Bei der Einführung des achtjährigen Zugs am Gymnasium hat Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle eingenommen. Ministerpräsident Clement hat kurz nach der Veröffentlichung der PISA-Studie die Einführung von G 8 in Nordrhein-Westfalen gefordert. Ich bin sicher, dass uns auf diesem Weg Bundesland für Bundesland folgen wird.
Im Übrigen haben wir auch im kommenden Doppelhaushalt die Mittel für Schulreformen erhöht. Es geht also weiter.
Auf dem bisher Erreichten werden wir uns nicht ausruhen. Ich versichere Ihnen, die CDU-Fraktion wird weiterhin mit ihrem Koalitionspartner und der Kultusministerin sowohl finanziell als auch durch inhaltliche Reformen das Bestmögliche tun, um unsere Kinder und Jugendlichen fit für die Zukunft zu machen, vor allem und noch gezielter, wenn wir die PISA-Ergebnisse speziell für Baden-Württemberg kennen.
Meine Damen und Herren, vielen Dank. Haben Sie vielen Dank für den Beweis Ihrer Zuhörqualität und -kompetenz.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Fi- scher SPD: Das hat an der Rede von Herrn Wacker gelegen! Zurufe der Abg. Wintruff und Dr. Caro- li SPD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! TIMSS, das Forum Bildung und PISA haben alle eine Botschaft: Unsere Schulen sind reformbedürftig. Gerade die zuletzt genannte Studie, aber auch das Forum Bildung haben den Handlungsbedarf deutlich aufgezeigt. Es ist ein Handlungsbedarf, den wir auch in diesem Hause immer wieder angemahnt haben und gegen den Sie, Herr Seimetz, diese Regierung und diese Koalition sich bisher mit ideologischen Scheuklappen gewehrt haben.
Was wir brauchen, meine Damen und Herren, sind nicht Bremsklötze à la Seimetz, sondern Impulse für längst überfällige Reformen für unser Bildungs- und unser Schulwesen.
(Beifall bei der SPD Abg. Schmiedel SPD: Bra- vo! Zurufe von der CDU Abg. Hauk CDU: Da hörst du doch nichts Neues mehr!)
Meine Damen und Herren, die PISA-Ergebnisse sind alarmierend. Aber ohne nun in Hysterie oder Panik zu verfallen das will ich deutlich sagen , will ich doch ein Ziel deutlich herausstreichen und dabei unseren Bundespräsidenten Johannes Rau zitieren, der auf dem Abschlusskongress Forum Bildung eine bessere Teilhabe aller an Bildung forderte. Eine Bildungsreform muss also die Teilhabe an Bildungschancen zum obersten Prinzip haben.
Gefordert sind auf der einen Seite neue Lehr- und Lernformen und damit eine neue Lehr- und Lernkultur, die in einem individualisierenden Unterricht die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern als eine Chance und nicht als eine Belastung empfindet.
Gefordert ist auf der anderen Seite eine strukturelle Offenheit und eine Neuorientierung des Schulsystems sowie die Möglichkeit für unsere Schulen, mehrere Bildungsgänge und mehrere Abschlüsse an einem Ort anbieten zu können. Aktueller denn je ist die Forderung: Fördern statt auslesen.
PISA hat gezeigt, dass das stark gegliederte baden-württembergische Halbtagsschulwesen es nicht vermocht hat, das Auseinanderdriften der schulischen Leistungen zu überwinden und gleichzeitig Spitzenleistungen hervorzubringen. Vor allem die schwächeren Schülerinnen und Schüler und die Migrantenkinder sind die Bildungsverlierer und damit auch von der Teilhabe an Bildung ausgeschlossen. Für Gesamtdeutschland ist das immerhin ein Prozentsatz von 20 %, der uns sehr zu denken geben muss.
Die OECD-Studie hat gezeigt, dass wir Schlusslicht bei der frühkindlichen Betreuung und Förderung sind und die geringsten Ausgaben für die Grundschule haben.
Jetzt nenne ich Ihnen eine andere Zahl, auf die es ankommt: Lediglich 7,2 % der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg nehmen Betreuungsangebote im Rahmen der verlässlichen Halbtagsschule wahr. Das ist nicht länger hinzunehmen.
(Beifall bei der SPD Abg. Schmiedel SPD: Skan- dal! Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Es gibt kei- ne Halbtagsschule!)
Gleichzeitig haben wir immer größer werdende Klassen und ich betone das nochmals die geringste Unterrichtszeit im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Ich sage Ihnen: Wer keine Gelegenheit auslässt, auf die Lernfähigkeit der Kinder im vorschulischen Alter zu verweisen, der muss endlich die Konsequenzen ziehen und eine deutlich bessere Verwirklichung des Bildungsauftrags im Kindergarten und eine erheblich bessere Förderung unserer Kinder im Grundschulalter wollen. Zu beidem sind diese Landesregierung und diese Koalition bisher weder
bereit noch in der Lage, weil sie offensichtlich das sage ich die Bedeutung früher professioneller Erziehung und Bildung nicht erkannt haben.
Ihre dogmatische Haltung wird aber noch deutlicher, wenn es um die Ganztagsschulen in Baden-Württemberg geht. Gerade mal 116 der 4 500 staatlichen allgemein bildenden Schulen im Land das ist eine Zahl, die Sie, Frau Schavan, in der Drucksache genannt haben sind Ganztagsschulen. Das sind 2,5 %, nicht mehr und nicht weniger.
Nachdem selbst Herr Oettinger während der Haushaltsberatungen ein Defizit bei den Ganztagsschulen in BadenWürttemberg festgestellt hat, sind Sie, Frau Schavan, sich nicht zu schade, die Statistik entsprechend aufzupäppeln. Sie zählen plötzlich die Privatschulen dazu,
(Abg. Seimetz CDU: Die zählen woanders auch dazu! Abg. Dr. Lasotta CDU: Die Kinder zählen doch auch in der Statistik!)
Wir sprechen hier aber über das staatliche allgemein bildende Schulwesen. Uns geht es vorrangig darum, dass an den staatlichen Schulen die Ganztagsschulen ausgebaut werden. Das ist zuvörderst unsere Aufgabe.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD Abg. Dr. La- sotta CDU: Wir wollen es bedarfsorientiert, und Sie wollen es überstülpen!)
Wir haben an Privatschulen fast so viele Ganztagsschulen, wie es an den staatlichen Schulen gibt. Das nenne ich einfach ein Schmücken mit fremden Federn.
Ihre Aufgabe wäre es, Frau Schavan, die Eltern so sage ich es einmal, ohne dabei die Privatschulen zu meinen nicht vor lauter Verzweiflung in die Privatschulen zu zwingen, sondern den Ausbau des Ganztagsschulwesens im staatlichen Schulwesen deutlich voranzubringen.
(Abg. Dr. Lasotta CDU: Es wird doch niemand ge- zwungen, in die Privatschule zu gehen! Abg. Hauk CDU: Die Leute gehen doch freiwillig! Abg. Seimetz CDU: Das ist auch kein Allheilmit- tel!)
Noch so eine Blockade, die Sie haben: Erst neulich haben Sie, Frau Ministerin, in der Stellungnahme zu einem Antrag betont, dass Sie lediglich so genannte Brennpunkthauptschulen zu Ganztagsschulen entwickeln wollen. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dass wir mehr Ganztagsschulen für alle Schulformen brauchen, dann sollten Sie sich einmal darüber informieren, was das Forum Bildung dazu sagt. Übrigens ist dort auch ein Herr Zehetmair
dabei. Dort wird dem Ganztagsschulbereich eine besondere Bedeutung zugemessen, weil in Ganztagsschulen eine bessere individuelle Förderung der jungen Menschen möglich ist und Ganztagsschulen beim Finden und Fördern von Begabung geeigneter sind als die bisherigen Halbtagsschulen.
Ich weiß, dass Sie das nicht wahrhaben wollen, Herr Seimetz. Das ist ja genau Ihr Problem, weil Sie dogmatisch argumentieren.
Überall in Deutschland hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir Ganztagsschulen in allen Schularten ausbauen müssen und nicht nur bei den Hauptschulen.
Natürlich sind Ganztagsschulen auch geeignet und dazu da, Müttern und Vätern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Man muss deutlich sagen, dass es meistens die Mütter sind, die hiervon profitieren. Das ist eine Forderung, die auch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände erhoben wird, die einen Mindestbedarf von 20 % sehen und Ganztagsschulen inzwischen als einen wichtigen Standortfaktor betrachten.
Der Gemeindetagspräsident, Herr Brucker, hat erst kürzlich Ähnliches gesagt. Ich könnte weitere Beispiele nennen.
Ihr Problem ist, dass das nicht in Ihr Weltbild hineinpasst und Sie Angst haben, dass es durch die Ganztagsschulen zu einer Entwicklung kommt, die Sie nicht haben wollen. Sie beschränken die Ganztagsschulen lediglich auf die Hauptschulen und haben heute auch in der Presse wieder die Zahl von 170 Hauptschulen genannt. Das ist der Umfang, den Sie zugestehen wollen, und alles andere, was aus familienpolitischen und gesellschaftspolitischen Gründen noch notwendig wäre, lehnen Sie ab.
Dringend notwendig ist ein regional ausgewogenes Angebot an Ganztagsschulen für alle Schularten. Wir haben dazu Anträge vorliegen. Wir wollen, dass jährlich 100 neue Ganztagsschulen in Baden-Württemberg eingerichtet werden, also bis zum Jahr 2006 weitere 500 Schulen und mindestens zwei Schulen pro Kreis im Jahr.
Wir wissen, dass dies nicht zum Nulltarif möglich ist und Bildung Geld kostet. Aber das sind für uns notwendige Investitionen in die Zukunft.