Mein Appell ist deshalb: Nutzen Sie die Chance, in der Bundesratssitzung am 22. März 2002 den Forderungen der Kirchen gerecht zu werden. Stimmen Sie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu.
Sollten Sie das jedoch nach wie vor ablehnen, fordere ich Sie auf, bei all Ihren Angriffen gegen die Bundesregierung in diesen Punkten auch deutlich zu machen, dass Sie damit die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland und die Bischöfe in unserem Lande, die Bischöfe Saier, Fischer, Maier und Fürst, angreifen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für meinen Geschmack stehen beim Zuwanderungsgesetz zu viele taktische Fragen im Vordergrund, statt dass man nach einem Weg sucht, der die Zuwanderung in unser Land zukunftsfähig regelt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU Demonstra- tiver Beifall des Abg. Drexler SPD Abg. Drexler SPD: Sehr schön gesagt! Bundestagswahl!)
Die Strategie von Rot-Grün ist relativ einfach zu durchschauen: Man kommt den Forderungen der Union in einigen Punkten, die in der Öffentlichkeit leicht nachvollziehbar sind, nach; aber im Gegenzug wird über Ausnahmegenehmigungen der Zuzug von Ausländern tatsächlich ausgeweitet, um den grünen Koalitionspartner zufrieden zu stellen.
(Beifall bei der CDU Abg. Fleischer CDU: Ge- nau so ist es! Abg. Drexler SPD: Das stimmt doch gar nicht! Nicht gelesen! Abg. Carla Bre- genzer SPD: Nicht verstanden!)
Niemand wird verstehen, weshalb wir uns einerseits Zuwanderung von Fachleuten wünschen, andererseits jedoch im aktuellen, mit der Mehrheit von Rot-Grün im Bundestag
beschlossenen Zuwanderungsgesetz die Tür für Zuwanderung in die Sozialsysteme weiter öffnen. Bereits heute haben wir das Problem, dass die Arbeitslosigkeit unter den 7,3 Millionen in Deutschland lebenden Ausländern Stichtag Januar 2002: 20,2 % rund doppelt so hoch ist wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Die generelle Aufhebung des Anwerbestopps ist vor diesem Hintergrund für mich nicht nachvollziehbar.
Ich will einige Beispiele nennen. Das Absenken des Nachzugsalters auf zwölf Jahre, das Herr Birzele gerade angesprochen hat, ist im Prinzip eine Entscheidung, die wir mittragen könnten. Aber was passiert tatsächlich? Im vom Bundestag mehrheitlich beschlossenen Zuwanderungsgesetz wird über Ausnahmeregelungen der Nachzug von Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren zur Regel werden. Damit kommt die SPD eher den Vorstellungen der PDS und der Grünen näher, nicht aber denen der Union.
Jetzt will ich einmal einige Details herausgreifen. Schauen wir uns einmal an, wie die Spracherfordernisse geregelt sind. Bisher heißt es im Gesetz, im geltenden Recht: Beherrschen der deutschen Sprache. Im Koalitionsentwurf steht: ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Dann hat Rot-Grün im Bundestag noch einen Änderungsantrag eingebracht. Darin heißt es: beispielsweise Kenntnisse der deutschen Sprache. Daran mögen Sie erkennen, wie die Anforderungen stückweise reduziert werden.
Im Übrigen geht es nicht um das Zuzugsalter; es geht um das Nachzugsalter. Es geht also um das Lebensschicksal derjenigen ausländischen Kinder, die von ihren Eltern, in der Regel zur Vermeidung von Verwestlichung oder damit sie ihre Schulbildung in der Türkei oder in einem anderen Herkunftsland abschließen, zurückgeschickt werden, die danach wieder zu uns zurückkommen. Das ist aber nicht die Vorstellung, die wir von der CDU vom Wohl des Kindes und der Familie haben.
Ich will ein zweites Beispiel nennen. Ich persönlich habe nie verstanden, weshalb man vor einer endgültigen Entscheidung über einen Asylantrag nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland wie bei deutschen Mitbürgern erhöhte Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gewähren muss. Ich bin fest davon überzeugt, dass damit weitere Zuwanderungsanreize geschaffen werden, und zwar nicht für Menschen, die unsere Wirtschaft vielleicht benötigen würde,
Ein drittes Beispiel. Es gibt wir haben heute Morgen darüber gesprochen keine Sanktionen, wenn sich Zuwanderer weigern, an Integrations- oder Sprachkursen teilzunehmen. Offen bleibt, wer die hohen Integrationskosten tragen soll.
(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE Abg. Bir- zele SPD: Über die Hälfte der Bund! Das steht im Gesetz!)
Ich habe Ihnen heute Morgen erzählt, Herr Birzele, wie das läuft. Sie sparen woanders ein, um diese Kosten herauszuholen. Es wird alles schlechter.
Der Kanzler setzt darauf, dass sich diese Details für die Union nur schwer zur Profilierung eignen. Wenn er sich da nur nicht täuscht! Die Menschen erkennen sehr wohl, ob ein Zuwanderungsgesetz wirklich steuert und begrenzt
oder über Hintertüren und Ausnahmebestimmungen Anreize zur Zuwanderung schafft, die unserem Land nur Probleme bringen und Kosten verursachen.
Schon anhand dieser wenigen Punkte, die sich noch beliebig ergänzen ließen, können Sie unschwer erkennen, dass die Behauptung der Bundesregierung,
der Gesetzentwurf sei von den politischen Vorstellungen und Forderungen der Union nicht weit entfernt, falsch ist. Ganz im Gegenteil gibt es nicht nur marginale, sondern fundamentale Unterschiede zwischen diesem Gesetzentwurf und der Politik der Union, wie wir sie im Zuwanderungskonzept von Ministerpräsident Peter Müller festgelegt haben.
sondern weil dieses Zuwanderungsgesetz die Probleme unseres Landes nicht lösen, sondern eher verschärfen wird.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal vergisst man bei der differenzierten Argumentation, die wichtigsten Aussagen gleich am Anfang zu machen. Die wichtigste Aussage ist: Wir Liberalen wollen ein modernes, sachgerechtes Zuwanderungssteuerungs- und -begrenzungsgesetz.
(Zurufe von der CDU: Das wollen wir auch! Abg. Carla Bregenzer SPD: Da haben Sie den fal- schen Partner!)
Als die FDP-Fraktion im Bundestag als erste Fraktion schon 1998 ein Konzept vorgelegt hat, das sie dann im Jahr 2001 nach den Empfehlungen der Süssmuth-Kommission man höre noch einmal modifiziert und erneut eingebracht hat, war uns klar, dass man einen Gesetzentwurf der Oppo
sition wohl nicht annehmen wird. Aber ich sage einmal: Der jetzt vorliegende, von der rot-grünen Bundesregierung mehrfach veränderte Gesetzentwurf ist substanziell nicht so weit von dem entfernt, was wir wollen. Wir wollen nämlich vom Prinzip her, dass jetzt die historische Chance ergriffen wird, ein modernes Zuwanderungsbegrenzungsund -steuerungsgesetz hinzubekommen.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Witzel GRÜNE Abg. Capezzuto SPD: Dann stimmen Sie doch endlich zu! Abg. Birzele SPD: Die SPD klatscht, die FDP/DVP nicht!)
Wozu brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz? Wir dürfen nicht verkennen, dass in der Bevölkerung teilweise Ängste im Bereich der Zuwanderung geschürt worden und auch vorhanden sind.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer schürt denn die Ängste? Das müssen Sie einmal sagen! Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Schauen Sie dabei ein- mal Ihren Regierungspartner an!)
Ich stelle das doch nur fest. Die Hauptbegründung dafür, dass ich sage, wir brauchen ein Zuwanderungssteuerungs- und -begrenzungsgesetz, ist doch, dass ohne dieses Gesetz in der Vergangenheit all das passiert ist, was wir beklagen: eine mangelhafte Integration, weil wir nicht dafür gesorgt haben und teilweise ein Stück weit auch die Augen davor verschlossen haben. Schon allein das wäre Begründung genug.
Aber, Herr Birzele, auch wenn Sie und ich noch viele gute Argumente bringen könnten, fürchte ich, dass wir in diesem hohen Haus heute niemanden mehr wesentlich umstimmen werden.
(Abg. Scheuermann CDU: So ist es! Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wir wollen auch abstimmen und nicht umstimmen!)
Wenn es die Kirchen, die Gewerkschaften und die Wirtschaftsverbände nicht geschafft haben, einen wichtigen Teil des Koalitionspartners umzustimmen, dann werden wir es wohl auch nicht schaffen.
Wenn wir wollen, dass dieses Zuwanderungsgesetz Realität wird, dann müssen wir leider so sage ich jetzt einmal taktisch überlegen: Wie können wir das erreichen?
Wir respektieren, dass ein Teil jedenfalls ein wichtiger Teil des Koalitionspartners nicht bereit ist, dem Zuwanderungsgesetz in dieser Form zuzustimmen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass auch die FDP an der einen oder anderen Stelle noch deutliche Verbesserungswünsche hat.