Lieber Herr Kollege Walter, bereits in der ersten Presseerklärung unmittelbar nach den ersten Veröffentlichungen habe ich sofort gesagt, es wäre jetzt falsch, in Häme gegenüber dem ökologischen Landbau zu verfallen. Jetzt wäre es auch völlig falsch, eine Kollektivschuld zuzuweisen. Ich denke, Sachlichkeit ist geboten. Die Erzeuger sind die Leidtragenden; die Erzeuger sind die Gebeutelten.
Es geht darum, jetzt wirklich einmal abschließend die Ursachen aufzuklären: schuldhaftes, möglicherweise kriminelles Verhalten? Ich kann die SPD-Regierungen in den Ländern vor allem auch die Regierung in MecklenburgVorpommern nur ermuntern, ohne Ansehen der Person endgültig die Frage zu klären, wie es sein kann, dass nach der Wende zwölf Jahre verstreichen und während dieser
zwölf Jahre dieser unselige Zustand in Malchin immer noch beibehalten wurde. Wo blieben da die Kontrollen? Das ist doch absolut unmöglich.
Herr Kollege Teßmer hat ausdrücklich und zu Recht festgestellt: Es ist Ländersache, da für Kontrollen zu sorgen.
Jetzt nehmen Sie doch einfach einmal Fakten zur Kenntnis. Ich bin weit von einer Verurteilung entfernt, aber ich will wissen, warum es dazu kommen konnte. Sie haben von mir nicht gehört, dass ich den Kopf von Künast gefordert hätte.
(Abg. Seimetz CDU: Schade! Minister Dr. Chris- toph Palmer: Das wäre aber nicht falsch gewesen! Abg. Hauk CDU: Das wäre aber trotzdem eine gute Forderung gewesen! Abg. Teßmer SPD: Das wäre ja noch schöner!)
Ich sage: Leute, das ist ein so diffiziles Geschäft, dass man tatsächlich erst abschließend ermitteln muss, bevor Urteile gefällt werden können. Allerdings hat es mich schon ein bisschen überrascht, wie Frau Künast in ihrer burschikosen Art gleich Schuld verteilt hat. Es gibt halt auch die politische Verantwortung.
Die größte Panne war ja, dass jetzt im Grunde zum zweiten Mal Informationslöcher entstanden sind. Vor einigen Monaten gab es die Geschichte, bei der es um einen Brief ging, bei dessen Bearbeitung im Ministerium geschludert worden ist, und jetzt gibt es wiederum eine Situation, bei der man sagen muss: Bei all den privaten Beteiligten keiner kann sich reinwaschen, auch nicht der Ökoverband und bei all dem, was manche als Kartell des Schweigens bezeichnen, ist auch eine Bundesanstalt dabei. Und da beginnt natürlich ein Stück weit schon das, was man politische Verantwortung nennt. Deswegen würde ich nicht nur Schuldvorwürfe verteilen, sondern auch einmal sagen: Wir müssen in unserem eigenen Laden für Ordnung sorgen. Das ist mein Appell an Renate Künast.
Wenn Sie fragen, was die Futtermittelkontrollverordnung mache, die vor einigen Wochen in Kraft getreten ist, antworte ich Ihnen: Sie wird in Baden-Württemberg nicht nur pflichtgemäß, sondern mit großem Engagement umgesetzt. Das ist gar keine Frage.
Eines allerdings passt nicht in die ganzen hehren Worte von der Förderung der Agrarwirtschaft, insbesondere der ökologischen Landwirtschaft, nämlich gestern habe ich diese Meldung erhalten dass Frau Künast ausgerechnet bei der Gemeinschaftsaufgabe 120 Millionen zu streichen gedenkt.
Das trifft uns in Baden-Württemberg mit 10 bis 15 Millionen . Wer nicht weiß, was die Gemeinschaftsaufgabe bedeutet, was Gemeinschaftsangelegenheiten sind, der muss wissen, dass es genau die Investitionsförderung insbesondere auch im ökologischen Sektor ist, die wir dringend brauchen. Das heißt, das ganze Vollmundige stimmt oftmals nicht mit dem überein, was letztlich die praktische Politik aus Berlin ausmacht. Deswegen mein Appell: Versuchen Sie, das zu verhindern. Aber nach dem September wird eh vieles anders werden.
Ich will Ihnen, weil das hohe Haus einen Anspruch darauf hat, einfach noch einmal einiges zur Chronologie darlegen, aber insbesondere die aktuellen Daten unserer Überprüfungen und Kontrollen nennen.
Tatsache ist, dass alles offensichtlich bis zum August 2001 zurückreicht. Es ist schrecklich, wer alles bereits im Dezember 2001 von Nitrofen-Belastungen wusste. Die erstmalige Information der Behörden, der niedersächsischen Kollegen und der niedersächsischen Behörden, ist tatsächlich erst das ist das Schlimme daran am 23. Mai 2002 erfolgt.
Wir haben am Wochenende vom 25. Mai Berichte in den Medien zur Kenntnis genommen und schon vor der offiziellen Unterrichtung nach einer entsprechenden Sitzung bei uns im Haus mit den Tests und den Kontrollen begonnen zunächst anhand der Meldungen in Richtung Ökoeier, Ökogeflügelfleisch. Das begann bereits am 27. Mai. Wir haben am 2. Juni erstmals Angaben aus Niedersachsen über Vertriebswege von Ökofutterweizen erhalten und haben unsere Kontrollrichtungen entsprechend ausgedehnt. Auch drei Geflügelfleischbetriebe in Baden-Württemberg haben möglicherweise belastetes Geflügelfleisch erhalten. Auch dahin gingen unsere Kontrollansätze.
Das Ergebnis ich will es kurz machen : Es gab eine Fülle von Kontrollen und Weiterungen. Wir sind in den Bereich der Futtermittel gegangen, wir haben das Ganze auch auf konventionelle Produkte ausgedehnt, wir sind in den Bereich des Ökogeflügelfleischs gegangen. Kurzum: Erste Ergebnisse sind schließlich, wenn ich es richtig sehe, am 4. Juni gezeitigt worden.
Im Wege der Kontrollen bei Futtermitteln sind bisher insgesamt 149 Proben durchgeführt worden. 65 davon sind abgeschlossen. Bei allen Proben wurde Gott sei Dank Nitrofen-Freiheit nachgewiesen.
Wir haben bei Lebensmitteln insgesamt 206 Proben durchgeführt. Davon sind 151 Proben abgeschlossen. Sie kennen es aus unseren Pressemeldungen: Wir haben in zwei Fällen bei Eiern und in einem Fall bei Gefügelfleischerzeugnissen tatsächlich eine Überschreitung gesetzlich zulässiger Höchstmengen festgestellt. In fünf weiteren Fällen gab es
Spuren, die jedoch unter der Höchstmenge lagen. Alle anderen Untersuchungsergebnisse waren bislang negativ.
Das ist der Stand zum 19. und 20. Juni, und unsere Proben gehen weiter. Irgendwo war einmal davon die Rede, in Baden-Württemberg werde verharmlost und verniedlicht. Deswegen sage ich: Wir können nur veröffentlichen, was wir wissen. Alles andere wäre falsch. Wir sagen, wo wir Proben vornehmen, und wir nennen die Ergebnisse. Wir sind alle miteinander dankbar, wenn wir in Sachen Nitrofen negative Ergebnisse haben. Unsere Verbraucher sind dankbar dafür, und wir sind es auch. Deswegen werden diese strengen Kontrollen bei uns so weitergeführt.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen da sind wir uns sicher einig : Natürlich müssen die Rechtslücken, die da noch bestehen, geschlossen werden. Insofern ist der Ansatz der Bundesregierung vom Grundsätzlichen her zu begrüßen. Allerdings sagen wir dazu werden wir am kommenden Freitag im Bundesrat Initiativen einbringen : Die Uneinheitlichkeit im Lebensmittel- und im Futtermittelrecht muss beseitigt werden.
Das andere ist: Wir meinen, man müsste schon jetzt daran denken, dass ab 2005 EU-Regelungen gelten. Es wäre ein Unsinn, wenn wir uns in diesem zweijährigen Turnus nicht schon jetzt auf EU-Einheitlichkeit ausrichten würden. Denn wenn irgendwo Einheitlichkeit, Harmonisierung in Europa notwendig ist, dann in der Tat im Bereich der Lebensmittelsicherheit.
Wir bringen einen dritten Punkt in das laufende Gesetzgebungsverfahren ein, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung meint, vorschlagen zu müssen, dass sich jemand im Fall der Selbstanzeige auch bei Vorsatz exkulpieren könne.
Ich glaube, dass man dem nicht folgen sollte, Herr Teßmer. Das ist eine Sachfrage, über die man in Ruhe diskutieren müsste.
Wenn jemand vorsätzlich Verbotenes getan hat, verbotenerweise Mischungen vorgenommen hat, Mittel eingesetzt hat, die dem Verbraucher schaden,
dann, denke ich, kann auch die Selbstanzeige nicht zur Strafbefreiung führen. Vielmehr ist es in der Tat so: Wir können die Strafbefreiung bei grob fahrlässigem Handeln und bei Selbstanzeigen zulassen, aber Vorsatz muss bestraft werden auch als Abschreckungswirkung.
Die Lebensmittelkontrolle in Baden-Württemberg funktioniert. Ich will ausdrücklich auch in Richtung des Kollegen Innenministers sagen: Gott sei Dank gibt es bei uns den WKD. Ich habe gar nicht geahnt, dass wir das einzige Bundesland sind, das über eine derartige Lebensmittelpolizei verfügt. Der WKD ist effizient, er hat Schlagkraft. Er ist unser Instrument, um sicherzustellen, dass der Verbraucher gesunde Nahrungsmittel erhält. Deswegen ein Kompliment auch einmal an ein anderes Ressort: Der WKD ist unsere Lebensmittelpolizei par excellence.
Ich will ein Zweites sagen: Ich bin mir sicher das soll kein Eigenlob sein, sondern einfach nur eine Testierung , dass sich die Zusammenführung im Lebensmittelbereich unter Berücksichtigung von Futtermittelüberwachung und Veterinärwesen bei uns im Haus in einer Abteilung Lebensmittelsicherheit bereits in den ersten Monaten bewährt hat.
Das war richtig. Wir reden nicht nur darüber, sondern wir handeln und machen die Organisationsschärfe, Organisationsschlagkraft, die wir brauchen.
Jetzt ein Weiteres: Der Kollege Teßmer hat vorgeschlagen, ein Landesamt für Verbraucherschutz einzurichten. Wir brauchen das nicht. Pikanterweise ist anzumerken: Dort, wo einige Holprigkeiten feststellbar waren, nämlich in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, hat man solche Ämter.