Protocol of the Session on March 7, 2002

Wer sich dies alles vor Augen hält aufgrund der Kürze der Redezeit war es bestenfalls möglich, ein Drittel der Absonderlichkeiten dieses Falls offen zu legen ,

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Hätten Sie schneller ge- sprochen!)

der muss zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um eine Orgie von Untätigkeit und Schlamperei gehandelt haben muss und um geradezu unglaubliche Zufälligkeiten. Wer sich beispielsweise vor Augen hält, dass 50 Leute von diesem ersten Muster FlowTex bei Fibertex Kenntnis hatten 50 Leute! , und uns dann mitgeteilt wird, 1996 hätten aber die, die damals ermittelt haben, davon nichts gewusst, als ob es üblich wäre, dass in den Akten von Staatsanwaltschaften andere Ermittlungsverfahren nicht mehr erwähnt werden

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, würden Sie bitte zum Ende kommen!

(Abg. Kübler CDU: Jetzt ist es aber Zeit! Time out!)

Ja, Frau Präsidentin.

Wer sich das alles vor Augen hält, muss entweder zu dem Ergebnis kommen,

(Abg. Kübler CDU: Time out!)

dass dies durch eine Orgie von Untätigkeit und Schlamperei in diesem Land möglich war, oder er muss zu dem Er

gebnis kommen, dass andere Dinge möglich waren. Wir werden sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir werden sehen!

Aber eines sage ich Ihnen: Es gibt im Volksmund den Satz leider : Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen hängt man.

(Zuruf des Abg. Rech CDU)

Wenn Sie nicht mit uns dafür sorgen, dass dieser Eindruck in diesem Land beseitigt wird, und wenn Sie nicht dafür sorgen, dass geklärt wird, warum solche Leute zehn Jahre lang ihre Machenschaften unter den Augen der Behörden entwickeln konnten, ohne dass eingegriffen wurde, dann versäumen Sie Ihre Pflichten gegenüber dem Rechtsstaat.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dederer.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maurer hat gerade schon ausführlich dargestellt, dass man nicht grundlos einen Untersuchungsausschuss beantragt, und man beantragt einen Untersuchungsausschuss auch sicher nicht zum Vergnügen und einfach so.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Das sollte man mei- nen!)

Ich kann von uns sagen, dass wir uns redlich bemüht haben, die ganzen Vorkommnisse ohne einen Untersuchungsausschuss zu klären. Wir haben uns in den letzten Monaten intensiv mit FlowTex beschäftigt. Wir haben zahlreiche Anfragen gestellt, und die Antworten, meine Damen und Herren, brachten schockierende Erkenntnisse. Ich möchte Ihnen einige in Erinnerung rufen; Kollege Maurer hat schon auf ein paar hingewiesen. Ich möchte Ihnen einiges in Erinnerung rufen, was vorgefallen ist. Es gibt ja fast wöchentlich Schlagzeilen zum Thema FlowTex, und da vergisst man das eine oder andere, das schon etwas weiter zurückliegt.

Beispielsweise hat Manfred Schmider seinen Insolvenzverwalter besucht und mit ihm natürlich außerhalb der Haftanstalt fürstlich diniert. Sein Anwalt hat sich Zugang zu Räumen der Sonderkommission verschafft; auch das blieb juristisch ohne Folgen. Es gab 1997 zwei eingestellte Ermittlungsverfahren. Da wurde genau wegen der Tatbestände ermittelt, wegen der die Schmider-Brüder gerade in Haft sitzen. Damals wurden die Verfahren eingestellt.

Es gibt bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim noch laufende Ermittlungen wegen Aktenmanipulation. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat 1997 nicht wegen Urkundenfälschung und Betrugs ermittelt Kollege Maurer hat es schon gesagt , obwohl Anzeigen vorlagen, die auch den Schaden beziffert haben. Er hat 700 Millionen DM betragen.

Durchsuchungsanträge sind auf dem Weg von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen zur Staatsanwaltschaft Mannheim verschwunden. Die Staatsanwaltschaft Mannheim, so

haben wir kürzlich auf eine Anfrage hin erfahren, hat gar versucht, Verfahren gegen Manfred Schmider einzustellen.

Bei den aktuellen Verurteilungen das sehen wir in den laufenden Verfahren spielt die kriminelle Vergangenheit der Schmider-Brüder keine Rolle, obwohl es sich juristisch Kollege Reinhart, Sie als Jurist müssen das wissen um Rückfalltäter handelt.

Gegen Finanzbeamte wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, und aktuell gibt es einen Prozess gegen Matthias Schmider. Er erklärt mit Pauken und Trompeten, sein Bruder Manfred habe Kumpanei mit den Behörden betrieben. Dann oh Wunder: plötzlich Schweigen. Man vernimmt, dass Matthias Schmider nur wegen Beihilfe angeklagt werden soll, und schon ist von einer Kumpanei mit den Behörden keine Rede mehr.

Der Generalstaatsanwalt war jahrelang CDU-Stadtrat in Baden-Baden und hat da natürlich auch Projekten von Manfred Schmider zugestimmt.

(Abg. Fleischer CDU: Das ist aber übel!)

Wir wissen ganz aktuell, dass es in unserem Land Minister mit Black-out gibt; aber bei der Anzahl der Flüge kann das ja auch einmal vorkommen.

(Unmutsäußerungen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie können noch so viel „oh, oh“ sagen; jede Woche sind wir hier auf etwas Neues gestoßen, oder es wurde uns präsentiert. Sie haben es nicht kommentiert.

Wie geht denn die Landesregierung mit der ganzen Liste um? Minister Stratthaus hat in der letzten Plenardebatte nichts gesagt; er ist einfach in Deckung gegangen. Herr Minister Goll erweckt nun wenigstens den Anschein, dass er von dem einen oder anderen Vorkommnis informiert ist.

(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD Abg. Schmiedel SPD: Aber er tut nichts!)

Aber wir müssen Ihnen alles aus der Nase ziehen. Kollege Maurer hat schon gesagt: Uns wird nur das beantwortet, was wir fragen. Informationen wie beispielsweise zu den anonymen Anzeigen gegen Morlok oder zu den Betrügereien der Schmider-Brüder Anfang der Neunzigerjahre mit ihren Fibertex-Firmen kamen bekanntlich nicht durch das Bemühen der beiden Minister heraus, sondern sie wurden durch die Presse oder durch sonstige Informanten ans Tageslicht gebracht. Weiter gehende Information des Parlaments: Fehlanzeige. Wir wollen das nicht länger hinnehmen und beantragen deswegen den Untersuchungsausschuss.

Wir haben auch die teilweise ausweichenden und unbefriedigenden Antworten auf unsere Anfragen satt. Ich möchte Ihnen hier nur ein paar Beispiele nennen. Auf die Frage nach Interessenkollisionen bei Staatsanwälten wurde lapidar geantwortet: nicht erkennbar. Zu den Aktenmanipulationen heißt es, es stünden weitere Ermittlungen an.

Das Interessanteste: Auf eine Anfrage, die sich gerade auf Thüringen bezieht, ob denn baden-württembergische Be

hörden Thüringer von Durchsuchungen bei FlowTex abgehalten hätten, finden Sie in einer Antwort die Aussage, das sei nicht der Fall. Fünf Zeilen weiter unten wird eingeräumt, ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Mannheim habe gesagt, wegen der Größe des Geländes seien Durchsuchungen nicht geboten. Ja, was denn nun? Sie können sich aussuchen, welcher Zeile Sie Glauben schenken wollen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, zu den Vorgängen Anfang der Neunzigerjahre mit den Firmen von Fibertex und zu den Betrügereien bekommen wir die Antwort, keiner der Angehörigen des Finanzministeriums könne sich mehr daran erinnern.

(Heiterkeit bei den Grünen)

Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass wir uns mit solchen Antworten hier zufrieden geben. Wir haben auch die Salamitaktik satt, dass man immer nur häppchenweise etwas erfährt. Wir wundern uns auch schon darüber, dass die Landesregierung so zögerlich agiert. Haben Sie Angst, oder haben Sie ein schlechtes Gewissen? Wenn beides nicht der Fall sein sollte, müssten Sie hier anders agieren.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Summe der Vorkommnisse und Schlampereien anschaut, kommt man zu dem Ergebnis, dass ein unglaublicher und unvorstellbarer Skandal in unserem Land passiert ist. Seit 1992 sind diese betrügerischen Machenschaften den Behörden bekannt. Bekannt war auch die enorme kriminelle Energie der Schmider-Brüder. Es gab ja auch Unregelmäßigkeiten, die beispielsweise bei den Betriebsprüfungen 1996 und 1997 bekannt wurden. Trotzdem konnte bis zum Jahr 2000 weiter betrogen werden.

Ich denke, es ist in unser aller Interesse, Licht in diese Vorgänge hineinzubringen und zu klären, wie dies über einen so langen Zeitraum geschehen konnte. Wenn dieses Parlament sich und seine Kontrollfunktion ernst nimmt, dann beschließt es heute diesen Untersuchungsausschuss, und zwar einstimmig.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist jetzt an der Zeit, hier systematische Aufklärung zu leisten. Fragen für diesen Untersuchungsausschuss gibt es letztlich genug nicht nur, wie es überhaupt zu diesem gigantischen Betrug kommen konnte. Wir fordern eine wirklich schonungslose Offenlegung und Analyse der Rolle der Finanz- und Justizbehörden.

Wir wollen natürlich auch wissen und wir fragen Sie, Herr Minister Goll, Herr Minister Stratthaus, heute , warum nicht schon längst in Ihren beiden Ressorts Aufklärungsarbeit geleistet wird, warum hier nicht ermittelt wird, was denn eigentlich schief lief, dass man sich so betrügen lassen konnte.

Wir hinterfragen die Funktionsfähigkeit der staatlichen Kontrollorgane nicht nur bei großen Unternehmen, sondern auch bei Unternehmen, die eine besondere Nähe zur Politik haben. FlowTex war ein solches Unternehmen. Vielleicht

ist darin auch die Nachlässigkeit der Landesregierung bei der Aufklärung dieser ganzen Schlampereien begründet.

Eine Frage, die sich der Untersuchungsausschuss auch stellen wird, lautet natürlich, ob Politikerinnen und Politiker Einfluss genommen haben. Richter Meyer hat kürzlich öffentlich gesagt, er habe den Eindruck gewonnen, dass eine Außensteuerung stattfinde. Wenn ja, durch wen? Diese Frage hat dieser Untersuchungsausschuss natürlich auch zu klären. Die Nähe Schmiders zur Politik ist kein Geheimnis. Es gibt ja ein paar Leute, die gelegentlich mit ihm gefeiert haben. Auch dies wird Thema dieses Untersuchungsausschusses werden.

Wir stellen aber auch die Frage nach der Mitverantwortung der Regierung an dem wirtschaftlichen Schaden, der durch diesen jahrelangen Betrug in unserem Land entstehen konnte, nachdem bereits 1994 im Finanzministerium über diesen Sachverhalt diskutiert wurde.

Es stellt sich auch die Frage, ob generell in der Verwaltung etwas geändert werden muss. Wenn Sie sich die Antworten auf die jüngste Anfrage der SPD einmal ansehen, stellen Sie fest, dass da oft auch das Wort „Korruption“ auftaucht. Auch hierzu gab es von der Fraktion GRÜNE schon Initiativen. In Anbetracht von FlowTex sind diese natürlich wieder hochaktuell.

Dies gilt auch für die Rolle, die die Oberfinanzdirektion Karlsruhe gespielt hat schon bei den ersten Scheingeschäften. Von vornherein waren hier auch Beamte der Oberfinanzdirektion informiert.