Ich komme zunächst zu dem Thema, wie die Gleichberechtigung, die in der Verfassung steht, tatsächlich durchgesetzt wird. Da muss man ja ganz klar sagen: Legal, das heißt in den Gesetzen, ist alles in bester Ordnung. Aber in der realen Umsetzung gibt es gewaltige Defizite; das haben wir schon reichlich gehört.
Der Grund dafür ist mit Sicherheit, dass wir – ich glaube, ich kann sagen: wir alle – inzwischen längst veraltete Rollenklischees noch mit uns herumschleppen. Dagegen kann man zwar mit Logik und Verstand angehen; aber die Klischees stecken ein bisschen tiefer.
Auch wo die Probleme liegen und was sich ändern muss, ist längst bekannt. Selbst über die Ziele sind wir uns hier im Haus weitgehend einig. Was auf dem Weg dahin förderlich wäre, ist ab und zu strittig, wie in dieser Debatte auch schon deutlich wurde.
Gender Mainstreaming ist ein wichtiger und guter Ansatz. Dieser Begriff ist schwer zu übersetzen. Ich will trotzdem einen Versuch wagen: Gender Mainstreaming bedeutet, dass man bei allen Maßnahmen und bei allem, was man veranlasst, überlegt: Wirkt sich dies auf Männer und Frauen unterschiedlich aus, und, wenn ja, wie kann ich dem entgegenwirken? Das geht gar nicht einseitig in Richtung Frauen, sondern da gibt es die andere Seite genauso.
Das gibt es zum Beispiel bei den Krankenpflegern. Ich erinnere mich an den Fall eines Entbindungspflegers, der vor Gericht musste, um zu diesem Beruf, der sonst als „Hebamme“ bekannt ist,
Auch wenn wir Gender Mainstreaming haben, ist ganz klar: Frauenförderung wird weiterhin so lange nötig sein, wie es an der gleichwertigen Anerkennung und dem entsprechenden Einsatz von Frauen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft fehlt.
Wir müssen allerdings eines machen: Wir dürfen nicht nur Frauenförderpläne aufstellen, sondern wir müssen auch regelmäßig kontrollieren, was denn aus den hehren Zielen geworden ist, und uns, wenn wir den Soll-Ist-Vergleich gemacht haben, neue Maßnahmen vornehmen.
Ein guter Indikator dafür, wie gut es mit den Frauen in einer Gesellschaft steht, ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen. Da hat sich in den 30 Jahren, die vergangen sind, seit ich meine Diplomarbeit zu diesem Thema geschrieben habe, zwar ein bisschen auf der mittleren Ebene geändert. Man stellt aber noch immer fest, dass es da, wo es wirklich interessant wird, einen gläsernen Deckel gibt. Wer
aufmerksam beobachtet, der muss auch feststellen, dass die Sachlichkeit der Männer oft da aufhört, wo sie sich bedroht fühlen,
bedroht in ihrer Macht, bedroht in ihren Positionen. Auch die Männer auf der rot-grünen Seite reagieren da sehr oft stutenbissig.
Ich will Ihnen ein negatives Beispiel nennen: Der Restrukturierung des Südwestrundfunks ist eine der wichtigsten Sendungen, die in Richtung Gleichberechtigung und gleichwertiger Anerkennung der Leistung von Männern und Frauen gearbeitet haben, zum Opfer gefallen. Das war das „Journal am Morgen“, das viele Frauen gestärkt hat und vielen Männern auf dem Weg zur Arbeit neue Anstöße gegeben hat. Ich bedauere es außerordentlich, dass es gerade diese Sendung nicht mehr gibt. Für die Gleichberechtigung ist das eine negative Sache.
Ich habe heute Morgen ein positives Beispiel gesehen: Die Deutsche Bahn wirbt ja gerade zum Teil recht aggressiv für ihr neues Preissystem. Heute habe ich eine schöne Anzeige gesehen: „Endlich lohnt es sich, Mann und Kind zu haben!“ Das ist einmal ein Plakat, das aus der Sicht der Frau gestaltet ist. Das ist auch gar nicht so schlecht überlegt, weil Frauen den öffentlichen Nahverkehr weit mehr nutzen. Da haben Leute einmal etwas gedacht.
Wir brauchen Vorbilder. Auch ich freue mich natürlich riesig, dass der FDP/DVP-Anteil in der Regierung bald ein Geschlechterverhältnis von 1 : 1 aufweist.
Hier im Hause müssen wir uns fragen: Wie sieht es zum Beispiel im Landtagspräsidium aus? Wir haben jetzt erfreulicherweise zwei stellvertretende Landtagspräsidentinnen. Aber ich würde mich schon freuen, wenn diese nicht nur am Frauenplenartag auch einmal morgens zum Einsatz kämen
Wir müssen Rahmenbedingungen gestalten. Kollegin Gräßle hat es schon angesprochen: Wir haben hierzu einen Antrag vorgelegt. Hier geht es aber eben nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und zwar für Frauen und Männer – solange wir das nicht gleichwertig haben, haben wir keine Gleichberechtigung erreicht. Die Männer werden in den Familien ganz dringend als Beispiel für die künftigen Rollenbilder gebraucht.
Es geht eben nicht nur um die Kinderbetreuung, wo man auch Lufthoheit gewinnen will, um Ideologien schon in kleine Köpfe zu pflanzen, sondern es geht zum Beispiel auch darum – und das hat mich schon verwundert, dass dies bei einer Bundesregierung fehlt, die ja nun offensichtlich großen Wert darauf legt, dass das Bild der außerhäusig berufstätigen Frau als Leitbild gefördert wird –, dass sie auf anderer Seite Entlastung erfährt. Und warum man dann genau dieser Frau verweigert, die Ausgaben für Haushaltsdienstleistungen von dem Gehalt, das sie bezieht, abzuziehen, kann ich nicht verstehen und auch nicht einsehen.
Es geht insgesamt darum, dass wir Frauen ernst nehmen, und da gibt es sehr viele unbewusste Reaktionen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus einem Ausschuss – wenn ich dort nicht als alleinige Vertreterin meiner Fraktion anwesend gewesen wäre, hätte man das bei meiner Fraktion vermutlich genauso beobachten können –: Als wir im Ausschuss die Einladung zum Frauenplenartag erhielten, die sich ja farblich sehr gut von den anderen Schriftstücken abhob, ging ein süffisantes Lächeln über viele Männergesichter. Das ist kein Ernstnehmen! Da, bitte, gibt es Nachholbedarf, und für dessen Abbau braucht man keine Vorschriften, sondern dazu muss man nur im Kopf etwas ändern.
(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Fischer SPD: Nein! – Abg. Schmiedel SPD: Bei der FDP/ DVP!)
Wir müssen Frauen stärken. Die Frage ist dann natürlich: Brauchen wir, um Frauen zu stärken, eine gesetzliche Verankerung der Position der Frauenbeauftragten in der Kommune? Bitte genau zuhören: Es geht mir um die Position; es geht mir nicht um die Aufgabe. Die Aufgabe ist eine außerordentlich wichtige, und ich habe mich sehr darum bemüht und gehe davon aus, dass das auch so kommen wird, dass die Verantwortung der Kommunen für die Umsetzung des Verfassungsgebots der Gleichberechtigung im neuen Landesgleichberechtigungsgesetz drinsteht. Das ist gar kein Thema.
(Abg. Bebber SPD: Darauf warten wir schon Jahre! Der Innenminister war schon vor fünf Jahren zuver- sichtlich! Nichts ist passiert! Null!)
Ich meine auch, die Frauenbeauftragten leisten da eine wichtige Arbeit. Ist aber wirklich etwas damit getan, wenn
wir diese Position vorschreiben? Ist es nicht viel einfacher und auch im Sinne der Frauen besser, wenn wir sagen: „Die Aufgabe muss wahrgenommen werden; wie ihr, liebe Kommunen, das macht, das soll euch überlassen bleiben“?
Wenn wir nur die Position vorschreiben, kann ich mir schon gut ausmalen, wie das dann abläuft: Dann stellt man halt eine pflegeleichte Frau ein und beschäftigt sie mit möglichst vielen anderen Aufgaben. Dann sind viel Zeit, viel Kraft und viel Energie sowie auch viel Geld vertan, aber es hat sich im Sinne der Frauen nichts bewegt. Frauen, die in ihrer Kommune noch keine Frauenbeauftragte haben, aber eine wollen, bin ich gern zu unterstützen bereit, damit sie sich in ihrem Umfeld auf lokaler Ebene die erforderlichen Mehrheiten schaffen, die man braucht, um einen Gemeinderat, um einen Kreistag dazu zu bewegen, die Position zu schaffen. Das ist Basisdemokratie, die Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün doch immer fordern! Das muss von unten herauf wachsen und darf nicht von oben nach unten vorgeschrieben werden.
Es liegt wirklich an den Männern und Frauen vor Ort, zu dieser Verantwortung, wenn wir sie gesetzlich vorgeschrieben haben, nachzufragen: Wie findet das in unserer Kommune statt? Was tut ihr? Vielleicht auch: Warum tut ihr nichts?
Gestern wurde angesprochen – und das war ein schönes Wort –: Wir brauchen eine Gleichstellungsverträglichkeitsprüfung.
Das halte ich für sehr gut. Ich hielte allerdings nichts davon, dafür nun wieder Gesetze oder Verordnungen zu beschließen oder eine Bürokratie hierfür aufzubauen.
Denn damit hätte sich nichts bewegt. Seit 40 Jahren sind Gesetze und Verordnungen zur Gleichstellung beschlossen worden, und wir können heute das Fazit ziehen: Es hat sich nicht viel getan.