Protocol of the Session on June 19, 2002

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Flei- scher CDU: Sehr richtig!)

Wir weigern uns, hier ein Urteil zu fällen.

Sie haben darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist. Jetzt gilt es, nachhaltig und uneingeschränkt aufzuklären, ob die behaupteten Vorwürfe zutreffend sind. Sie stellen sich aber hier hin und kommen bereits jetzt zu einem endgültigen Ergebnis. Das finde ich unglaublich insbesondere auch gegenüber den 5 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LVA Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Hinzu kommt, dass einige der Vorwürfe, die auch Herr Sieber abgeschrieben hat, aus anonymen Briefen stammen, bei denen man sehr einfach feststellen kann, dass Neid und Missgunst dahinter stehen und dass man sich insbesondere, Frau Lösch, gegen die Fusion der beiden Landesversicherungsanstalten richtet. In der Tat richtet sich eine ganze Reihe der anonymen Briefe gegen die Fusion. Das kommt Ihnen natürlich zupass, um dieses Spielchen weitertreiben und am Ende so tun zu können, als hätten wir mit der Fusion eine Fehlentscheidung getroffen. Sie nutzen das und wollen am Ende einen politischen Erfolg herausschlagen. Das weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.

Völlig unstreitig ist, dass, wenn man sich durch eine Fusion Vorteile und Synergien erarbeiten will, auch Nachteile entstehen. Dass es bei einer Fusion ebenso Gewinner wie Verlierer gibt, ist eine völlige Selbstverständlichkeit auch dass es Reibungsverluste gibt. Auch dass eine überfällige Organisationsreform nicht ohne Wunden bleiben kann auch in den Führungsetagen , war doch völlig klar. Sie aber nutzen die Zeit, um jetzt in diese Kerbe zu schlagen, und auch das weisen wir mit aller Deutlichkeit zurück.

Die Frage nach den Prüfungs- und Kontrollinstrumenten wurde natürlich zu Recht aufgeworfen. Hier aber nun die Verantwortlichkeit für jedes Detail dem Sozialministerium, dem Parlament oder der Landesregierung zuzuschieben wie Sie es getan haben ist natürlich weit gefehlt. Die Frage der Prüfungstiefe wird in diesem Zusammenhang sicherlich von allen, die mit den Prüfungen zu tun haben, überdacht werden müssen. Das Sozialministerium als Aufsichtsbehörde ist ständig am Prüfen und Kontrollieren, angefangen mit dem Haushaltsplan und dem Stellenplan; das wissen Sie. Der Bundesrechnungshof ist bei den Prüfungen eingeschaltet; der Landesrechnungshof und das Prüfungsamt für Sozialversicherungen sind eingeschaltet. Es gibt einen Abgleich mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger. Es gibt LVA-interne Prüfungsinstanzen. Zu einer bestimmten Zeit gab es auch einen Korruptionsbeauftragten.

Ich will Ihnen auch einmal sagen, Frau Lösch: Die LVA hat einen starken Personalrat, der gerade über den Führungsbereich durchaus Kenntnisse hat und sehr genau weiß, was sich dort abspielt.

Natürlich wird auch die Frage aufzuwerfen sein, wie es mit den einzelnen handelnden Personen aussieht. Ich denke aber jetzt nicht nur an die Vorwürfe gegen Herrn Schneider, sondern auch an die Aufsichtsgremien insgesamt. Ich habe manchmal den Eindruck, einzelne Personen und gerade Gewerkschaftsvertreter sitzen in viel zu vielen Gremien.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Fischer SPD: Das trifft für alle zu! Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Das gilt auch für die CDU! Fangen Sie mal in Ihrer Landesregierung an! Weitere Zurufe von der SPD Unruhe)

Frau Haußmann, wir werden uns in der nächsten Sozialausschusssitzung mit der aus meiner Sicht abstrusen Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden der ThoraxklinikHeidelberg gGmbH zu beschäftigen haben. Da ist eben die gleiche Person im Spiel. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Ich habe den Eindruck, dass dort leider Gottes bestimmte Personen völlig überlastet sind und nicht mehr den Überblick über die einzelnen Vorgänge haben.

Frau Lösch, wir lassen uns nicht den Erfolg dieser Fusion zerreden. Es wird ein Erfolgsmodell werden; davon bin ich fest überzeugt. Sie als Opposition wollen das nicht; das ist mir völlig klar. Sie benutzen den Fall Schneider als Fortsetzung dessen, was Sie im Parlament schon begonnen haben, nämlich an allem herumzumäkeln, was mit dieser Fusion zu tun hat. Sie wollen verunsicherte Mitarbeiter, Sie wollen unzufriedene Mitarbeiter, damit Sie, wie schon gesagt, am Ende sagen können: Die Fusionsentscheidung von CDU und FDP/DVP war eine Fehlentscheidung. Dieses Rezept ist durchsichtig, und das machen wir schlicht und einfach nicht mit. Wir stehen uneingeschränkt zu dieser Fusionsentscheidung.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Die Fusion ist über- haupt nicht infrage gestellt!)

Es sind einige neue Konzepte in der Entwicklung und in der Umsetzung. Wir stehen insbesondere hinter den Mitarbeitern und wollen sie ausdrücklich ermuntern, den beschrittenen Weg fortzusetzen. Wir werden am Ende davon bin ich fest überzeugt ein Zukunftsmodell für einen regional präsenten, leistungsfähigen und vor allem wirtschaftlich arbeitenden Rentenversicherungsträger und Rehabilitationsträger haben.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Umsetzung des Regionalisierungskonzepts ist schon vor der Fusion begonnen worden. Natürlich ist es unglaublich schwierig, eine Organisationsreform für zwei Landesverbände und zusätzlich auch noch ein Regionalisierungskonzept, das kurz vor der Fusion auch in der Anfangsphase stand, umzusetzen, aber dennoch kann man sagen: Nach einem Jahr ist die Organisationsreform auf einem guten Weg. Nicht wegen der Führungsfrage, sondern wegen der Inhalte sorgt die LVA Baden-Württemberg bundesweit für Aufmerksamkeit, weil wir die LVA auf den Weg zu einem kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen gebracht haben. Die LVA ist Vorreiter bei den Rehabilitationskonzepten und in der Rehabilitationslandschaft

insgesamt. Mitunter hat auch das Kur- und Bäderland Baden-Württemberg von den LVA-Leistungen profitiert und ist maßgeblich gestärkt worden. Daran hat auch das muss man sagen der Erste Direktor Schneider seine Verdienste. Ich denke, das ist unbestritten, wenn man die Entwicklung sachlich betrachtet.

Wir könnten im Übrigen froh sein, wenn wir auch bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ähnlich flexible und moderne Strukturen hätten

(Abg. Döpper CDU: Das ist dort eine Katastro- phe!)

und wenn dort die Versicherten in gleicher Weise auf ein so flexibles Instrument zurückgreifen könnten.

(Abg. Döpper CDU: Genau!)

Schreiben Sie einmal an die BfA in Berlin. Sie werden erstaunt sein, was Sie da für Antworten bekommen. Da muss ich sagen: Wir sind mit unserer LVA auf einem vorbildlichen Weg.

Wir setzen das will ich zum Abschluss sagen auf die Selbstverwaltung, die Sie kritisiert haben. Wir weisen die undifferenzierte Kritik zurück und stehen hinter den Mitarbeitern das ist uns das Wichtigste ,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ich stehe auch hin- ter den Mitarbeitern!)

die nach wie vor eine engagierte Arbeit machen. Das muss im Vordergrund stehen und nicht Ihre undifferenzierte und vorverurteilende Kritik.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegen den Ersten Direktor der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg werden in der Öffentlichkeit schwere Vorwürfe erhoben, die das Vertrauen der Versicherten das muss man hier ganz klar sagen in die Arbeit des Rentenversicherungsträgers infrage stellen

(Abg. Alfred Haas CDU: Das behaupten Sie! Nen- nen Sie mal einen, der das so sieht! Das gibt es überhaupt nicht!)

und die das Ansehen der LVA schwer belasten. Herr Haas, hören Sie zu!

In der Sache handelt es sich dabei um eine ganze Reihe von unterschiedlich gelagerten Vorwürfen. Unter anderem wurde die Amts- und Personalführung des Ersten Direktors kritisiert. Es wurde der Vorwurf der Bestechlichkeit erhoben. So soll die LVA 1999 Geld von Versicherten in Höhe von 4 Millionen € zweckentfremdet haben.

(Abg. Alfred Haas CDU: Na, na, na! Das ist ja un- glaublich!)

Sie wurden statt in die so genannte Schwankungsreserve des Bundes in den Haushalt der LVA Baden-Württemberg eingestellt. Und schließlich wurde der Vorwurf erhoben, dass bei der Prüfung und der Genehmigung von Anträgen auf medizinische Vorschriften die entsprechende so genannte Reha-Quote zugrunde gelegt worden sei.

Für die SPD steht fest: Diese Vorwürfe müssen rückhaltlos aufgeklärt werden, Rechtsverstöße müssen geahndet werden, und bei der LVA Baden-Württemberg müssen auch personelle Konsequenzen gezogen werden. Die Bürgerinnen und Bürger und die Versicherten der LVA haben Anspruch darauf, dass die LVA mit Versichertengeldern korrekt umgeht und dass bei der Prüfung von Leistungsansprüchen nach Recht und Gesetz verfahren wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei der Aufklärung und Aufarbeitung dieser Vorwürfe ist, soweit es sich nicht um Angelegenheiten handelt, für die der Staatsanwalt zuständig ist, zunächst die Selbstverwaltung gefordert. Das ist das Prinzip. Die SPD bedauert, dass es dabei offenkundig zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite in der Selbstverwaltung in der Vergangenheit gelegentlich unterschiedliche Auffassungen über das Vorgehen in dieser Sache gegeben hat. Zumindest hat die öffentliche Berichterstattung diesen Eindruck erweckt. Das ist die Quelle, aus der wir bisher unsere Informationen haben. Wir hoffen im Interesse einer funktionierenden Selbstverwaltung, dass diese Meinungsverschiedenheiten nunmehr der Vergangenheit angehören. Die Beispiele, die wir in den letzten Tagen in der Presse gelesen haben, bestärken uns in der Auffassung, dass hier doch ein guter Weg gegangen wird.

Einige der Vorwürfe berühren allerdings auch die Aufsichtstätigkeit des Sozialministeriums in der Vergangenheit. Es stellt sich für uns zum Beispiel die Frage, warum die Nichtabführung von Mitteln der Schwankungsreserve vom Sozialministerium bei der Rechnungsprüfung überhaupt nicht beanstandet worden ist. Das würde ich schon noch gern vom Herrn Sozialminister erfahren. Hier sind im Hinblick auf die Prüftätigkeit des Sozialministeriums noch Fragen offen, die nach Auffassung meiner Fraktion aufgeklärt werden müssen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist aus Sicht der SPD nicht nur die Aufgabe der Selbstverwaltung, sondern auch die Aufgabe des Sozialministeriums als zuständiger Aufsichtsbehörde, allen Vorwürfen nachzugehen. Wir haben uns als SPD im letzten Jahr, kurz nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, an das Sozialministerium gewandt. Wir haben es für richtig erachtet, dass das Sozialministerium als zuständige Prüfbehörde diese Vorwürfe durch das Prüfungsamt für die Sozialversicherung im Rahmen einer Sonderprüfung überprüfen lässt.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Im Sommer letzten Jahres hat die SPD-Fraktion den Sozialminister gebeten, dem zuständigen Sozialausschuss, sobald aussagekräftige Ergebnisse dieser Sonderprüfung der LVA vorliegen, darüber Bericht zu erstatten. Aus Sicht der SPD haben die gegen die Geschäftsführung der LVA erhobenen Vorwürfe eine solche Tragweite, dass das Sozialministerium das Parlament über die Prüfungsergebnisse infor

mieren muss. Der Minister hat zugesagt diese Zusage haben wir schriftlich , dies im Sozialausschuss zu tun.

Der Prüfbericht des Prüfungsamts für die Sozialversicherung liegt nunmehr vor. Allerdings haben die Fraktionen von diesem Bericht noch keine Kenntnis erhalten. Es ist deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr schwierig, Herr Haas, an dieser Stelle endgültige Aussagen über die erforderlichen Konsequenzen zu machen. Ob die von der Selbstverwaltung am Montag als erste Konsequenz beschlossene Freistellung des Ersten Direktors ausreicht, muss aus Sicht der SPD allerdings bezweifelt werden. Hier sind entschlossenere und konsequentere Schritte erforderlich.

(Beifall bei der SPD Abg. Alfred Haas CDU: Fragen Sie mal den Parteifreund Bliesener!)

Mit dem Wort „Parteifreund“ wäre ich an Ihrer Stelle sehr vorsichtig, lieber Kollege Haas.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion geht davon aus, dass die zugesagte Unterrichtung des Sozialausschusses, nachdem der Bericht nun vorliegt, zeitnah erfolgt. Wir haben diesen Punkt ja auch auf der Tagesordnung der nächsten Sozialausschusssitzung am 4. Juli, und in diesem Gremium werden wir über den Bericht beraten. Damit kein Missverständnis aufkommt: Es ist richtig und es entspricht dem Verständnis der SPD vom Vorrang der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, dass die Ergebnisse dieses Prüfberichts des Sozialministeriums natürlich zunächst den Gremien der LVA Baden-Württemberg zugeleitet und dort beraten werden.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das ist für uns unstrittig und völlig klar. Wir erwarten jedoch, nachdem eine Beratung in der Selbstverwaltung erfolgt ist, dass der Sozialminister dem Sozialausschuss des Landtags in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses entsprechend der Zusage Bericht erstattet. Das ist für uns der richtige Weg.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das steht doch schon auf der Tagesordnung!)

Genau. Dafür habe ich gesorgt, Herr Haas. Sie wollten die Sitzung aus guten Gründen ausfallen lassen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)