Protocol of the Session on November 14, 2002

gen bedeutet. Das ist es aber nicht. Wenn Sie sich an die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus seinem letzten Urteil zur Gefangenenentlohnung halten, dann wissen Sie, dass der baden-württembergische Weg richtig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat uns attestiert – das hat mich besonders gefreut –, dass die Arbeit das Hauptresozialisierungsmittel ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Zimmermann CDU: So ist es! Die sinn- volle Arbeit!)

Bei diesem Hauptresozialisierungsmittel Arbeit

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Haben wir doch gar nicht bestritten!)

dürften wir aber eben wieder Bundessieger sein. Das ist das, was Sie nicht seriös darstellen. Sie tun so, als fände keine Resozialisierung statt. Die Realität ist die, dass wir beim Hauptresozialisierungsmittel Arbeit wieder Bundessieger werden. Da sind wir nicht etwa Letzter, sondern wir sind – wahrscheinlich; ich drücke mich vorsichtig aus; da kann man die Statistiken teilweise infrage stellen – jedenfalls ganz vorne. Arbeit und Bildung sind zu Recht die Hauptresozialisierungsmittel, weil sie die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des Menschen umfassen und weil sie dazu beitragen, Selbstwertgefühl und soziales Verhalten positiv zu verändern. Die Beschäftigung von Gefangenen ist für die Eingliederung nach Beendigung des Vollzugs von zentraler Bedeutung. Sie ist damit der Schutz potenzieller Opfer. Man kann nicht genug betonen, wie wichtig ein funktionierendes System von Arbeit und Ausbildung im Vollzug ist. In diesem vollzuglichen Arbeitswesen sind bei uns nun 4 500 Gefangene unter der Anleitung von 450 Bediensteten beschäftigt. Kein anderes Bundesland hat einen größeren Werkdienst. Auch hier sind wir das Land der Schaffer, wenn Sie so wollen. Das erweist sich in seinen Wirkungen als segensreich,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

auch wenn es, wie gesagt, nicht immer allen Ihren Theorien von Resozialisierung entspricht. Wir haben ein höchst wirksames Resozialisierungskonzept. Das gilt auch für den Bereich der Bildung und Ausbildung.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das habe ich ja gesagt! Ich habe es sogar gelobt! Ich glaube, Sie haben nicht zugehört!)

Lieber Herr Oelmayer, nachdem Sie mir offensichtlich jahrelang überhaupt nicht zugehört haben, können Sie jetzt keine allzu großen Ansprüche stellen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Meinen Sie, da lohnt es sich jetzt noch? – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/ DVP: Es ist nie zu spät!)

Das Bildungssystem hat zu bewundernswerten Ergebnissen geführt: 451 Gefangene haben im letzten Jahr einen Schulabschluss gemacht, die haben es geschafft. 8 Gefangene haben einen Fachhochschulabschluss erreicht.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ist doch super!)

(Minister Dr. Goll)

Das ist ein breit gefächertes System. Viele erzielten Gesellenbriefe mit sehr guten Ergebnissen. Das ist praktizierte Resozialisierung.

Damit kommen wir zur Belegungssituation und den Haftplätzen. Wenn Sie so wollen, ist dies mein vorletzter Punkt. Natürlich wirkt sich die Belegungssituation, die Situation der Haftplätze unmittelbar auf die Tätigkeit im Vollzug aus. Wir haben wieder steigende Gefangenenzahlen. Wir hatten im Februar 1998 einen Höchststand, danach eine Phase der Entspannung, und dann sind die Zahlen wieder angestiegen. Aber trotzdem muss man, bevor man jetzt alles wieder dramatisiert, einmal sagen: Wir hatten im Jahr 2001 theoretisch 20 Plätze mehr, als belegt waren. So war es eben: Wir haben die theoretische Belegungsfähigkeit im Jahr 2001 um 20 Plätze unterschritten. Sie sagen mit Recht, man müsse zwischen dem offenen und dem geschlossenen Vollzug unterscheiden. Aber wir könnten es uns ja einfach machen; wir könnten mehr Gefangene in den offenen Vollzug verlegen – das ist die Vollzugsform mit weniger Vorkehrungen gegen Fluchtversuche –, und wir hätten eine gleichmäßige Verteilung. Das machen wir aber nicht, weil wir Gefangene, vor denen wir die Allgemeinheit schützen wollen, im geschlossenen Vollzug unterbringen wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU)

Wenn Sie so wollen, haben wir uns dieses Problem zunächst selbst geschaffen, und anschließend lösen wir es, indem wir – schon einmal vorweg – 480 Plätze neu bauen. Dabei ist über die neue Anstalt in Offenburg noch gar nicht geredet. Wir werden im Grunde genommen – wenn Sie ehrlich und fair sind, räumen Sie das ein – zusätzlich eine riesige Zahl neuer Plätze bauen und sukzessive in Betrieb nehmen. Ich hoffe natürlich bis heute, dass sich die Gefangenenzahlen so entwickeln, dass wir für diese Plätze auch die eine oder andere alte Anstalt schließen können. Das hoffe ich bis heute, aber ich habe es nicht in der Hand. Aber im Grunde genommen sind wir für jede Situation gerüstet: für die schiere Vermehrung oder auch den Austausch von Haftplätzen. Die Gleise für die zusätzlichen Plätze sind gelegt, bis hin zu Offenburg, zum neuen Justizvollzugskrankenhaus. Die Landesregierung wird bald die Weichen stellen, dass wir das Vollzugskrankenhaus Hohenasperg verlagern und dort mehr Platz für die Sozialtherapie bekommen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Gut, sehr gut!)

Mit diesen neuen Plätzen wird sich auch das Thema Einzelunterbringung ein Stück weit relativieren.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber nicht viel!)

Ich darf aber aufgrund Ihrer Kritik kurz auf das Thema Einzelunterbringung eingehen. Mir ist gerade zum Bewusstsein gekommen, Herr Kollege Sakellariou – weil Sie sich in der Anstalt in Schwäbisch Hall besonders umgeschaut haben –: Als ich in Schwäbisch Hall die Einzelzellen zu einem Zeitpunkt gesehen habe, als man sozusagen noch handeln konnte, wurde mir gesagt: Wir haben hier 60 Einzelzellen und wollen zwei Betten hineinstellen, weil das zum einen viele Gefangenen wünschen und weil wir zum anderen natürlich eine entsprechende Belegungssituation haben. Ich sage Ihnen ehrlich, was ich gedacht habe, als ich in einer

solchen Zelle war. Ich bin ja für einen humanen Strafvollzug. Ich habe aber gedacht: In eine solche Zelle darf man eigentlich nicht nur einen legen. Ich hätte mich gegenüber den Steuerzahlern ein bisschen geniert, wenn ich ihnen hätte sagen müssen, wie die Einzelzellen von der Größe her aussehen. Diese Zellen waren zum Beispiel so groß, dass man gut zwei Gefangene hineinlegen konnte. Das ist nicht überall der Fall; das räume ich ein.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: In Bruchsal sieht es schon anders aus!)

Einzelzelle ist nicht Einzelzelle. Bei manchen ist es meines Erachtens in Ordnung, wenn man sie doppelt belegt.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber das soll die Ausnah- me sein und nicht die Regel! – Abg. Zimmermann CDU: Natürlich!)

Auch ich bin dagegen, Gefangene in solchen Verhältnissen dauerhaft zusammenzupferchen; das ist völlig klar.

Auf der anderen Seite möchte ich einmal deutlich sagen: Hier ist der Eindruck erweckt worden, als seien wir in einem illegalen Zustand. Das ist nicht richtig. § 18 des Strafvollzugsgesetzes, der die Einzelunterbringung regelt, nimmt ja bewusst Rücksicht auf ältere Anstalten, und wir haben sehr viele ältere Anstalten. Ich muss Ihnen meine Meinung ganz offen sagen: Wenn dieser § 18 mit dem Anspruch auf Einzelunterbringung jemals ohne Rücksicht auf ältere Einrichtungen angewandt werden sollte, wäre ich eher dafür, das Gesetz ein Stück weit zu relativieren.

(Abg. Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Ich würde heute keinen unbedingten Anspruch auf Einzelunterbringung mehr in das Gesetz schreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Birzele SPD: Er ist nun einmal da!)

Ja. Aber es wird noch Rücksicht genommen auf die ältere Bausubstanz. Deswegen sage ich: Wenn einmal das zutreffen sollte, was Sie sagen, nämlich dass wir rechtswidrig handeln, würde ich an diesem Punkt eher das Gesetz als die Praxis ändern. Denn ich halte die Unterbringung in Gemeinschaftszellen zu einem bestimmten Anteil aus vielen Gründen für durchaus in Ordnung. Sie wissen, in vielen Fällen machen wir das aufgrund einer Suizidgefährdung sowieso. Ich sage auch: Viele Gefangene wollen das.

(Abg. Zimmermann CDU: Sie wollen das! Sie wollen zusammenbleiben!)

Bei den anderen, die das nicht wollen, würde ich, muss ich ehrlich sagen, auch nicht in jedem Fall sofort springen und sagen wollen: Klar, hier bekommst du eine schöne Einzelzelle.

Sie haben – das stimmt schon, lieber Herr Oelmayer – mich insbesondere für die Haftvermeidungsmodelle gelobt.

(Abg. Bebber SPD: Aber nicht übermäßig!)

Das höre ich schon heraus.

(Minister Dr. Goll)

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hört er! – Abg. Sakel- lariou SPD: Das entgeht ihm nicht! – Abg. Bebber SPD: Gegenüber Lob ist er überempfindlich!)

Wir haben in meiner Amtszeit – das darf man sagen – das Modell „Schwitzen statt sitzen“ enorm hochgezogen. Wir vermeiden heute im Jahr 100 000 Hafttage im Bereich der Ersatzfreiheitsstrafe. Wenn jemand seine Geldstrafe nicht bezahlen kann, ist es in vielen Fällen schlecht, wenn er in den Vollzug muss, weil er dort sozial entwurzelt wird. Mittlerweile sparen wir übrigens auch eine Einrichtung mit etwa 350 Plätzen dadurch, dass wir das Ableisten von gemeinnütziger Arbeit in größerem Umfang gefördert haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ganz wichtig – da möchte ich mich wie bei allen Verbesserungen bei den die Regierung tragenden Fraktionen einmal ausdrücklich bedanken – ist die Vermittlung in externe Therapien. Dieser Punkt betrifft am meisten meine eigene Fraktion, weil sie da in den letzten Verhandlungen noch etwas draufgepackt hat. Sie, lieber Herr Sakellariou, haben das ein bisschen wegwerfend behandelt, so als müssten wir ein Heer von Psychologen nur im Vollzug beschäftigen.

Die externe Therapie und die Vermittlung von Menschen in externe Drogentherapieplätze, die eigentlich nicht in den Vollzug, sondern eher in eine Therapieeinrichtung gehören, ist ein erfolgreiches Modell. Man kann diese Menschen aber auch nur dann aus dem Vollzug herausnehmen und in eine Therapieeinrichtung einweisen, wenn man, blöd ausgedrückt, jemanden hat, der das managt, der therapiert, der den Platz nachweist und der den Prozess begleitet. Wir bringen mit diesem Modell etwa 800 Häftlinge pro Jahr in Therapien.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Deswegen glaube ich schon, dass wir hier nicht nur auf irgendwelchen alten Formeln herumreiten, wie Sie das manchmal darstellen. Die Schröder’sche Formel „Sperrt sie weg!“ wurde ja zitiert. Wir machen es uns nicht so einfach, um hinterher in der Praxis festzustellen, dass es so doch nicht funktioniert. Wir haben einen sicheren Vollzug,

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

wir betreiben Resozialisierung im Vollzug, und wir beschreiten neue Wege,

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

ob es zum Beispiel bei der Therapie rückfallgefährdeter Sexualstraftäter ist, ob es beim Antigewalttraining gegenüber Jugendlichen ist – das ist eine erheblich verbreitete Praxis – oder ob es bei der Substitution bei drogenabhängigen Gefangenen ist.

Wir sind überall bereit, neue Wege zu gehen, vor allem auch im Jugendstrafvollzug, wo es vielleicht darum geht, junge Menschen davor zu bewahren, im Vollzug einen bedenklichen Knick mitzubekommen. Sie wissen, dass wir mithilfe der Zukunftsoffensive Junge Generation schon ein „Projekt Chance“, mit dem wir jungen Leuten eine Chance geben

können, auf die Bahn gebracht haben. Ich freue mich – nachdem es eine Zeitlang so aussah, als könne man in Baden-Württemberg ein solches Projekt nicht etablieren –, dass wir vermutlich zwei solche Projekte etablieren werden und dass eine zweite Maßnahme dieser Art, mit der wir neue Wege begehen, dank der Landesstiftung Baden-Württemberg – sonst wäre es nicht möglich – zustande kommen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU)