(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Aber darüber sind wir uns doch einig, dass das ein Problem ist, Herr Minister!)
Das heißt, der einzelne Lkw wird besser, aber die Summe der Lkws ist das Problem, um es einmal ganz einfach zu sagen.
Man sollte bei der ganzen Diskussion auch eines klar zu erkennen geben: Wer arbeitsteilige Wirtschaft will, wer die Entwicklung der ländlichen Regionen will, wer Wachstum und Wohlstand will, kommt am Güterverkehr nicht vorbei. Das ist nicht etwas, was für sich genommen ein Problem ist, sondern die Konditionen, unter denen der Verkehr abgewickelt wird, sind das Problem.
Deswegen will ich einmal eine kühne und vielleicht ungewöhnliche These aufstellen. Diese heißt: Wir werden diesen Trend nicht brechen, und wir sollten uns dazu bekennen. Das Ziel, das wir angenommen haben, übrigens auch noch im alten Bundesverkehrswegeplan von 1992, dass wir wesentliche Anteile oder wenigstens das Wachstum des Güterverkehrs auf die Schiene verlagern können, ist nicht
haltbar. Die Fakten sagen uns schlicht etwas anderes. Ich halte es für witzlos, an Zielen festzuhalten, die nicht realisierbar sind.
Ich würde aber daraus eine ganz andere Konsequenz ableiten als die, die Sie vielleicht vermuten. Ich sage nicht: Ich lege deswegen die Hände in den Schoß. Ich nenne gleich die Konsequenz. Man muss sich nur zunächst darüber im Klaren sein: Wollen wir die Fiktion überhaupt noch aufrechterhalten, die DB oder welches Eisenbahnunternehmen auch immer stärker ins Geschäft zu bringen? Stärker ja, aber nicht in dem Sinne, dass wir die Verkehrsanteile wirklich verlagern könnten oder dass wir erreichen könnten, dass wenigstens das Wachstum über die Schiene abgewickelt wird. Ich sage das jetzt einmal in Zahlen.
Herr Minister Müller, Ihre Aussage, dass der Trend nicht zu brechen ist, hat mich insofern überrascht, als ich aus der Schweiz gegenteilige Zahlen kenne.
Ich frage Sie: Glauben Sie nicht, dass der Trend durch eine Übernahme des Modells der Schweiz, das heißt einer sehr hohen Lkw-Maut, kombiniert mit einer vollständigen Investition der Erlöse in den Ausbau der Schieneninfrastruktur, zu brechen wäre?
Das muss man einfach sehen. Außerdem haben wir natürlich wesentliche strukturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik.
Jetzt nenne ich einmal nur die Zahlen. Man muss das einfach einmal auf sich wirken lassen. Im Jahr 1992 ist der Bundesverkehrswegeplan aufgestellt worden. Damals haben wir aus einer Mischung von Prognose und Zielsetzung es ist immer schlecht, wenn man diese beiden miteinan
der vermischt; man sollte an sich einerseits sagen, was wohl kommt, und andererseits sagen, was man will; wenn man das aber kombiniert, dann macht man sich selbst etwas vor gesagt, dass wir im Jahr 2010 einen Straßenverkehrsanteil von 238 Milliarden Tonnenkilometern haben werden. Im Jahr 2000 also zehn Jahre zuvor; das haben wir schon hinter uns lagen wir bereits bei 349 Milliarden Tonnenkilometern. 238 Milliarden Tonnenkilometer sind für 2010 prognostiziert, und tatsächlich hatten wir bereits im Jahr 2000 349 Milliarden Tonnenkilometer.
Bei der Schiene war es genau umgekehrt. Prognostiziert waren 194 Milliarden Tonnenkilometer, und tatsächlich sind im Jahr 2000 gerade 76 Milliarden Tonnenkilometer erreicht worden, das heißt, weniger als die Hälfte.
Diesen brutalen Wahrheiten muss man schlicht einmal ins Auge blicken, um dann von daher festzustellen: Diesen Trend werden wir nicht stoppen.
Ich schließe daraus aber jetzt etwas ganz anderes. Natürlich freue ich mich über jede Tonne, die auf die Schiene kommt. Das ist überhaupt keine Frage.
Das ist nicht nur eine Frage der Freude, sondern das beinhaltet auch, dass man etwas dafür tun muss.
Aber die andere Konsequenz, die ich ableite, heißt: Wir müssen den Lkw-Verkehr, wenn wir ihn schon nicht stoppen können, verträglich machen.
Das ist die eigentliche Zielsetzung, vor der wir heute stehen, glaube ich. Wir müssen das verträglich machen, und zwar durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die dem Speditionsgewerbe, soweit es auf den Lkw setzt, natürlich samt und sonders nicht sonderlich schmecken. Das ist völlig klar. Aber ich muss an der Realität ansetzen.
Jetzt sage ich Ihnen einmal: Das gilt in Bezug auf Normen und Vorgaben, und zwar auf europäische und deutsche Vorgaben im Hinblick auf den Kraftstoffverbrauch, im Hinblick auf die Schadstoffemissionen, auf die Lärmemissionen. Das gilt natürlich auch bezüglich eines grundsätzlichen Ja zur Lkw-Maut. Dies hat schon Wissmann vertreten; dies haben wir nie anders gesehen.
Das gilt für relativ scharfe Kontrollen. Das gilt für die Forderung, keine Tonnenerhöhung auf den Straßen zuzulassen, weil die Straßenkörper unglaublich belastet werden. Das gilt auch für verkehrslenkende Maßnahmen. Es gilt zum Teil für Verkehrsverbote, und es gilt mit Blick auf
Überholverbote auf den Autobahnen. Das alles sind restriktive Maßnahmen, die ich vornehmen muss, um die Explosion des Lkw-Verkehrs noch in irgendeiner Weise verträglich zu bewältigen.
Das gilt übrigens auch für positive Angebote. Ich nenne einmal die Citylogistik. Das gilt für die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, damit wenigstens moderne Lkws in Deutschland fahren und nicht die Schrottlaster, die zum Teil aus anderen Ländern bei uns unterwegs sind. Das gilt für die Verbesserung der Auslastung der Lkws durch entsprechende logistische Systeme.
Es bleibt uns also eine ganz nüchterne Feststellung: Wir brechen den Trend nicht. Wir müssen mit dem Trend leben und müssen versuchen, den Trend abzuarbeiten und verträglich zu machen.
Jetzt komme ich zu den Verantwortlichkeiten, was den Schienengüterverkehr anbelangt. Sie liegen auf der Hand. Man kann sie im Grundgesetz nachlesen. Ich sage Ihnen einmal ganz simpel: Für den Schienengüterverkehr, für die Schieneninfrastruktur, für die Bundeswasserstraßen und für die Binnenschifffahrt ist nach den Artikeln 87 e und 89 des Grundgesetzes der Bund zuständig.
Daneben gibt es natürlich das Kind des Bundes, sprich das zu 100 % im Eigentum des Bundes befindliche Unternehmen DB. Dessen Geschäftspolitik kommt dazu. Wir wissen, welche Geschäftspolitik die DB macht: MORA C. Das heißt: marktorientiertes Angebot C steht für Cargo in Bezug auf den Güterverkehr. Hier wird massiv gestrichen. Darauf haben wir keinen Einfluss.
Wenn ich an den Ausbau der Bundeswasserstraße Neckar denke, dann muss ich feststellen: Da geschieht verdammt wenig.
Die Güterverkehrspolitik der Deutschen Bahn genügt ausschließlich betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Jetzt kann man sagen: Das ist der Fluch der Tat, die ihr in Gang gesetzt habt. Wer das Unternehmen in die Privatwirtschaft entlässt, darf sich nicht wundern, dass es im Anschluss an diese Maßnahme privatwirtschaftlich handelt. Das ist ein Stück weit richtig.
Aber ich greife da schon den Gedanken, den Frau Berroth genannt hat, auf und drücke das einmal in einer sehr pointierten politischen These aus. Sie lautet: Ich halte es für einen Fehler, dass sich die Deutsche Bahn vornimmt, innerhalb weniger Jahre börsenfähig zu werden. Es ist ein Unterschied, ob ich langfristig Unrentables abbaue oder ob ich kurzfristig zu erreichen versuche, börsenfähig zu wer
den, das heißt so zu wirtschaften, dass sich eine durchschnittliche Rendite ergibt, die für den Aktienkäufer von Interesse ist.