Protocol of the Session on November 14, 2002

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Oelmayer GRÜNE: Das habe ich doch gar nicht getan!)

Da habe ich ein bisschen an die Debatte von vorhin gedacht. Dabei hat Ihre Kollegin Dederer gesagt – das ist mir noch im Ohr –: „Tun Sie doch nicht so, als ob wir von Finanzpolitik nichts verstünden.“ Da habe ich spontan gedacht: Da brauchen wir gar nicht so zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Oelmayer GRÜNE: Also, das Strafvoll- zugsgesetz kennen Sie auch!)

Genau so verhält es sich, wenn es in der Politik um innere Sicherheit geht.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Bei Ihrer letzten Rede hätte ich etwas mehr Originalität erwartet!)

Auf diesen Gebieten ist die grüne Fraktion, glaube ich, ohnehin nicht unser vertrauenswürdiger Ansprechpartner. Wir wollen, dass Baden-Württemberg weiter das sicherste Bundesland bleibt. Es ist, in Zahlen ausgedrückt, das sicherste Bundesland. Von Flensburg bis Konstanz ist die Zahl der Straftaten in Baden-Württemberg am geringsten. Wir wollen, dass das so bleibt. Zu diesem Erfolg trägt natürlich auch der Strafvollzug in Baden-Württemberg bei. Daran hat der Justizvollzug einen ganz erheblichen Anteil, indem die Gefangenen sicher untergebracht werden und durch qualifizierte Ausbildung erfolgreich auf ein Leben ohne Straftaten vorbereitet werden – offensichtlich besser als anderswo.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, der baden-württembergische Vollzug kann sich in allen entscheidenden Bereichen sehen lassen, und für diese Gesamtbilanz gibt es harte Fakten.

Beginnen wir einmal beim Personal, dem Bereich, den Sie breit thematisiert haben. Natürlich kommt es auf das Personal an, und natürlich ist es richtig – ich drücke das bewusst einmal so aus –, dass Baden-Württemberg auch beim Vollzug einen wirtschaftlich vernünftigen und sparsamen Personaleinsatz – wie in allen übrigen Bereichen der Justiz und übrigens auch der Verwaltung – hat. Das ist nichts Neues. Ich stelle aber fest, dass beispielsweise im bayerischen Vollzug weniger Personal beschäftigt ist. Das ist so. Trotzdem ist bis jetzt niemand auf die Idee gekommen – außer vielleicht die Opposition im Bayerischen Landtag – etwa zu sagen, dass der bayerische Justizvollzug unzureichend und unsicher wäre. Aber das, Verzeihung, nimmt man dort genauso wenig ernst, wie es wahrscheinlich hier der Fall sein wird.

Bei einem Vergleich mit anderen Flächenstaaten, mit denen wir uns vergleichen können – Nordrhein-Westfalen, Hessen und auch Bayern –, stelle ich fest, dass sie sich alle mittlerweile in einem engen Korridor bewegen. Das ist die Wahrheit. Alle diese Länder haben zwischen 43 und 46 Beschäftigte auf 100 Gefangene. Wir liegen bei 44. Wenn Sie da einen Unternehmensberater holten und dieser das berühmte Benchmarking machen würde, würde Baden-Württemberg überhaupt nicht auffallen. Eventuell würden allerdings andere auffallen, die dabei sind, ihr Personal abzubauen.

Sie wissen auch, dass die anderen Länder während meiner Amtszeit – wenn ich das einmal so sagen darf – ihr Personal zum Teil reduziert haben und sich unserem Durchschnitt annähern. Wir haben nicht reduziert. Wir haben den Personalbestand im Strafvollzug geschont; da beißt die Maus keinen Faden ab, daran gibt es nichts zu deuteln. Im Wesentlichen haben wir im baden-württembergischen Strafvollzug kein Personal abgebaut, im allgemeinen Vollzugsdienst und im Werkdienst sowieso nicht. Wir haben zunächst noch teilweise an Sparprogrammen im Verwaltungsbereich teilgenommen. Im Vergleich zu anderen Bereichen ist dies im Üb

(Minister Dr. Goll)

rigen wohl auch gerechtfertigt; denn wenn wir allmählich moderne Technik anwenden, kann etwas Personal abgebaut werden. Wir haben aber auch diese Einsparungen auf die übrige Justiz verlagert, und wir haben in der Vergangenheit auch neue Stellen geschaffen. Mit anderen Worten: Wir haben den Personalbestand im Wesentlichen gehalten.

Es bleibt auch bei meinem Versprechen, dass es dann, wenn neue Haftplätze in Betrieb genommen werden, zusätzliches Personal geben muss. Ich bin zuversichtlich, dass es für die 480 neuen Haftplätze 60 neue Stellen geben wird – teilweise sind sie schon geschaffen –, die dann besetzt werden. Auch die 40 Stellen werden natürlich besetzt; das ist ganz klar. Wir nehmen dort keinen Personalabbau vor, sondern sehen zu, dass wir zu punktuellen Verbesserungen kommen. Natürlich gibt es in diesem Bereich Wünsche; das ist doch völlig klar. Aus der Sicht als Ressortminister täte ich auch manches gerne. Wir müssen aber auch ein Stück weit der Gesamtsituation Rechnung tragen, und wie die Gesamtsituation aussieht, wissen Sie.

Ich finde aber, dass es ganz wesentlich ist, dass man nicht nur über die Zahlen reden darf, sondern dass man auch darüber sprechen muss, wie man die Leute behandelt. In Ihren Beiträgen ist schon ein bisschen zu kurz gekommen,

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Wir haben keine unbe- schränkte Redezeit, Herr Minister!)

dass wir in den letzten Jahren ein bundesweit einmaliges Beförderungsstrukturprogramm durchgezogen haben. Jetzt haben auch Bayern und Hessen etwas gemacht, aber mit diesem Beförderungsstrukturprogramm haben wir uns an die Spitze aller Bundesländer gesetzt. Das hätte man vielleicht auch einmal sagen können.

Mit anderen Worten: Wir honorieren unser Personal am besten und haben die Besoldung des Leitungspersonals etwas angehoben. In vier Jahren gab es über 870 Beförderungen. Im Grunde genommen kommt jeder Dritte zum Zuge. Die Wartezeiten werden verkürzt. Das ist ein einmaliges Projekt, mit dem wir dokumentieren, dass wir die Leute, die eine harte Arbeit leisten, auch ordentlich behandeln wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nur wenige Sätze zum Thema Überstunden. Auch ich sehe dieses Problem. Als ich mein Amt übernommen habe, waren die Überstundenzahlen oben, zwischendurch waren sie ganz unten, jetzt sind sie wieder oben. Sie sind durch die 40Stunden-Woche radikal nach unten gegangen, und dann sind sie wieder hinaufgegangen. Dies hat viele Ursachen. Ich will über diese Ursachen nicht spekulieren. Die Bewegung der Überstundenzahlen nach ganz unten in den Keller und dann wieder hinauf lässt sich nicht restlos durch die äußeren Umstände erklären.

Ich habe den Vorschlag gemacht und halte diesen für sinnvoll, in Zukunft einmal durch eine Kommission den Personaleinsatz in den Anstalten unter dem Aspekt der Optimierung vergleichen zu lassen. Wie viele Überstunden entstehen, hängt natürlich auch von den Dienstplänen ab. Insofern muss man einmal schauen, wie der Personaleinsatz in den Anstalten ist, um zu sehen, wie man da noch ein Stück weit optimieren kann. Aber ich bleibe auch dabei: Gerade

wenn weitere Plätze in Betrieb genommen werden, muss auch zusätzliches Personal eingestellt werden. Das hat aber diese Seite des Hauses immer so gesehen. Deshalb stehen diese 40 Stellen ja auch im Haushalt, bevor die 480 neuen Haftplätze in Betrieb genommen werden,

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

also genau, wie es sich gehört.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Aber es kommen doch schon neue Plätze!)

Ja, und wir haben die Stellen zur Verfügung, wenn die neuen Plätze in Betrieb gehen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Und wann werden die be- setzt?)

So viel zum Thema Personal.

Mir kommt es darauf an, was mit diesem zugegebenermaßen sparsamen, wirtschaftlichen Personaleinsatz in Baden-Württemberg geleistet wird. Da schüttelt es mich natürlich schon ein wenig, lieber Herr Sakellariou, wenn Sie sagen, der Strafvollzug liege am Boden, oder von einem „sinkenden Schiff“ sprechen.

(Abg. Sakellariou SPD: Fragen Sie mal die Leute!)

Fangen wir einmal mit ein paar kleinen Erfolgskriterien an. Als Allererstes erwartet die Allgemeinheit vom Strafvollzug, dass, wenn wir jemanden einsperren, er nicht wieder herauskommt, sage ich jetzt einmal ganz einfach.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Blenke CDU)

Wir können über den Sinn des Wegsperrens eine lange Diskussion führen, auch über den Verwahrvollzug. Wir kommen gleich zur Resozialisierung. Aber als Erstes erwarte ich vom Vollzug, dass er sicher ist und dass jemand, der in den Vollzug kommt, nicht gleich wieder vor der Tür steht. Da sind die Zahlen schon erstaunlich. Das ist natürlich ein Lackmustest für eine funktionierende Belegschaft. Führen Sie sich einmal – obwohl ich bei diesem Thema immer auf Holz klopfe; das Jahr ist noch nicht zu Ende – die folgenden Zahlen vor Augen: 1995, also ein Jahr vor meinem Amtsantritt, gab es 18 Ausbrüche aus dem geschlossenen Vollzug mit insgesamt 42 Gefangenen. Dann sind die Zahlen kontinuierlich zurückgegangen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Weil Sie hauptsächlich auf Verwahrung setzen, Herr Minister! Das ist doch der Beleg!)

Im letzten Jahr haben wir zwei Ausbrüche mit drei Gefangenen gehabt

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

und in diesem Jahr bisher drei Ausbrüche. Wie ist so etwas möglich? Das ist ja innerhalb weniger Jahre nur noch ein Bruchteil des früheren Geschehens. Das ist einerseits durch moderne Technik möglich. Aber ich sage Ihnen auch deutlich: Das wäre überhaupt nicht möglich, wenn wir nicht an

(Minister Dr. Goll)

dererseits ein aufmerksames, motiviertes Personal hätten. Das begreift doch jeder. Wenn es so wäre, wie Sie das gelegentlich darzustellen versuchen, dass dort die innerliche Kündigung komplett sei und man sich um nichts kümmern würde, dann wären diese Zahlen völlig ausgeschlossen. Im Gegenteil, die Belegschaft ist offenbar sehr aufmerksam. Sonst wäre es unmöglich, dass es bei über 8 000 Gefangenen, bei dem Umstand, dass über 20 000 jedes Jahr durch unsere Vollzugsanstalten gehen, in diesem Jahr gerade einmal drei geschafft haben, gegen den Willen der Anstalt aus der Anstalt herauszukommen. Das sind erstaunliche Zahlen, die für die Belegschaft sprechen.

(Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Ja, gegen den Willen der Anstalt. Das muss man sagen. Es gibt natürlich auch Ausgänge oder Ähnliches. Ein Ausbruch ist definiert als das Überwinden der Sicherungseinrichtungen. Diese sind gewaltig verbessert worden.

Aber es stimmt auch mit der inneren Sicherheit, wenn Sie so wollen, in der Anstalt. Nehmen wir doch zum Beispiel die Angriffe auf Vollzugspersonal. Diese sind doch auch ein Gradmesser. Da will ich jetzt nicht an den Zahlen kleben. Es waren am Anfang 30, und es sind jetzt 24. Das schwankt immer ein bisschen. Aber es sind in den letzten Jahren auf jeden Fall nicht mehr geworden. Oder nehmen wir die Körperverletzungen unter Gefangenen. Auch das zeigt übrigens, über welche Größenordnungen wir reden. Es hat im letzten Jahr, im Jahr 2001, 82 festgestellte Körperverletzungen gegeben. Ich fange einmal an, zu rechnen: Wir haben 20 Anstalten mit etwa 30 Außenstellen; ich lasse die Außenstellen einmal weg.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Ist das ein landespoliti- sches Programm, jetzt die Außenstellen wegzulas- sen?)

Was festgestellte Körperverletzungen angeht, kommt also – statistisch gesehen – in jeder der Anstalten im Vierteljahr eine vor. Hätten Sie sich vorgestellt, dass eine solche Körperverletzung in einer Anstalt wirklich nur einmal in jedem Vierteljahr manifest wird? Es ist doch klar, dass das ein verschwindender Prozentsatz ist. Der reicht bis in Bruchteile von Promille. Und da ein Zerrbild entstehen zu lassen, als wären wir in den Anstalten der Lage nicht Herr, das finde ich fahrlässig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber uns geht es nicht – wenn ich damit Herrn Sakellariou und Herrn Oelmayer ansprechen darf – um einen Verwahrvollzug.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das glaube ich Ihnen! Aber das kommt dabei heraus!)

Uns geht es nicht darum, die Gefangenen nur wegzusperren und keine Resozialisierung zu betreiben.

(Abg. Bebber SPD: Das ist das Ergebnis!)

Aber ich habe den Eindruck, dass für manche Resozialisierung immer nur Therapiegespräche und Vollzugslockerun

gen bedeutet. Das ist es aber nicht. Wenn Sie sich an die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus seinem letzten Urteil zur Gefangenenentlohnung halten, dann wissen Sie, dass der baden-württembergische Weg richtig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat uns attestiert – das hat mich besonders gefreut –, dass die Arbeit das Hauptresozialisierungsmittel ist.