Protocol of the Session on March 7, 2002

Klar ist auch, dass die Maßnahmen viel Geld kosten. Aus dem Etat des Landes kommen dafür 11,6 Millionen und aus dem des Kultusministeriums noch einmal rund 31 Millionen. Ich nenne auch die neuen Projekte, die vom Innenministerium angedacht worden sind und die sogar Sie, Frau

Bauer, als innovativ bezeichnen; Stichworte: Eingliederungslotse, Eingliederungsvereinbarung für Spätaussiedler. Ich könnte auch die Sucht- und Gewaltprävention bei jugendlichen Spätaussiedlern nennen, wo man dringend etwas tun muss, spezielle Projekte für Mädchen und Frauen, Sprachkurse für Aussiedler von 27 bis 30 Jahren, Integrationskurse, die wir für Ausländer in 27 Kommunen im Land anbieten.

Mich ärgert jedoch, dass der Bund die große Aufgabe der Integration und der Vermittlung der deutschen Sprache weitgehend den Ländern und den Kommunen überlässt.

(Beifall bei der CDU Abg. Wieser CDU: Bestel- len und nicht bezahlen!)

Ich empfinde es als sehr trickreich, zu verkünden, dass die Geschichte mit dem neuen Zuwanderungsgesetz gesetzlich geregelt wird. Das haben Sie ja toll herausgestellt, und das hört sich auch gut an: gesetzlich geregelt. Wenn man jedoch genauer hinschaut, was zugegebenermaßen nicht viele tun, dann stellt man fest, dass die Integrationsmaßnahmen für den neu hinzugekommenen Personenkreis durch entsprechende Kürzungen bei den bisherigen Personengruppen bei Spätaussiedlern, Kontingentflüchtlingen, Asylberechtigten und seit über drei Jahren in Deutschland lebenden Ausländern finanziert werden.

(Abg. Kübler CDU: Aha! Das ist ja toll!)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Jugendlichen, die bisher einjährige Kurse mit 35 bis 40 Wochenstunden zur Vorbereitung für eine Berufsausbildung bekommen, bekommen jetzt nur noch halbjährige Kurse mit 25 Wochenstunden.

(Abg. Wieser CDU: Ein Skandal ist das!)

Dadurch werden die sprachlichen Voraussetzungen für deutsche Schulabschlüsse und qualifizierende Berufsausbildungen nicht mehr vermittelt. Bisher wurden Computer-, Berufskunde- und Mathematikunterricht gefördert, jetzt nicht mehr. Berufsorientierende Sprachkurse wurden gestrichen. Die bisher gewährte Übernahme der Kosten für die erforderlichen Lehrbücher und Lernmittel und der Fahrtkosten zum Unterricht ist nicht mehr vorgesehen. Das alles ergibt sich aus dem Zuwanderungsgesetz. Haben Sie das nicht gewusst? Doch! Sie schweigen so.

(Abg. Inge Utzt SPD: Ich komme noch darauf zu- rück, Herr Heinz! Keine Sorge!)

Der Bundestag hat ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet, das hinsichtlich der Integration viel schlechter ist als der bisherige Entwurf dieses Gesetzes.

(Abg. Birzele SPD: So reden Sie über das Zuwan- derungssteuerungsgesetz! Das gehört doch gar nicht zum Tagesordnungspunkt! Gegenruf des Abg. Wieser CDU: Herr Abg. Heinz hat das Wort, nicht der Kollege Birzele! Abg. Birzele SPD: Oder der Herr Wieser!)

Der Umfang der Sprachförderung ist nur noch auf dem Verordnungswege festzulegen, also quasi dem Rotstift des Finanzministers unterworfen.

Liebe Frau Utzt, Sie haben Recht, wenn Sie am Schluss der Begründung zu Ihrem Antrag vom 8. November 2001 schreiben:

Qualifizierung, Zuwanderung und Integration müssen in einem Zusammenhang betrachtet werden.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat dies beim Zuwanderungsgesetz leider nicht getan. Man hat die Zuwanderung erleichtert und gleichzeitig die Mittel für die Integration gekürzt. Sauber!

(Abg. Birzele SPD: Wir reden doch über die Re- gierungserklärung, Herr Kollege!)

Diese Integrationspolitik wird wohl kaum zu den Ergebnissen, die Sie sich in der Begründung Ihres Antrags wünschen,

(Abg. Birzele SPD: Sie haben doch die Verbin- dung vorhin abgelehnt!)

und wohl auch nicht zu der von Ihnen gewünschten breiten Akzeptanz in der Bevölkerung führen.

(Abg. Birzele SPD: Das ist die Rede zum Tages- ordnungspunkt 5! Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie müssen nachher wiederkommen; Sie haben sich zu früh gemeldet!)

Aber vielleicht haben die Berliner Zuwanderungsexperten der SPD und der Grünen auch gedacht: Den Rest werden schon die Länder und Kommunen machen. Allein dieser Verschiebebahnhof wäre schon Grund genug, das Zuwanderungsgesetz abzulehnen.

(Beifall bei der CDU Abg. Seimetz CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Utzt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen, Herr Innenminister, dafür, dass Sie die Leistung unserer Mitbürger ohne deutschen Pass und ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes würdigen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das war selbstverständ- lich!)

Aber ich muss doch etwas zu Ihrer Bemerkung über den Sozialhilfebezug sagen. Sie war statistisch unsauber, weil sie nicht die vergleichbare Bevölkerungsgruppe berücksichtigt, sondern von den absoluten Zahlen ausgeht. Lassen Sie sich das einmal von einem richtigen Statistiker erklären!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen Abg. Capezzuto SPD: Unerhört! Abg. Wieser CDU: Jetzt erklären Sie uns das doch bitte, damit wir es endlich wissen! Abg. Drexler SPD: Wieser! Abg. Wieser CDU: Erklären Sie uns das doch!)

In einer zweiten Runde können wir darauf vielleicht zurückkommen, Herr Wieser.

(Abg. Birzele SPD: Man muss auch lernfähig sein! Abg. Wieser CDU: Jawohl, ich bin bereit!)

Übrigens bin ich, Herr Wieser, eine Verehrerin von Michel de Montaigne. Er hat gesagt: Die ersten Plätze sind nicht immer mit den hellen Köpfen besetzt.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und Abgeord- neten der Grünen Abg. Pfister FDP/DVP zu Abg. Drexler SPD: Warum klatscht du da jetzt? Abg. Drexler SPD: Bei uns stimmt das nicht! Abg. Wieser CDU: Wer keine Antwort weiß und nur mit Angriffen reagiert, hat ein Problem! Abg. Drexler SPD: „Nicht immer“! Abg. Seimetz CDU: Drexler, Birzele! Weitere Zurufe Unru- he)

Herr Innenminister, Sie erkennen die Notwendigkeit von Integrationsmaßnahmen an. Bis hierhin sind wir noch einer Meinung. Wir erkennen die Integrationsbemühungen der Landesregierung durchaus an und begrüßen sie nachdrücklich.

Aber hier beginnen die Unterschiede wir tragen die Verantwortung nicht nur für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir zu tun unterlassen, sagt ein schwedisches Sprichwort. Tun wir wirklich das Notwendige?

Im Bericht der „Zukunftskommission Gesellschaft 2000“ wird gefordert, Baden-Württemberg zu einer Modellregion des Zusammenlebens von Menschen verschiedener Herkunft zu gestalten. Bei dem, was Sie uns vorgetragen haben, ist der Modellcharakter nur in Ansätzen vorhanden. Sie wollen gegensteuern und Fehlentwicklungen stoppen, weil Sie sozialen und politischen Sprengstoff befürchten. Sie wollen keine Modellregion schaffen.

In der Koalitionsvereinbarung haben sich die Regierungsfraktionen ausdrücklich das Miteinander der Menschen verschiedener Herkunft auf die Fahne geschrieben. Da ist es schon verwunderlich, dass Sie erst heute, und zwar nach mehreren Anträgen aus den Fraktionen, die Integration zum Thema einer Regierungserklärung machen.

Wir begrüßen übrigens auch Ihren Ansatz, Spätaussiedler und Ausländer bei dem Thema Integration gemeinsam ins Auge zu fassen; die SPD-Fraktion verfolgt dies seit geraumer Zeit. Gemeinsam ist beiden die Migrationserfahrung, die wichtiger ist als der Pass.

Sie, Herr Innenminister, sagen: Statt Parallelgesellschaften brauchen wir ein gedeihliches Miteinander. Wir wollen keine Assimilation, wir müssen aufeinander zugehen. Integration ist keine Einbahnstraße.

So sehen wir es auch. Aber wer Integration einfordert, muss auch Integrationsangebote machen. Wir müssen ein Klima schaffen, in dem alle Menschen, gleich welcher Herkunft, sich aufgenommen und akzeptiert fühlen.

Ist es denn so schwer, die Bereicherung anzuerkennen, die wir durch unsere ausländischen Mitbürger und Mitbürgerinnen erfahren haben, statt stets von einer Belastung zu sprechen? Für denjenigen, der als gesellschaftliche Belastung verstanden wird, ist es nur ein kleiner Schritt, tatsächlich dazu zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Pfeiffer-Studie, die sich mit der Delinquenz Jugendlicher auseinander gesetzt hat, belegt eindeutig, dass diejenigen, die sich von der Gesellschaft, in der sie leben, nicht akzeptiert fühlen, die Normen dieser Gesellschaft auch nicht anerkennen. Eine gescheiterte Integration fördert Gewalt.

Gestern Abend hat sich der Internationale Ausschuss der Landeshauptstadt Stuttgart wieder einmal mit der so genannten Kriminalität von Ausländern befasst, und der Tenor war, dass sie keine Frage der Herkunft ist, sondern der Integration bzw. der mangelnden Integration.

In Ihrer Presseerklärung vom 26. Februar nebenbei, Herr Innenminister: wo war da eigentlich der Ausländerbeauftragte der Landesregierung?

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Wer soll das sein?)

haben Sie Leitlinien vorgelegt, die Sie auch heute wieder vorgetragen haben. Die sind alle hehr und begrüßenswert. Nur hätte ich das gerne etwas konkreter: Was passiert wann, wo, mit welchem Partner? Wer finanziert es? Wo bleibt das Gesamtkonzept Integration, das sich an der projektierten Modellregion ausrichtet und nicht an einem Reparaturbetrieb?

Mit Recht haben Sie die Schlüsselstellung der deutschen Sprachkenntnisse für eine erfolgreiche Integration hervorgehoben. Wie steht es aber konkret mit der vorschulischen Vermittlung der deutschen Sprache? Wie werden die Erzieherinnen in die Lage versetzt, diese Aufgabe zu erfüllen?

Uns ist durchaus bekannt, dass von den Kindergartenträgern und ihren Dachverbänden Fortbildungsmaßnahmen angeboten werden. Aber wie können insbesondere in den Ballungsgebieten diese Angebote überhaupt wahrgenommen werden?

Wie so oft im Leben kommt es bei der Integration auf die Frauen an, die Mütter. Das Innenministerium hat einen Integrationskurs für bleibeberechtigte Ausländer konzipiert. Vielen Dank dafür. In der Landeshauptstadt wird er niederschwellig angeboten, das heißt vor Ort. Er wird nicht nur angenommen, sondern quasi überrannt. Er ist bei weitem nicht ausreichend. Dass die finanzielle Unterstützung des Landes auch nicht allzu üppig ist, wollen wir in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen hier schmücken Sie sich mit fremden Federn und auch, dass er eigentlich unzureichend ist. Er findet statt, wird mehr als angenommen, ist ausbaufähig und der Beweis dafür, dass die von der CDU geforderten Sanktionen für so genannte Integrationsunwillige überflüssig sind. Wenn Angebote da sind, werden sie auch wahrgenommen.

(Abg. Heinz CDU: Das glauben Sie ja selber nicht!)

In aller Munde ist die PISA-Studie. Herr Heinz, es ist billig, die schlechten Ergebnisse bei PISA den ausländischen Schülern zuzuschreiben.