Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Dienstlich verhindert ist der Minister und Bevollmächtigte des Landes Baden-Württemberg beim Bund, Herr Köberle, und heute Vormittag Herr Finanzminister Stratthaus.
Meine Damen und Herren, eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e finden Sie auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu.
1. Mitteilung des Rechnungshofs vom 18. März 2002 Organisation und Arbeitsweise der Veranlagungsstellen bei den Finanzämtern Drucksache 13/853
2. Antrag der Landesregierung vom 20. März 2002 Zugehörigkeit von Mitgliedern der Landesregierung zu Organen wirtschaftlicher Unternehmen Drucksache 13/893
3. Mitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 3. April 2002 Gemeinschaftsaufgabe Ausbau und Neubau von Hochschulen Anmeldungen des Landes zum 32. Rahmenplan nach dem HBFG Drucksache 13/896
Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst und federführend an den Finanzausschuss
Herr Kollege Blenke, Sie haben heute Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Sie alle wissen, dass wir im Präsidium für den heutigen und den morgigen Sitzungstag keine festen Redezeiten festgelegt haben. Dies soll ein Versuch sein, die Debatten etwas lebendiger zu gestalten. Dieser Absicht sollte nicht dadurch entgegengewirkt werden, dass die Redezeiten insgesamt länger werden.
Um eine Grundlage für die anschließende Bewertung zu haben, wollen wir die tatsächlichen Redezeiten festhalten.
Verstehen Sie das bitte nicht als Kontrolle des Einzelnen, sondern nur als Grundlage für die spätere Debatte darüber, ob wir dies so beibehalten können oder eine andere Regelung finden sollten.
Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung Zukunft der stationären Altenpflege in Baden-Württemberg Drucksache 13/233
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Niemand ist gerne auf die Hilfe anderer angewiesen. Wir leben in einer Gesellschaft, die den Individualismus verehrt und die Selbstverwirklichung des Einzelnen oft genug an die erste Stelle setzt. Kein Wunder also, dass jede Einschränkung des persönlichen Lebenskreises als Zumutung empfunden wird, erst recht, wenn man pflegebedürftig und gebrechlich wird.
Den meisten bleibt das zum Glück erspart. Medizinischer Fortschritt und die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse haben dazu geführt, dass die meisten bis weit über ihr 70. Lebensjahr hinaus unabhängig und gesund sind. Aber einen Teil trifft es eben doch. Man könnte hier im Saal durchzählen: Jeder 13. wird irgendwann nach seinem 60. Geburtstag zum Pflegefall. Derjenige, den es nicht selbst trifft, erlebt Pflegebedürftigkeit oft bei Angehörigen. Schon heute sind in Deutschland schätzungsweise 8 Millionen Menschen Teil des Pflegebereichs: als Pflegende oder als Gepflegte.
Das bedeutet, dass uns dieses Thema alle angeht. Gerade weil das so ist, ist es besonders zynisch, wie die Landesregierung mit den Ängsten und Hoffnungen der Menschen umgeht.
Was wurde im Wahlkampf nicht alles versprochen! Die Fördermittel für Pflegeheime wolle man ab dem Jahr 2002 um 50 % aufstocken. Tatsächlich sind es für das Jahr 2002 gerade einmal 37 % und für das nächste Jahr knapp 45 % geworden. Und selbst das wurde nur mit Hängen und Würgen erreicht. Der Sozialminister hat sich sogar gezwungen gesehen, einen Brief an die Koalitionsabgeordneten zu schreiben, damit er mit seinen Forderungen in den Haushaltsberatungen nicht untergeht.
Da zeigt sich vor allem eines: Auch für soziale Selbstverständlichkeiten muss man bei CDU und FDP/DVP schon massiv werben, damit sie überhaupt Beachtung finden.
Die eigene Zielmarke von 63 Millionen für den Bau von Altenpflegeheimen hat die Regierung deutlich verfehlt: in diesem Jahr um 5,5 Millionen und im Jahr 2003 um 2,5 Millionen . Auch in den nächsten Jahren geht das so weiter. Bis 2005 werden wir so eine Finanzierungslücke von insgesamt 20 Millionen haben. Das Fazit für die Regierung: Versprechen gebrochen, Pflegemisere vorprogrammiert.
Das allein wäre schon traurig genug. Noch trauriger aber wird es, wenn man hinzufügt, von welch niedrigem Niveau aus wir starten. Zwischen 1997 und 2001 wurden die Mittel für Pflegeheime von umgerechnet 57 Millionen auf 45 Millionen zusammengestrichen.
Eine fatale Entwicklung: Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst und wächst, während die Regierung immer noch damit kämpft, ihre verheerenden Mittelkürzungen der letzten Jahre auszugleichen.
Es ist unstrittig, meine Damen und Herren, dass wir in den nächsten zehn Jahren 10 000 zusätzliche Pflegeplätze brauchen. Mit dem Geld, das die Regierung dafür in die Hand nimmt, ist das nicht zu schaffen. Bis heute gibt es nicht einmal in Ansätzen ein Konzept des Sozialministeriums für die Schaffung dieser neuen Plätze. Das hat auch die Antwort auf die Große Anfrage gezeigt, auf deren Grundlage wir heute hier diskutieren. Dort kann man nachlesen: Die Landesregierung wird sich ich zitiere weiterhin bemühen, eine sachgerechte Mittelausstattung für die Investitionsförderung von Altenhilfeeinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Damit hat sich die Regierung selbst ein miserables Arbeitszeugnis ausgestellt, denn der entscheidende Satz darin lautet: Sie hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden.
Dass man die Anforderungen auch erfüllen kann, zeigt das neue Heimgesetz. Die Bundesregierung hat hier in ihrem Zuständigkeitsbereich die Hausaufgaben gemacht. Das neue Heimgesetz bietet den Bewohnern nun wesentlich mehr Schutz und Mitbestimmung allerdings nur, wenn die Bundesländer es auch umsetzen.
Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, wird dazu nicht in der Lage sein. Für die Kontrolle der über 950 Heime im Land stehen der Heimaufsicht nur 32 Vollzeitstellen zur Verfügung. Damit sind lediglich Überwachungsintervalle von zwei Jahren zu schaffen. Als oberste Heimaufsichtsbehörde ist das Sozialministerium verpflichtet, das zu ändern. Aber außer lauwarmen Appellen an die Stadt- und Landkreise ist bisher nichts geschehen. So ist das eben: Der Bund liefert bessere Kontrollmöglichkeiten, das Land
stimmt diesen im Bundesrat sogar zu, aber vor Ort wurstelt man einfach weiter wie bisher zulasten von so manchem Heimbewohner.
Die Mangelwirtschaft hat damit allerdings noch kein Ende. Derzeit können nach Schätzungen landesweit 500 bis 1 000 Fachkraftstellen nicht besetzt werden. In der Zukunft wird das nicht besser werden. An den Altenpflegeschulen sind die Schülerzahlen stagnierend bis rückläufig. Im Vergleich zu 1997 wurden im Jahr 2001 360 Schüler weniger unterrichtet. Das ist ein Rückgang um 5 %. Demgegenüber wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2010 um 26 000 ansteigen. Das bedeutet, dass wir in den nächsten zehn Jahren im stationären Pflegebereich zusätzlich 4 000 Vollzeitstellen schaffen müssen.
Die Rahmenbedingungen dafür, Menschen für Pflegeberufe zu begeistern, sind allerdings nicht gut. Gründe hierfür liegen unter anderem auch in der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Baden-Württemberg.
Das ist deshalb ausschlaggebend, weil 80 % der im Pflegeberuf Tätigen Frauen sind. Da rächt sich, dass die Landesregierung jahrelang aus ideologischen Gründen nichts für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan hat.
Karriere im Pflegeberuf ist natürlich wie auch anderswo nur durch Weiterbildung möglich. Trotzdem wurden die landesrechtlichen Weiterbildungsregelungen erst Ende 2000 erlassen, obwohl die gesetzliche Ermächtigung bereits seit 1989 vorliegt. So, Herr Repnik, verbessert man die Qualifizierung der Pflegeberufe nicht.
Auch bei den Hochschulstudiengängen sieht es dürftig aus. Gerade einmal 100 Studienplätze pro Jahr gibt es im Bereich Pflege im Land. Damit ist das Angebot in diesem Fachgebiet völlig unterentwickelt. Auch die Landesregierung selbst räumt übrigens ein, dass an den Hochschulen mehr ausgebildet werden sollte. Dem folgt aber sofort der Hinweis auf die schlechte Haushaltssituation des Landes. Das Tragische dabei ist: Über die Landesstiftung wird zwar mit 1 Million eine Qualifizierungsoffensive finanziert, viele andere wichtige Dinge in der Pflege, wie zum Beispiel die Einrichtung von mehr Hochschulplätzen, bekommen aber kein Geld, denn das lässt die verfehlte Stiftungskonstruktion des Landes nicht zu.
Fazit: Die Rahmenbedingungen für Pflegeberufe sind im ganzen Land einfach schlecht. Wir haben zum einen ein Nachwuchsproblem und zum anderen eine hohe Personalfluktuation. Das liegt nicht in erster Linie an der Bezahlung, sondern auch am Image der Pflegeberufe. Letzteres will die Landesregierung nun durch eine Imagekampagne aufpolieren. Die kommt nun aber schon seit Monaten nicht
in die Gänge. Noch im letzten Herbst hat das Land bei der Krankenhausgesellschaft und der Liga nach Geldern für die geplante Imagekampagne gesucht. Da hätte die Kampagne eigentlich schon starten sollen, so jedenfalls die Ankündigung des Sozialministers. Das Einzige aber, was bisher läuft, sind ein Werbebrief an die Realschulabgänger und eine Internetseite.
Sollte die Kampagne aber doch irgendwann einmal in Gang kommen und sogar erfolgreich sein, was wir uns im Sinne unserer alten Menschen in diesem Land wirklich wünschen, müsste eigentlich die Zahl der Auszubildenden wieder nach oben gehen. Dann haben wir aber schon wieder das nächste Problem. In der Pflege ist es wie überall: Wer ausbildet, hat mehr Kosten als der, der es nicht tut. Seit dem Ende der Umlagefinanzierung hangeln wir uns jedes Jahr von einer freiwilligen Vereinbarung zur anderen. Das kann kein Dauerzustand sein. Deshalb schließt sich die SPD-Fraktion den Aufforderungen des Landesarbeitskreises Pflegeberufe an, der da sagt ich zitiere :
Das Land wird durch die freiwillige Umlage nicht aus der Verantwortung entlassen, baldmöglichst für eine verbindliche Regelung zu sorgen.