Protocol of the Session on June 20, 2002

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 28. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Kipfer, Frau Abg. Vossschulte, Herrn Abg. Kretschmann, Herrn Abg. Sakellariou und Herrn Abg. Drexler erteilt.

Krank gemeldet ist Herr Abg. Nagel.

Dienstlich verhindert ist heute Vormittag Herr Ministerpräsident Teufel und heute Nachmittag Herr Minister Müller. Für den ganzen Tag sind die Herren Minister Dr. Repnik, Köberle und Dr. Döring dienstlich verhindert.

Meine Damen und Herren, heute hat unser Kollege GustavAdolf Haas Geburtstag.

(Beifall im ganzen Haus)

Lieber Herr Kollege Haas, im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte Konsequenzen aus dem NitrofenSkandal für den Verbraucherschutz in Baden-Württemberg beantragt von der Fraktion GRÜNE

b) Antrag der Fraktion GRÜNE Zustimmung des Landes Baden-Württemberg zu dem im Bundesrat vorliegenden Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes Drucksache 13/1086

dringlich gemäß § 57 Abs. 3 GeschO

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nitrofen ist ein Symbol der alten Agrarpolitik, Nitrofen ist ein Symbol einer verfehlten Agrarpolitik. Nitrofen steht für eine Agrarpolitik, die weder Rücksicht auf Menschen noch auf die Umwelt nahm.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Es ist jetzt sozusagen die Ironie des Schicksals, dass dieser Stoff im Zusammenhang mit Biobetrieben noch einmal in die Schlagzeilen kam. Trotzdem lautet das erste Fazit: Die

Antwort auf diesen Skandal heißt nicht weniger, sondern mehr Bio.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, es gibt keine Alternative das hat dieser Skandal gezeigt zur Ökologisierung der Landwirtschaft.

Die Entdeckung dieses Skandals macht noch etwas anderes deutlich: Biolebensmittel sind besonders sicher, sie werden besonders kontrolliert; denn nur im Biobereich wurde dieses Mittel entdeckt, weil nur dort überhaupt noch auf dieses Mittel hin geprüft wurde. Das heißt doch: Wir müssen, nachdem bekannt wurde, dass diese Lagerhalle in Malchin seit 1999 auch für konventionelle Futtermittel genutzt wurde, befürchten, dass konventionelle Lebensmittel mit einer Nitrofen-Belastung in den Handel gelangten, ohne dass auf dieses Mittel hin kontrolliert wurde. Das zeigt: Biolebensmittel sind einfach sicherer.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Es ist auch klar, meine Damen und Herren

(Zurufe von der CDU)

Es freut mich ganz besonders, dass die Zwischenrufe von denjenigen kommen, die über Jahrzehnte hinweg den Karren in den Sand gefahren haben. Das ist genau das Richtige.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Hauk: Der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe!)

Lieber Kollege Hauk, auch Sie als Teilzeitabgeordneter müssen erkennen: Das ist kein Bioskandal, sondern ein Futtermittelskandal. Daran kommen Sie nicht vorbei.

(Abg. Hauk CDU: Ist ja in Ordnung!)

Das Futtermittel das wissen wir, Herr Hauk; das war schon bei BSE so ist die Schwachstelle. Um diese Schwachstelle müssen wir uns kümmern. Das heißt, wir müssen bei Futtermitteln ansetzen.

Es ist doch ein schlechter Witz, meine Damen und Herren, dass wir im Futtermittelbereich bis vor kurzem keine Ausbildungsregeln und keine Sachkundeanforderungen für die Kontrolleure hatten. Das wurde jetzt von Frau Künast geändert. Erst vor einem Jahr, meine Damen und Herren da

musste erst ein Verbraucherschutzministerium in Berlin installiert werden , gab es einen nationalen Futtermittelkontrollplan.

Es gab in der Vergangenheit riesige Versäumnisse jetzt müssen Sie, Herr Kollege Hauk, gut zuhören : Beispielsweise haben CDU und FDP in den Achtzigerjahren die offene Deklaration für Futtermittel abgeschafft.

(Abg. Teßmer SPD: Ja!)

So sieht bei Ihnen der Verbraucherschutz aus. Genau so sieht bei Ihnen die Agrarpolitik aus. Deshalb ist eine Agrarwende erforderlich.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, natürlich hat dieser Skandal keine größere Rolle in Baden-Württemberg gespielt Gott sei Dank. Dennoch können wir auch hier nicht zur Tagesordnung übergehen. Vielmehr müssen wir uns natürlich Fragen stellen: Wie geht es weiter?

Erstens: Brauchen wir noch mehr Kontrollen? Haben wir dazu genügend Personal? Wurde in der Vergangenheit vielleicht zu viel Personal entlassen? Was müssen wir tun, um all diese Schwachstellen auszumerzen?

Zweitens: Was können wir tun das ist ein ganz wichtiger Punkt , um eine stärkere regionale Verfügbarkeit von Futtermitteln zu erreichen? Ich bin der Meinung, man braucht eine Bestandsaufnahme: Was geht da überhaupt noch, was wird da nur noch auf nationaler oder auf internationaler Ebene verschoben?

Wir könnten beispielsweise in den PLENUM-Gebieten, die wir in Baden-Württemberg ja haben, einmal Versuche starten: Wie können wir es ermöglichen, dass wir zukünftig wieder mehr regionale Kreisläufe haben? Wie können wir dafür sorgen das schafft nämlich Sicherheit sowohl bei den Bauern als auch bei den Verbrauchern , dass die Futtermittel aus der Region kommen?

(Abg. Kiefl CDU: Das verhindert Künast!)

Was können wir zum Beispiel tun, damit wir über einheimische Eiweißträger als Ersatz für Soja- oder auch für Tiermehl verfügen? Das, meine Damen und Herren, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir jetzt in BadenWürttemberg haben. Ich hoffe, wir schreiten da Seite an Seite mit Herrn Stächele.

Kommen wir zu einer weiteren Aufgabe. In der zweiten Runde nachher geht es ja auch noch um das Verbraucherinformationsgesetz. Aber es geht im Bundestag auch noch um andere Dinge, beispielsweise um die von mir schon angesprochene Futtermittelkontrolleursverordnung. Ich kann Sie nur bitten, Herr Minister: Da müssen Sie zustimmen. Setzen Sie die in Baden-Württemberg möglichst schnell um, und sorgen Sie dafür, dass die Leute, die mit Futtermitteln zu tun haben, eine qualifizierte Ausbildung bekommen.

Ein weiterer Schritt war die von der EU verlangte Registrierung der Futtermittelbetriebe. Wenn ich richtig informiert bin, Herr Minister, ist die Frist Ende April ausgelau

fen. Deswegen meine Frage an Sie: Ist das in Baden-Württemberg alles umgesetzt? Was ist der Stand der Dinge?

Dann, Herr Minister, noch ein Wunsch an Sie: Es gibt jetzt Bemühungen seitens der Kollegin aus Berlin, dass die Futtermittelindustrie hier rasch Abhilfe schafft. Ich bitte Sie: Unterstützen Sie sie auf Landesebene bei diesen Bemühungen, damit den betroffenen Landwirten überall geholfen werden kann.

Aber, meine Damen und Herren, dieser Skandal hatte auch eine gute Seite. Das wollen wir nicht verhehlen.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Welcher? Nitrofen oder Nitrofuran?)

Ich rede heute Morgen von Nitrofen, Herr Kollege. Über Nitrofuran redet Ihr Kollege Heinrich in den „Stuttgarter Nachrichten“ dummes Zeug, das nicht der Wahrheit entspricht. Das kann ich Ihnen alles belegen. Ich weiß nicht, wie man zu solchen Aussagen gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“ kommen kann, wenn man halbwegs seriös ist oder halbwegs eine Ahnung von diesem Thema haben will.

(Abg. Dr. Birk CDU: Ein rot-schwarzer Walter!)

Herr Drautz, wir wissen ja: FDP und Seriosität, das ist wie Tag und Nacht, das wird nie zusammenkommen.

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP Unruhe)

Aber kommen wir zurück zum Thema. Die gute Seite dieses Nitrofen-Skandals ist: Er steht für einen neuen Umgang mit Lebensmittelskandalen. Zum ersten Mal wurde vom verantwortlichen Ministerium nicht versucht, die Dinge zu verharmlosen oder zu vertuschen. Vielmehr stand von Anfang an lückenlose Aufklärung im Vordergrund. Das ist ein neues Merkmal dieser Regierung, das ist ein neues Merkmal dieser Politik.