Ich will das einmal ganz konkret sagen. Wir befinden uns ja jetzt in der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans. Wenn es so ist und es ist so , dass im Bundesverkehrsministerium nur die Variante, die die DB vorgelegt hat, nämlich die Bypass-Variante, überhaupt bewertet wird, dann hat das Bundesverkehrsministerium da wirklich etwas nachzuholen. Wenn wir im Land mit Müh und Not erreicht haben, dass die DB ergebnisoffen in ein Raumordnungsverfahren geht, nämlich mit der Bypass- und mit der Durchfahrungsvariante, dann hat der Bund auch die Verpflichtung, bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans zumindest diese beiden Varianten zu bewerten. Er bewertet im Moment nur die Variante der DB, nämlich die Bypass-Variante. Das ist ein Fehler. Den kann nur das Bundesverkehrsministerium selbst korrigieren. Da können wir hier beschließen, was wir wollen. Handeln kann nur die Bundesregierung. Das ist das Erste.
Zum Zweiten geht es ums Geld. Es waren ja neulich auch Haushaltspolitiker im Raum Mannheim. Die haben völlig zu Recht darauf verwiesen, dass der Bund, die Bundespolitik, eines Tages auch in der Verantwortung stehen wird, wenn es um die Frage geht: Wofür geben wir Geld? Ich will jetzt die Schnittstelle zwischen Bundesregierung und Bundestag gar nicht überprüfen und fragen, inwieweit der Bundestag ein einzelnes Projekt befördern kann. Aber der Hinweis auf die Abhängigkeit der DB in Netzfragen vom Bundesverkehrswegeplan und von dem, was im Bundeshaushalt steht, ist berechtigt. Dort ist der Ort, an dem gehandelt werden muss.
Deswegen sage ich ganz einfach: Wer sich wie gesagt, ohne jede Polemik wie das Bundesverkehrsministerium in dieser Frage neutral verhält scheinbar neutral , der hat bereits Partei ergriffen,
und zwar für die falsche Seite, der lässt gewähren, und der lässt genau das zu, was außer der DB niemand will.
Ich will das noch einmal an einem Satz deutlich machen, indem ich den Bundesverkehrsminister zitiere. Er hat das nicht im Zusammenhang mit Mannheim gesagt, sondern ganz allgemein. Er sagte:
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft uneingeschränkt ihre Verantwortung für eine Infrastrukturversorgung wahrnehmen,
Genau das ist die Verantwortung des Bundes. Dafür hat er zu sorgen. Übrigens: Der Satz ist nicht sensationell. Das ist derselbe Gedanke, der in Artikel 87 des Grundgesetzes steht. In der Bundespolitik ist also die Entscheidung zu fällen.
Nun muss ich das Ganze noch ein Stück fortführen und sagen: Auch in der Argumentation hat sich das Bundesverkehrsministerium bislang der DB-Spitze angeschlossen, nämlich: Mannheim wird in der Zukunft nicht schlechter gestellt, als es sich bisher schon stellt. Diese Aussage ist
erstens falsch und reicht zweitens nicht aus. Wir wollen nicht nur, dass Mannheim nicht schlechter gestellt wird. Was wollen wir? Wir wollen, dass der Raum Mannheim an dem künftigen Fortschritt teilnimmt. Denn wer in einem bestimmten Prozess stehen bleibt, der fällt, relativ gesehen, zurück. Wir wollen nicht nur, dass es bei einer bestimmten Zahl von Zügen also eine quantitative Betrachtung bleibt, sondern wir wollen ein erstklassiges Angebot. Wenn die interessanten, guten, hochwertigen Züge in Zukunft zu einem erheblichen Teil an Mannheim vorbeifahren, dann ist das eine Verschlechterung gegenüber heute, selbst wenn die Zahl der Züge gleich bleibt. Im Übrigen stimmt es noch nicht einmal, dass die Zahl der Züge gleich bleibt.
Mit der Bahn über Zahlen und Fakten zu reden, ist ein Kapitel für sich. Darauf komme ich gleich noch einmal zu sprechen. Ich nehme jetzt einmal die Zahlen, mit denen sie sich zurzeit im Raumordnungsverfahren befindet. Wir müssen uns ja einmal an irgendetwas festhalten. Dann stellen wir Folgendes fest: Wir haben heute im Hauptbahnhof Mannheim dass wir in Zukunft wenigstens quantitativ dasselbe hätten, stimmt nicht; es ergäbe sich ein Minus 155 Fernzughalte. Würde nach dem Betriebskonzept, das die DB unterstellt, durch den Hauptbahnhof Mannheim gefahren werden, würden 137 Züge halten, und wir hätten 36 Züge, die ohne Halt durch den Hauptbahnhof Mannheim fahren ein Minus von 155 auf 137. Dazu wären es noch die etwas weniger interessanten Züge, die in Mannheim halten. Die interessanteren fahren durch. Hätten wir die Bypass-Variante, würden auch 137 Züge am Hauptbahnhof Mannheim halten und 60 würden daran vorbeifahren.
Meine Damen und Herren, daran sehen wir, glaube ich, ganz deutlich: Die These Wer Gleise baut, lässt Züge fahren wird an der Zahl 60 deutlich. Das ist keine Kleinigkeit mehr, bei der man sagen kann: Lassen wir einmal den einen oder anderen an Mannheim vorbeifahren. Herr Mehdorn sagt mir immer wieder: Wir haben heute schon Sprinterzüge. Ja, wissen Sie, wie viele Sprinterzüge wir im nächsten Fahrplan in ganz Deutschland haben? In ganz Deutschland sieben. Wenn, so gesehen, auch in Mannheim einmal ein Zug durchfährt, würde mich das nicht stören. Aber wenn 60 Züge durchfahren, dann stimmt etwas nicht mehr.
Herr Minister, bezüglich Ihrer Ausführungen zum Bundesverkehrswegeplan habe ich eine Frage an Sie: Können Sie mir ein Schienenprojekt nennen, bei dem solche Alternativen umfangreich geprüft wurden? Für eine Neubaustrecke verschiedene Alternativen: Gibt es solche Beispiele?
Ich kann Ihnen einmal den Prozess genau schildern, wie das war: Wir haben dieses Projekt für die Fortschreibung des Bundes
verkehrswegeplans zu einer Zeit angemeldet, als es die Variantendiskussion noch gar nicht gab. Deswegen haben wir einfach gesagt: FrankfurtMannheim, fertig. Die DB hat ihrerseits angemeldet. Das kann sie als Vorhabenträger ja machen. Nun hat das Bundesverkehrsministerium nur die DB-Variante, die Bypass-Variante in ihre Bewertung übernommen übrigens mit einem Ergebnis, das für sich genommen auch problematisch ist. Darauf komme ich gleich zu sprechen.
Wir werden der Bundesregierung jetzt natürlich sagen: Dann prüft, aber bewertet bitte auch die Durchfahrungsvariante durch den Hauptbahnhof Mannheim. Das ist ein Versäumnis. Natürlich besteht, wenn es zwei unterschiedliche Strategien gibt, die Notwendigkeit, dass man sich beide anschaut. Das Bundesverkehrsministerium kann sich meinetwegen auch nur für eine entscheiden. Aber dann ist sie für diese Entscheidung selbst verantwortlich.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das war nicht meine Frage! Meine Frage war: Ist bei den Neubaupro- jekten anderswo so vorgegangen worden, wie Sie es fordern?)
Ich kenne jetzt keine vergleichbare Streitfrage. Ich kann nur sagen: In dieser Frage hat sich das Bundesverkehrsministerium auf die Seite der DB gestellt. Das hätte es nicht tun sollen, ganz einfach. Das ist ein Widerspruch zu dem, was wir heute beschließen.
Deswegen können wir nur sagen: Wenn du schon das, was wir wollen, nicht tust, dann tue es wenigstens in Alternativen, mache es wenigstens zusätzlich! Ich glaube, darauf können wir uns verständigen.
Jetzt muss ich aber noch eine Bemerkung machen, weil ich gerade bestimmte Zahlen vonseiten der DB zitiert habe. Ich will da jetzt auch keine Schärfe gegenüber der DB reinbringen. Aber wenn man sich anschaut, was die Deutsche Bahn in Sachen Mannheim in den letzten 24 Monaten alles gesagt hat, dann muss man sich schon fragen: Welcher der jeweiligen Äußerungen darf man aktuell gerade glauben?
Das ist schon eine außerordentlich problematische Geschichte. Ich will jetzt nicht alles aufzählen, aber bei dem, was es da an Broschüren, an Echternacher Springprozessionen mal rein, mal raus; Bypass oder kein Bypass, gleichwertig oder nicht, Außenbahnhof oder kein Außenbahnhof, was für ein Betriebskonzept mache ich? , an immer wieder neuen Zahlen gibt, muss man sagen: So kann man mit der Öffentlichkeit, so kann man mit Bundesländern, so kann man mit dem Bürger nicht umgehen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie der Abg. Theresia Bauer und Boris Palmer GRÜNE)
Ich würde auch vorschlagen, meine Damen und Herren das gilt vor allem auch für die Diskussion in der Region , nicht zu differenziert zu argumentieren, sondern eine grundlegende Alternative in den Vordergrund zu stellen: Geht es durch den Hauptbahnhof ja oder nein? Bypass ja oder nein? Alles andere Außenbahnhof, Käfertaler
Dass es im Übrigen natürlich Unsinn ist, einen Bahnhof auf der grünen Wiese zu planen, will ich jetzt nur nebenbei sagen. Ich will mich davon überhaupt nicht distanzieren. Ganz im Gegenteil: Wir stehen natürlich voll hinter der Kritik, dass es ein Unsinn ist, einen Bahnhof an dieser Stelle zu bauen. Aber die Hauptkampflinie, die Hauptentscheidung, die jetzt zu treffen ist, heißt: Bypass ja oder nein?
Jetzt will ich aber in diesem Zusammenhang noch auf ein Spezialproblem hinweisen, das von erheblicher Bedeutung ist, nämlich: Bisher sagt man, dass es neben dem Bypass einen Anschluss des Hauptbahnhofs Mannheim an die künftige Neubaustrecke geben soll. Das heißt also, wenn Sie sich das bildlich vorstellen: Da verläuft auf der einen Seite die künftige Riedbahn, diese Hochgeschwindigkeitsstrecke, auf der 300 Stundenkilometer gefahren werden von Frankfurt runter, jetzt nach der Vorstellung von Mehdorn an Mannheim vorbei. Nichtsdestoweniger soll es aber eine Schleife in den Hauptbahnhof Mannheim geben. Das ist die Nordanbindung an diese Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Jetzt ist die große Frage: Wie ist das eigentlich zu interpretieren? Denn wenn ich beides mache den Bypass und die Nordanbindung , dann ist der Bypass auf jeden Fall etwas, was Zusatzkosten auslöst. Ich kann also nicht sagen: Das eine ist billiger als das andere. Vielmehr muss ich sagen: Wenn ich beides machen würde, hätte ich natürlich Zusatzkosten und ein schlechteres Nutzen-Kosten-Verhältnis, weil die Kosten gestiegen sind. Da werden sich DB und Bund noch zu entscheiden haben.
Ein anderer Gesichtspunkt kommt noch dazu: Das ist nämlich der Eingriff in die Natur. Wenn ich beides mache, dann ist ja die Frage: Lassen sich denn die Eingriffe in Landschaft und Natur doppelt rechtfertigen? Wir meinen: Der Eingriff in die Natur durch die Bypass-Lösung ist im Hinblick darauf, dass es eine Alternative gibt, nämlich durch den Hauptbahnhof zu fahren, nicht gerechtfertigt.
Jetzt kommt das ganz Schlimme: Der Bundesgutachter bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans argumentiert genau umgekehrt. Er hat gesagt: Weil es den Bypass gibt, ist die Nordanbindung des Hauptbahnhofs Mannheim nicht gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren, jetzt wissen wir, worüber wir reden: Jetzt reden wir wirklich über das Abkoppeln des Bahnhofs Mannheim. Jetzt geht es nicht mehr um den Status quo. Auch da gibt es eine Verantwortung des Bundes. Das muss korrigiert werden.
Ich muss ganz einfach DB und Bund fragen: Bleibt es dabei, dass es die Nordanbindung des Hauptbahnhofs Mann
heim an die künftige Hochgeschwindigkeitsstrecke gibt, oder setzt man, wenn man den Bypass will, in Zukunft nur noch auf den Bypass, mit der Folge, dass es die Nordanbindung nicht gibt? Diese Frage muss geklärt werden, und zwar sowohl unter finanziellen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten.
Schlussbemerkung, meine Damen und Herren auch das sage ich ein bisschen in Replik auf viele Gespräche, die ich mit Herrn Mehdorn geführt habe; da wird man immer so ein bisschen dargestellt als derjenige, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und der die Bahn an einer modernen Entwicklung hindern will und gar nicht merkt, welche Chancen darin liegen, indem ihr Kunden zugeführt werden könnten, die jetzt die Autobahnen benutzen und sich auf Kurzstreckenflüge begeben : Man braucht diesem Bundesland Baden-Württemberg in Sachen Hochgeschwindigkeitsverkehr keine Lehren zu erteilen. Es gibt kein einziges Bundesland, das für die Bundesaufgabe Fernverkehr so viel Landesgeld in die Hand nimmt wie Baden-Württemberg, nämlich bei der Neubaustrecke nach Ulm 1 Milliarde DM.
Es ist schon interessant, dass die verschiedenen Komponenten des Hochgeschwindigkeitsnetzes nicht alternativ zu betrachten sind, sondern dass sie sich gegenseitig stützen. Das heißt, wenn wir zwischen Stuttgart und Ulm den Verkehr beschleunigen, spielt das für die Frage, wie viel Verkehr von Frankfurt über Mannheim nach Stuttgart und Ulm führt, eine große Rolle. Natürlich bedeutet die Beschleunigung, die wir zwischen Stuttgart und Ulm bekommen 30 Minuten , ein erhöhtes Fahrgastpotenzial auch im Raum Mannheim. Deswegen spielen diese Aspekte alle zusammen und können nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wir sind in der Frage, was in Mannheim geschieht, voll an der Seite der Region und der Stadt, und wir sind das von der ersten Stunde an gewesen. Wir haben erreicht mit Zähneknirschen hat das die DB dann zugestanden , dass wenigstens einmal ergebnisoffen in das Verfahren gegangen wird. Wir haben zusammen mit der Stadt Mannheim die Veranstaltung am 1. Juli konzipiert. Das wird eine politische Manifestation werden, die wichtig ist und, glaube ich, eindeutig sein wird. Wir versuchen auch, auf den Bund einzuwirken, sofern und soweit es nur geht.