Ist da nicht letztendlich die Chefin schuld? Jedenfalls nicht Sie oder ich. Frau Künast hat ihren Apparat. Wo kommen wir denn hin, wenn der Minister sagt: Ich habe mein Haus nicht im Griff? Jetzt sage ich Ihnen mal eines: Wenn der Willi Stächele so etwas gemacht hätte, hättet ihr unisono seinen Rücktritt gefordert.
(Abg. Birzele SPD: Da gibt es doch zig Beispiele, wo die Landesregierung Kenntnisse hat und nicht reagiert! Das ist doch absurd!)
Es ist einer Ministerin unwürdig, so billig die Schuld bei allen anderen zu suchen und nicht einzugestehen, dass ihr Krisenmanagement einfach gescheitert ist, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP - Abg. Oettinger CDU: Er hat Recht! Abg. Birzele SPD: Da müsste Müller schon längst abge- treten sein und Mappus noch mit! Weitere Zuru- fe, u. a. des Abg. Walter GRÜNE)
Sie hätte sofort handeln können. Herr Walter, Herr Birzele, alle jetzigen Gesetze hätten dafür ausgereicht. Sofort das Produkthaftungsgesetz für Futtermittel zu verändern oder diesen Informationserlass, den es ja gibt, entsprechend umzusetzen, wäre möglich gewesen. Nichts davon ist geschehen.
Meine Damen und Herren, Frau Künast wollte nicht wahrhaben, dass es so etwas auch bei den Ökobetrieben geben kann, wobei das völlig falsch ist, weil es das überall geben kann. Ich unterscheide grundsätzlich nicht zwischen Ökobetrieben und konventioneller Landwirtschaft.
(Abg. Walter GRÜNE: Ein einzelner Ökobauer hat sich etwas zuschulden kommen lassen, ein einziger Ökobauer!)
Übrigens: Es braucht ja wirklich nicht viel Phantasie: Wenn der Babynahrungshersteller Hipp nicht gewesen wäre, dann würden wir wahrscheinlich heute noch irgendwo
herumfroschen. Aber dies ist seit August letzten Jahres bekannt. Denn die Puten, die der Hipp in seinem Betrieb verarbeitet,
haben ja die Ernte vom vergangenen Jahr gefressen. Also: Das ist alles bekannt, aber alles ist in den Amtsstuben versiegt.
Aber jetzt wirklich zum Zweiten, zur Weichenstellung. Herr Walter, das ist unser Part, den müssen wir ganz einfach austragen. Da geht es ans Eingemachte. Mit der jetzigen Agrarpolitik lässt Frau Künast die Ökobetriebe ins Messer rennen.
Jawohl, sie lässt Ökobetriebe unserer Vorstellung ins Messer rennen. Die Märkte sind total überhitzt. Das wissen Sie. Hätten wir den Ökolandbau sich weiterhin entwickeln lassen, wie wir das ja in Baden-Württemberg vernünftig getan haben natürlich immer entsprechend der Nachfrage und ohne dass betriebliche oder regionale Kreisläufe aufgebrochen worden wären , dann hätte er sich ganz vernünftig entwickelt. Das war immer der Ökolandbau unserer Vorstellung.
Dieses unorganische Wachstum ist zum einen hervorgerufen durch das Puschen, durch das Erklären, dass Ökobetriebe das Nonplusultra sind, zum anderen aber und das ist der Kardinalfehler auch dadurch, dass jetzt mit dem EUBiosiegel, das Frau Künast eingeführt hat wir haben mit unserem Demeter und Bioland ja gut gelebt , allem Tür und Tor geöffnet ist. Damit gibt es keine betrieblich geschlossenen Kreisläufe mehr, nicht einmal mehr regional geschlossene Kreisläufe, sondern mindestens EU-Kreisläufe, wenn nicht gar noch weiter gehende, also weltweite und da wird es absurd.
Bei uns gab es keine Teilbetriebsumstellung. Jetzt haben wir Betriebe, die meinetwegen Äpfel in Ökoqualität und die Kirschen nebendran, weil es sonst nicht funktioniert, herkömmlich produzieren, aber alles in einem Betrieb. Wir haben Betriebe, die die Fleischproduktion auf Öko umstellen, selbstverständlich aber konventionelles Getreide zukaufen. Es ist so: Das können sie machen, und sie können das Fleisch dann trotzdem als Ökoprodukt verkaufen. Dieses Öffnen mit dem Biosiegel macht das jetzt möglich.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Teßmer, nach der heute noch geltenden Regelung kann hier jeder so lange reden, wie er will,
und Sie haben sich ja auch schon zu Wort gemeldet. Deshalb sollten Sie jetzt einmal den Redner ausreden lassen. Sie können Ihren Beitrag nachher leisten. Wir kommen hier nicht weiter, und die Leute können nichts verstehen, wenn hier nur hin- und hergeschrien wird.
(Beifall bei der CDU Abg. Rüeck CDU zu Abg. Teßmer SPD: Sie lassen ja nicht einmal den Präsi- denten ausreden!)
Das Zweite bei dieser Öffnung, die natürlich allem Tür und Tor öffnet, ist folgende Tatsache das ist uns klar : Wenn man in die Supermärkte hinein will, dann muss man sich den Regeln von was weiß denn ich Rewe, von Aldi oder wem auch immer unterwerfen, in dessen Regale man hineinkommen will, und damit ist wiederum das, was wir ursprünglich unter Ökolandwirtschaft verstanden haben geschlossene betriebliche Kreisläufe und geschlossene regionale Kreisläufe , zwangsläufig durchbrochen. Das werfe ich keinem Betrieb vor, sondern das ergibt sich aus der falschen Weichenstellung. Wenn jetzt ein Betrieb bei der Lieferung an den Supermarkt auch nur eine halbe Stunde ausfallen würde der Abnehmer legt natürlich Wert auf Liefersicherheit, gleich bleibende Qualität und, und, und , würde er aus den Regalen hinausfliegen. Dieses Risiko geht er nicht ein, und daher kauft er, wenn es eine schlechte Ernte gibt, sofort Futter zu, woher auch immer er entsprechendes Futter bekommt, und das kann er nach dem EU-Gütesiegel jetzt tun. Die Kreisläufe werden durchbrochen.
Warum, meine Damen und Herren, glauben Sie, dass Albrecht Daniel Thaer, der, glaube ich, jetzt 250 Jahre alt wäre, wenn er noch leben würde, einstmals die Wissenschaftlichkeit der Landwirtschaft begründet hat? Genau aus diesen Gründen, um einfach diesen Wechsel von mal läufts, und mal läufts nicht in den Griff zu bekommen. Denn die Natur unterscheidet natürlich nicht, ob ein Ökobauer produziert oder ein anderer Bauer produziert, sondern verlangt allen das Gleiche ab.
Völlig daneben ist auch, wenn man meint, wir kämen, nachdem Frau Künast geöffnet hat, an der industriellen Arbeitsteilung also einfach an dem System der Industriegesellschaft vorbei. Wir in Baden-Württemberg waren noch so gestrickt, dass wir gesagt haben: Mit der Weiterentwicklung des Ökolandbaus können wir vieles von den Fakten der Industriegesellschaft umgehen, weil wir die Wertschöpfung und vieles andere wirklich im geschlossenen Kreislauf betreiben können. Dies ist jetzt aus und vorbei!
Übrigens, wenn man meint um Ihnen auch diesen Zahn zu ziehen , im Ökolandbau ginge es ohne Chemie: Bei diesem EU-Biosiegel sind 95 Pflanzenschutzmittel zugelassen, natürlich pflanzliche, natürlich tierische, aber auch synthetische. Bloß um ein Beispiel zu nennen: Der Schnecken wirst du anders nicht Herr als mit einem synthetischen Mittel, auch im Biolandbau, es sei denn, man sammelt sie ab. Das hat der Bauer in einer kleinen Struktur machen können, aber das kann nicht der machen, der jetzt 1 000 oder 2 000 Hektar nach dem EU-Biosiegel bewirtschaftet. Wir haben ja Betriebe, die 180 000, 200 000 Ökoeier pro Tag abliefern; da darf es keine Sekunde lang irgendwo knistern oder einen Ausfall geben, meine Damen und Herren.
Wenn Frau Künast und das werfe ich ihr vor; da ist auch viel Psychologie dabei meint und das hat sie ein Stück weit hingekriegt , dem deutschen Volk suggerieren zu müssen, die Landwirtschaft könnte, obwohl alles andere Industriegesellschaft ist, so etwas Ähnliches wie eine romantische Fluchtburg bleiben
ich weiß, dass sie es so nicht formuliert hat, aber das ist genau dieses psychologische von hinten durch die Brust ins Auge; ich rede doch mit vielen Verbrauchern draußen; ich bin doch bei Veranstaltungen draußen; so kommt es bei den Menschen an ,
dann ist dies, Herr Walter, genau das Gefährliche, und darum ist die Enttäuschung der Menschen jetzt so riesengroß, weil sie sagen: Jetzt kannst du denen auch nichts mehr glauben, und das stimmt alles gar nicht, was die behaupten. Deshalb sage ich: Sie lässt sie ins Messer laufen.
Sie lässt sie ins Messer laufen; da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: anstatt die Bauern an die Kandare zu nehmen da ist gläserne Produktion gegeben, weitestgehend, mit Aufschrieben und mit allem drum und dran , soll sie sich der Futtermittelindustrie zuwenden, soll sie sich der Verarbeitungsindustrie zuwenden. Das ist gar keine Frage. Nur geht es da um 3 000 oder 4 000 Hilfsstoffe ich weiß nicht, wie viele zugelassen sind , damit alles frisch bleibt, selbst wenn es fünfmal um den Erdball transportiert wird. Sie kennen all die Dinge zur Genüge. In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu.
Eine letzte Bemerkung dazu. Ich bin noch groß geworden in einem geschlossenen Kreislaufsystem, in unserem eigenen Betrieb zu Hause. In einem geschlossene Kreislaufsystem!
Herr Palmer, ich erinnere mich daran, und ich werde die Phase nie vergessen, als man das System dann ein Stück
weit öffnen musste. Die industrielle Entwicklung setzte ein, und der Kreislauf konnte nicht mehr geschlossen gehalten werden. Mein Vater das darf ich persönlich sagen hat oft genug formuliert: Hoffentlich holen wir uns nichts von außen rein! Das war damals das Empfinden des alten Bauern, der nur den geschlossenen Kreislauf gekannt hat.