Protocol of the Session on June 19, 2002

Ich danke Ihnen für die Übernahme dieses Passus aus unserem Antrag Drucksache 13/974 und erkläre hiermit auch für die Fraktion, dass dieser Antrag nach dieser Übernahme als erledigt betrachtet werden kann.

(Beifall bei den Grünen Abg. Alfred Haas CDU: Nicht so viel schwätzen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Göschel.

(Abg. Alfred Haas CDU: Geht nach Berlin und handelt, und schwätzt nicht so viel!)

Herr Kollege Haas, auch davon haben Sie keine Ahnung; halten Sie sich zurück.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Scheuermann hat vorhin gesagt, er müsste etwas sagen, was der Opposition möglicherweise wehtut. Vielleicht tut es den Grünen weh mir hat es gefallen. Sie sagten, Baden-Württemberg sei beim Fernstraßenbau benachteiligt, und wenn man über einen längeren Zeitraum zurückblickt, stellt man fest, dass für Baden-Württemberg in der Tat ein objektiver Nachteil entstanden ist. Unter anderem haben die IHKs in Baden-Württemberg nachgewiesen, dass Baden-Württemberg gemessen an der Einwohnerzahl, an der Pkw-Dichte, an der Produktivität und allen möglichen Parametern weniger Autobahnkilometer als alle anderen Flächenländer unter den westlichen Bundesländern hat. Diese Situation ist aber nicht erst am 28. September 1998 entstanden, sondern diese Versäumnisse sind in der Tat über Jahrzehnte gewachsen.

Die neue Berliner Bundesregierung hat erkannt,

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist demnächst die al- te!)

dass in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Ländern überproportional etwas getan werden muss, und deshalb, weil über viele Jahre hinweg ein Nachholbedarf entstanden war, ist Baden-Württemberg am Antistauprogramm und am Ortsumgehungsprogramm des Bundes, einem Sonderprogramm, überproportional beteiligt.

(Beifall bei der SPD Abg. Scheuermann CDU: Steter Tropfen höhlt den Stein!)

Gut, wenn wir in dieser Sache Einvernehmen feststellen, packen wir sie gemeinsam an, damit dieser Nachholbedarf befriedigt wird. Dies gilt im Übrigen auch für den Landesstraßenbau, aber das ist heute nicht das Thema.

Herr Kollege Palmer hat die in der Pressemitteilung der SPD-Fraktion vom 29. Januar angekündigte SPD-Initiative zu diesem Thema angemahnt. Ich kann dazu nur sagen: Die Initiative, heute eine gemeinsame Entschließung zu fassen, kam von uns; Herr Kollege Scheuermann kann das bestätigen. Wir wollten einen gemeinsamen Antrag des gesamten Landtags, um den Schulterschluss in Baden-Württemberg nach außen, gegenüber Berlin, deutlich zu machen. Für Alleingänge, Herr Kollege Palmer, sind Sie allein zuständig.

Frau Berroth hat mich vorhin missverstanden; ich will das klarstellen. Dass Herr Mehdorn das Vorhaben, einen Bypass zu bauen, ernst meint, ist klar. Deswegen haben wir schon von Anfang an mit allem Nachdruck reagiert und tun dies weiterhin. Ich habe nur gesagt, dass das mit dem „Bypass-Bahnhöfle“ nicht ganz ernst gemeint war, sondern in erster Linie der Beruhigung diente. Denn der Zeitvorteil, der durch einen Bypass entstünde, würde aufgezehrt, wenn

der Zug auf diesem Grüne-Wiese-Bahnhof halten müsste und die drei bis fünf Minuten Fahrzeitverkürzung, die durch die Streckenverkürzung erreicht würden, wieder aufbrauchen würde. Insofern halte ich die Aussage von Herrn Mehdorn mit dem „Beruhigungsbahnhof auf der grünen Wiese“ für nicht ernst gemeint.

Was den Güterzugverkehr anbelangt, gibt es derzeit schon einen Bypass in Mannheim, nämlich die östliche Riedbahn. Sie sorgt dafür, dass Güterzüge nicht durch den Hauptbahnhof Mannheim fahren müssen, sondern daran vorbei direkt in den Güterbahnhof geleitet werden können. Wenn das Konzept des schnellen Güterverkehrs einmal so weit vorangeschritten ist dazu fehlen aber noch die erforderlichen Fahrzeuge , dass Güterzüge auch auf den Schnellbahntrassen fahren könnten, wäre es ohne Probleme möglich, durch eine Anbindung der östlichen Riedbahn auch den schnellen Güterverkehr auf die Schnellbahnstrecke MannheimStuttgart zu leiten. Ich glaube aber überhaupt noch nicht daran, dass sich der Güterverkehr der Bahn in den nächsten Jahren so weit in diese Richtung entwickeln wird.

Klar ist: Die Techniker der Bahn, die Ingenieure, haben ein großes Interesse daran, die Züge möglichst schnell von Hamburg nach Basel, von Köln nach München durchrasen zu lassen, am besten ohne Halt; am liebsten wäre es ihnen, wenn keine Fahrgäste in den Zügen säßen; denn diese stören den technischen Ablauf ohnehin. Insofern verstehe ich es ein bisschen, wenn solche Leute in ihrer Technikbesoffenheit solche Lösungen ins Auge fassen. Ich vermisse bei der Bahn aber ein wenig die Kaufleute, denen eigentlich bewusst werden müsste, dass ein Abkoppeln des Fahrgastaufkommens aus Mannheim, der Region Mannheim und des weiten Einzugsbereichs des Hauptbahnhofs Mannheim unseren Bestrebungen sehr zum Nachteil gereichen würde; denn dann gäbe es weniger anstatt mehr Fahrgäste im Bahnfernverkehr.

Ich will noch das habe ich vorhin versäumt den zweiten Systemvorteil nachtragen, den die Bahn gegenüber dem Flugverkehr hat: Die Bahn hat die Hauptbahnhöfe in der Regel in der Innenstadt oder zumindest innenstadtnah. Beim Flugverkehr hingegen kommen noch die Zeit für die Fahrt von der grünen Wiese, wo der Flughafen zwangsläufig angesiedelt sein muss, in die Innenstädte sowie Wartezeiten beim Durchchecken usw. hinzu, sodass die Bahn hinsichtlich der Gesamtreisezeit, wenn sie Punktlandungen in den Innenstädten schafft, gegenüber dem Flugverkehr und insbesondere dem innerdeutschen Flugverkehr im Vorteil ist. Das Interesse muss sein, die Menschen sowohl aus dem Auto als auch aus dem Kurzstreckenflugverkehr in die Züge, auf die Schiene zu bekommen. Genau dieses Ziel würde aber verspielt werden, wenn Mehdorn sich mit seinem Bypass durchsetzen würde. Auch das muss in aller Deutlichkeit noch einmal betont werden.

Ich glaube, zum Schluss kann ich sagen: Es ist sehr erfreulich, dass wir uns zu diesem gemeinsamen Entschließungsantrag durchgerungen haben.

(Abg. Alfred Haas CDU: Endlich mal!)

Wir praktizieren Solidarität des Landes Baden-Württemberg mit Mannheim und der Region. Wir praktizieren auch

Solidarität der Bundesländer, die betroffen sind. Das ist ganz notwendig, denn es ist auch eine Auseinandersetzung der Ebenen. Dem Bund muss deutlich gemacht werden, dass derjenige, der bezahlt, auch bestimmt, wo es langgeht. Dies wäre zwar bei einer Trennung von Netz und Betrieb einfacher, aber es geht auch so; denn Kostenträger ist nach wie vor der Bund und nicht die Bahn. Deswegen bin ich auch sehr zuversichtlich, dass dies gelingt. Denn wir wollen nicht die kleine, feine Bahn für einige Passagiere de luxe, sondern wir wollen mit den Milliarden, die der Bund dafür aufwendet, eine Eisenbahn für alle, und das kann man nur erreichen, wenn man die entsprechenden Systempunkte dabei beachtet.

Dazu gehört der Erhalt des Hauptbahnhofs in Mannheim als Haltepunkt auch für den Hochgeschwindigkeitsverkehr. Deswegen ist es wichtig, dass wir das heute davon gehe ich aus einstimmig so beschließen, um Herrn Mehdorn deutlich zu machen, dass er Chef der Eisenbahner und kein Tiefflieger ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Abg. Berroth.

Herr Kollege Göschel, ich bedanke mich, dass Sie noch einmal den Gedanken aufgegriffen haben, den auch Herr Scheuermann und ich schon geäußert haben, dass es nämlich ein Riesenvorteil der Bahn ist, dass sie ins Zentrum der Städte fährt, und dass man diesen Vorteil wirklich nicht leichtfertig verschenken soll. Ich danke auch für die Konkretisierung, dass Sie nur den Bahnhof meinen. Ich habe mir die Broschüre, die wir gestern bekommen haben, extra noch einmal angeschaut. Da ist mit so viel Euphorie von diesem Bahnhof gesprochen worden, dass man leider sehr davon ausgehen muss, dass auch das ernst gemeint ist und dass etliche Träumereien daran hängen.

Ich habe mich vor allem deshalb gemeldet, weil Sie, Herr Palmer, wieder einmal versucht haben, uns das Denken im Kopf und das Wort im Mund herumzudrehen. Das lasse ich mir einfach nicht bieten.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wenn Sie hier behaupten, wir würden die Straße der Bahn vorziehen, so stimmt das einfach nicht. Vielmehr brauchen wir für die entsprechenden Aufgaben die richtigen Verkehrsmittel und die richtigen Verkehrswege. Deswegen müssen wir das eine tun und dürfen das andere nicht lassen. Wir haben in beiden Bereichen Nachholbedarf, und wir arbeiten daran, dass Baden-Württemberg auch weiterhin so ausgestattet ist, dass unsere Wirtschaft davon profitiert und nicht leidet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU Oh-Rufe von der SPD)

Das Wort erhält der Minister für Umwelt und Verkehr, Herr Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass die CDU-Fraktion diese Debatte beantragt hat. Sie kommt zur richtigen Zeit, weil wir uns in das Raumordnungsverfahren begeben, weil wir bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans sind und weil wir im Vorfeld einer wichtigen Veranstaltung in Mannheim am 1. Juli sind. Die Debatte findet am richtigen Ort statt, im Landtag von Baden-Württemberg, um deutlich zu machen, dass es sich hier um eine Frage von landespolitischer Bedeutung handelt und dass wir einen landespolitischen Konsens haben. Beides ist ein wichtiges politisches Signal.

Deswegen begrüße ich auch den interfraktionellen Antrag. Die Debatte war jetzt, 90 Tage vor der Wahl, schon ein bisschen vom Wahlkampf geprägt.

(Abg. Wacker CDU: Aber nur ein bisschen!)

Konzentrieren wir uns einmal auf den Antrag. Er zeigt ein hohes Maß an Übereinstimmung. Das ist in dieser Frage auch nötig.

Wenn wir im Landtag debattieren, meine Damen und Herren, dann wird das von führenden DB-Vertretern manchmal so dargestellt, als hätten wir erstens von Bahnpolitik keine Ahnung und seien zweitens Kirchturmpolitiker, Provinzpolitiker. Diese Darstellung stimmt nicht. Wir diskutieren hier zunächst einmal gar keine Mannheimer Angelegenheiten oder Angelegenheiten der Region Mannheim, sondern wir diskutieren Grundfragen der Bahnpolitik am Beispiel von Mannheim. Es geht im Prinzip gar nicht um Regional- oder Landespolitik, sondern es geht ganz simpel um die Frage: Welche Bahn wollen wir? Wollen wir ein Hochgeschwindigkeitsangebot mit einem Hochgeschwindigkeitsnetz und einer entsprechenden Bedienung, die an beträchtlichen und bedeutenden Zentren des Bundesgebiets vorbeiführt, die nicht mehr in die Innenstädte geht und die das Bahnsystem als Gesamtnetz nicht integriert, sondern die vom übrigen Bahnverkehr isoliert ist? Das ist die Frage, die eigentlich dahinter steht. Diese Frage kann man an vielen Beispielen durchbuchstabieren. Wir haben sie jetzt eben in Mannheim.

Oder wollen wir eine Bahn, die diese Fehler nicht begeht? Wollen wir eine Bahn, bei der einige Züge immer schneller werden, aber die Gesamtfahrzeiten für die Kunden eher länger werden, weil die Züge nämlich an den falschen Stellen halten? Wollen wir eine Bahn das ist die Frage, die dahinter steht , zu der die Menschen kommen müssen, oder wollen wir eine Bahn, die zu den Menschen kommt?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Das sehen wir am Beispiel der Kurpfalz.

Wollen wir eine Bahn das sind die Strukturfragen; deswegen geht es da schon um ganz wesentliche Dinge, wie gesagt: am Beispiel von Mannheim , die nur betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung trägt, und das auch nur in einem Teil ihres Unternehmens, nämlich eben in diesem Segment Hochgeschwindigkeit, die aber zu gleicher

Zeit ihrer Infrastrukturverantwortung die sie im Übrigen mit der Politik teilt; darauf komme ich noch zu sprechen nicht gerecht wird?

Um das einmal ganz genau zu sagen: Für das Netz ist die Politik verantwortlich, für den Betrieb ist die DB verantwortlich. Jetzt hat die Politik die Aufgabe, das Netz so zu gestalten, dass der richtige Betrieb gemacht wird.

Wenn wir das Ventil um Mannheim herum öffnen, dann besteht die konkrete Befürchtung ich werde sie auch belegen , dass der falsche Betrieb gemacht wird. Es stört die DB, dass man ihr diesen Bypass, dieses Ventil, das sie zu schaffen beabsichtigt, zu nehmen versucht und sie sozusagen in den Hauptbahnhof hineinzwingt. Aber genau das wollen wir im Ergebnis haben. Das ist eine Aufgabe der Politik.

Meine Damen und Herren, wer Gleise baut, lässt Züge fahren. Wer teure Gleise baut, lässt viele Züge fahren, sonst lohnt sich die ganze Veranstaltung logischerweise nicht. 320 Millionen € betragen die Zusatzkosten für den Bypass. Da braucht man schon eine Legitimation: Wenn ich das erst einmal gemacht habe, dann muss ich anschließend ja entsprechend vorbeifahren. Das ist der Fehler.

Ich will es vonseiten der Landesregierung auch noch einmal ganz kurz und einfach sagen: Wir sind deswegen für die Durchfahrung des Hauptbahnhofs Mannheim, weil es sich um den siebtgrößten Ballungsraum der Bundesrepublik Deutschland handelt. Er hat die Wirtschaftskraft und die Bevölkerungszahl von Schleswig-Holstein als Beispiel.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist ein guter Vergleich!)

Weil wir die zentrale Verknüpfung aller möglichen Verkehrsangebote Nahverkehr, Fernverkehr, Busverkehr usw. usf. an einem Punkt haben wollen und weil die Umsteigefunktion des Bahnhofs Mannheim für den gesamten süddeutschen Raum und für das gesamte Land übrigens speziell auch für den badischen Landesteil insgesamt von hoher Bedeutung ist, brauchen wir diesen zentralen Verknüpfungspunkt.

Jetzt habe ich gesagt: Die Politik ist gefordert. Sie hat ja auch gesprochen, und zwar in großer Übereinstimmung: die Stadt und die Region, die Raumplaner und die Wirtschaft, vier Bundesländer eindeutig , nämlich Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg, und auch die wesentlichen politischen Kräfte, also die vier Fraktionen dieses Hauses und vier von fünf Fraktionen des Deutschen Bundestags. Das ist so weit gut.

Aber nun gibt es schon ein Problem. Jetzt will ich ohne eine Schärfe hineinzubringen und ohne irgendeine Art von Wahlkampf zu machen doch darauf verweisen, welche spezifische Verantwortung der Bund, das Bundesverkehrsministerium, die Bundesregierung hat. Ich sage das nicht, um irgendwie Schuld abzuwälzen oder mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern ich muss auf objektive Tatbestände hinweisen. Dieser objektive Tatbestand heißt: Das Bundesverkehrsministerium hat einiges nachzuholen.

(Minister Müller)

Ich will das einmal ganz konkret sagen. Wir befinden uns ja jetzt in der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans. Wenn es so ist und es ist so , dass im Bundesverkehrsministerium nur die Variante, die die DB vorgelegt hat, nämlich die Bypass-Variante, überhaupt bewertet wird, dann hat das Bundesverkehrsministerium da wirklich etwas nachzuholen. Wenn wir im Land mit Müh und Not erreicht haben, dass die DB ergebnisoffen in ein Raumordnungsverfahren geht, nämlich mit der Bypass- und mit der Durchfahrungsvariante, dann hat der Bund auch die Verpflichtung, bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans zumindest diese beiden Varianten zu bewerten. Er bewertet im Moment nur die Variante der DB, nämlich die Bypass-Variante. Das ist ein Fehler. Den kann nur das Bundesverkehrsministerium selbst korrigieren. Da können wir hier beschließen, was wir wollen. Handeln kann nur die Bundesregierung. Das ist das Erste.