Ich will mich noch einmal mit dem beschäftigen, was Herr Dr. Noll vorhin gesagt hat. Er muss mir da noch etwas erklären.
Es geht um die Wahltarife, die Sie vorhin als das Gelbe vom Ei angepriesen haben. Wahltarife bedeuten das wissen sicher viele , dass der Versicherte wählen kann, ob er bis 500 oder 1 000 DM aus eigener Tasche für die medizinische Versorgung bezahlt und dafür bei seiner Kasse einen möglichst niedrigen Beitragssatz hat.
Die Frage ist, wie das funktionieren soll. Heute ist der Mensch gesund und meint, sich einen Selbstbehalt leisten zu können. Dann wird er krank und hat das notwendige Geld nicht. Müssen dann wir alle mit der Sozialhilfe dafür aufkommen?
Außerdem interessiert mich in diesem Zusammenhang die Rolle des Arbeitgebers. Dazu hätte ich von Ihnen gerne eine konkrete Antwort.
Noch etwas zur Wahlkampfrede unseres Ministers: Sehr geehrter Herr Minister, die Zufuhr zusätzlicher finanzieller Mittel löst die Herausforderungen der Zukunft nicht. Sie kennen die Studien. Sie wissen, dass wir mit einem hohen Mitteleinsatz pro Kopf der Bevölkerung am Gesundheitswesen beteiligt sind. Fast jede neunte Mark geht pro Kopf der Bevölkerung ins Gesundheitswesen. Das ist im Vergleich mehr als in allen anderen europäischen Ländern.
Vor uns liegen nur die USA und die Schweiz. Folglich muss ich sagen: Wir haben genügend Geld im System. Das ist die Konsequenz. Wir müssen die Qualität verbessern, und wir müssen Strukturveränderungen auf den Weg bringen. Das tun wir erfolgreich.
(Zuruf von der CDU: Wo denn? Abg. Dr. Lasot- ta CDU: Was machen Sie gegen den Ärztemangel im Krankenhaus?)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die konkrete Frage der Frau Kollegin Haußmann eine
konkrete Antwort. Sie haben den Selbstbehalt angesprochen, dass ich also einen Tarif wählen kann mit einem Selbstbehalt von, sagen wir, 500 DM. Sie wissen, dass ich den nur einmal im Jahr habe. Sie wissen wahrscheinlich, wie private Versicherungen agieren.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ich will wissen, wie diese Wahltarife in der Praxis funktionieren sol- len!)
In der Praxis soll das folgendermaßen funktionieren: Jedem soll ein Basismodul angeboten werden, mit dem alles, was medizinisch notwendig ist, gewährleistet ist. Aber Dinge, die nach allgemeiner Übereinstimmung nicht unbedingt zwingend medizinische Leistungen sind
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer legt diese Din- ge fest? Gegenruf des Abg. Alfred Haas CDU: Die Kassen!)
Das muss im Konsens zwischen Politik, Krankenkassen und Ärzten festgelegt werden. Das kann keiner allein machen. Dafür gibt es Ansätze, es gibt Konzepte, übrigens auch aus Ihrer Partei. Das sollten Sie wissen.
Ich will es auf den Punkt bringen. Wir reden von Solidarität, und Sie tun bei unseren Konzepten immer so, als wollten wir alles dem ungeregelten Markt übergeben. Im Kernbereich
wollen wir die Solidarität erhalten. Echte Solidarität heißt, dass diejenigen, die leistungsfähig sind, über Selbstbehalte und Eigenbeteiligungen ein Stück weit die Kosten selber tragen, während der, der wirklich bedürftig ist, alles solidarisch finanziert bekommt.
Wie sieht Ihre Solidarität aus? Die sieht so aus, dass Sie sagen: Jawohl, liebe Leute, ihr kriegt alles zum Nulltarif.
Jeder weiß aber, dass vor Ort die Kosten gedeckelt sind, sodass verschiedene Menschen, die sich nicht wehren können, bestimmte Leistungen nicht mehr bekommen.
Ich will es noch konkreter machen. Es ist ja schon passiert, dass Herzoperationen und ähnliche Dinge aufgrund von Budgetzwängen nicht mehr durchgeführt werden konnten.
Da frage ich Sie: Was ist solidarischer? Wir sagen nicht, wir wollten die von manchen in dreijährigem Turnus wahrgenommene reine Vorsorgekur allen zum Nulltarif anbieten und dafür eine wichtige Herzoperation aufs nächste Jahr verschieben, und wir sagen auch nicht: Vielleicht ist der Patient sowieso schon ein bisschen alt, und wir machen die Operation nicht mehr.
Das ist der Unterschied zu Ihrer Scheinsolidarität, die den Leuten vormacht, alles sei solidarisch abgesichert, was aber in der Realität nicht funktioniert. Darum kommen Sie einfach nicht herum.
Jetzt die letzte Bemerkung das ist auch der eigentliche Grund, weshalb ich noch einmal ans Rednerpult gegangen bin :
Die Kollegin Lösch hat den Ärzten Frau Haußmann, wollen Sie noch eine Zwischenfrage stellen? Dann verlängern wir das Ganze noch.
Denn dann müssen sich die Leute irgendwann entscheiden, was echte Solidarität ist und wo eine Scheinsolidarität vorgegaukelt wird,