt, es geht nicht um das Thema, dass jetzt generell die Jugend zu kriminalisieren wäre, Kollege Reinhart – wobei Sie mit Ihren Vorstellungen hier sicher oft über die Stränge schlagen –, sondern es geht einfach darum, einmal klar zu machen, dass die Jugend nicht besser und nicht schlechter ist als zu meiner Jugendzeit und zu Ihrer Jugendzeit, sofern Sie älter sind als ich.
In diesem Sinne hoffe ich, dass sich die Landesregierung und auch die neue Justizministerin im Bereich der Jugendkriminalität auf Maßnahmen der sozialen Lösung und nicht der strafrechtlichen Lösung besinnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will gern Ihre letzten Worte aufgreifen und sagen:
Es gibt einen großen Konsens hier im Haus. Es ist wirklich so: Wir glauben an unsere Jugend, an unsere Kinder, und zum Glück läuft im Regelfall alles so, dass es in Ordnung ist.
Es besteht aber auch Konsens darüber, dass heute, weil wir im Jahr 2003 sind und nicht mehr das Jahr 1997 haben,
Es ist nicht nur so, dass hochgerechnet wurde. Ich denke, da wurde vielleicht auch nicht richtig gelesen. Es gibt auch eine Strafverfolgungs- und Kriminalstatistik, die bedauerlicherweise einen erheblichen Anstieg nachweist, und dieser ist nicht nur demographisch begründet.
All das gibt uns natürlich Anlass, zu fragen: Wie reagieren wir darauf? Es gibt einen ganzen Strauß an Maßnahmen, an sozialen Maßnahmen, an Maßnahmen in der Schule.
Es soll ja eine Arbeitsgruppe von vier verschiedenen Ministerien eingerichtet werden. Das alles ist angedacht.
Ich will heute den strafrechtlichen Aspekt in die Debatte werfen, weil die Fragestellung lautet: Welche Konsequenzen für die Rechtspolitik ergeben sich daraus, dass die Statistik so schwierig ist? Auch da will ich sagen: Im Grundsatz hat sich unser Jugendstrafrecht bewährt. Es war aber nicht erst die Justizministerkonferenz im Oktober des letzten Jahres, die dieses Thema der erhöhten kriminellen Energien aufgriff,
Es ist wahrlich umstritten, wie man gut mit dem bisherigen Jugendstrafrecht umgeht, das auch viele flexible Handlungsinstrumente vorsieht und das ich an den wesentlichen Stellen auch ohne Veränderungen mittragen würde. Wir haben aber das Problem – das sehen wir als Land BadenWürttemberg, als Landesregierung –, dass Rot-Grün eben nichts macht in diese Richtung.
Nur zu sagen: „In den Schulen müsst ihr Länder mehr tun“, reicht nicht. Die sozialen Rahmenbedingungen haben Sie ja auch mit im Blick. Wir müssen auch die Gesetze anpassen.
Wir haben heute Morgen noch einmal beim Bundesministerium der Justiz anrufen und dort Erkundigungen einholen lassen, ob in diese Richtung irgendetwas läuft. Wir haben leider eine negative Antwort bekommen.
(Abg. Theurer FDP/DVP: Völlige Fehlanzeige! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Rot-Grün ist überfordert derzeit, das ist das Problem!)